# taz.de -- 40 Jahre taz: Der Frauenstreik 1980: Die nackte historische Wahrheit | |
> Der größte Exportschlager der taz war die Frauenquote. Sie wurde nach | |
> einem einwöchigen Streik der Frauen 1980 beschlossen. | |
Bild: taz-Frauen bei der Durchsetzung der Quote am 15. November 1980 | |
Im November 1980 stand die taz ökonomisch kurz vor dem Untergang, überall | |
tobte das Chaos. Alle waren für alles zuständig, also fühlte sich niemand | |
verantwortlich, in ungespülten Kaffeetassen entwickelten sich die schönsten | |
Schimmelkulturen. | |
Ebenso unkontrolliert wucherten seltsame Texte und Bilder ins Blatt, unter | |
anderem von einem gewissen „Gernot Gailer“, [1][der in drastischen Worten | |
sein Begehren nach sexueller Unterwerfung diverser Damen beschrieb.] Wenig | |
später „ergänzt“ durch einen Leserbriefredakteur, der einen | |
sadomasochistischen Comic veröffentlichte. [2][Aus Protest traten wir | |
taz-Frauen in den Streik] – eine Woche lang. | |
In der Redaktion fiel das gar nicht so auf, dort waren Frauen eine | |
Minderheit. Hart aber traf es Satz, Layout, Fotoredaktion, Reproabteilung | |
und Vertrieb, wo jeweils eine Mehrheit fleißiger Fräuleins am Werk war. Die | |
taz-Männer, die überall einspringen mussten, krochen binnen kurzem auf den | |
Brustwarzen. | |
Wir Frauen diskutierten derweil in der Wohnung von Sozialredakteurin Gitti | |
Hentschel unsere Forderungen: Einführung klarer Verantwortlichkeiten statt | |
wilder Plenardemokratie. Vetorecht der Frauen bei Texten und Bildern, die | |
weibliche Sexualität betrafen. Und: 52 Prozent aller Stellen für Frauen. | |
Frauenquote? Dafür gab es damals keinerlei historisches Vorbild; wer von | |
uns auf die Idee kam, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. 52 statt 50 | |
Prozent? Das entsprach der realen weiblichen Mehrheit in der Bevölkerung. | |
Am Samstag, den 15. November, stellten wir dem obersten Basisorgan, dem | |
Mitarbeiterplenum, unsere Forderungen vor. Eisige Ablehnung schlug uns | |
entgegen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis ein Anzeigenakquisiteur uns | |
provozierte: „Ihr seid doch nur prüde!“ Wir wussten, dass das kommt, wir | |
hatten uns vorbereitet. [3][Kollektiv zogen wir Pullover und T-Shirts aus | |
und ließen nackte Brüste hüpfen.] Verblüffung. Schweigen. Eine Frau fing an | |
zu lachen. Dann alle anderen. Redakteur Thomas Hartmann verschwand kurz, | |
kehrte wieder, klappte seinen Fellmantel auf und entblößte nackte Lenden. | |
Gegröle. | |
Die Spannung war verflogen, alle hatten sich wieder lieb. Die folgende | |
Abstimmung gewannen wir Frauen souverän mit 38 gegen 9 bei 6 Enthaltungen, | |
auch viele Männer stimmten mit uns. Die erste Frauenquote Deutschlands ward | |
Wirklichkeit. Damals hatten wir nicht die leiseste Ahnung, dass wir | |
Geschichte geschrieben hatten. | |
Denn von der taz wanderte sie zu den Grünen, die 1986 eine 50-Prozent-Quote | |
beschlossen. Tante Sozialdemokratie tuckelte 1988 hinterher und beschloss | |
eine 33-Prozent-Quote, 1998 gesteigert auf 40 Prozent. Es folgte 1990 | |
PDS/Die Linke mit einer 50:50-Regelung. Die CDU führte 1996 mit dem | |
„Frauenquorum“ eine weiche Quote ein, die CSU beschloss 2010 eine | |
40-Prozent-Regel für Gremien oberhalb der Kreisverbände. | |
Seit Gründung der Bundesrepublik hatte der Anteil weiblicher | |
Bundestagsabgeordneter bis 1987 nie mehr als jämmerliche 10 Prozent | |
betragen; nun stieg er kontinuierlich bis 36 Prozent. Erst der Einzug der | |
Gauland-Machos aus der fast durchweg männlichen AfD [4][ließ die Kurve 2017 | |
wieder auf 30 Prozent sinken.] | |
Gäbe es heute eine Bundeskanzlerin und ein zur Hälfte weibliches | |
Regierungskabinett, wenn wir damals nicht den Busen blank gezogen hätten? | |
Keine Ahnung. | |
27 Sep 2018 | |
## LINKS | |
[1] /!109039/ | |
[2] /!1909890/ | |
[3] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-89571180.html | |
[4] /Quote-im-Bundestag/!5450200 | |
## AUTOREN | |
Ute Scheub | |
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