# taz.de -- Ägyptisches Fußballteam bei Olympia: Kicken für die Revolution | |
> Mohamed Aboutrika ist ein Nationalheld. Er war dabei als sein Club | |
> Al-Ahly von Mubarak-Getreuen angegriffen wurde. Am Samstag ist er Kapitän | |
> der Ägypter im Viertelfinale gegen Japan. | |
Bild: Damit Ägypten was zu Feiern hat: Sieg gegen Weißrussland - Aboutrika wi… | |
„Der Fußball kann zur Hölle fahren". Seine Karriere zu beenden war für | |
Mohamed Aboutrika im Moment der Katastrophe der einzige Ausweg. In der | |
ägyptischen Hafenstadt Port Said war es nach einem Ligaspiel zwischen dem | |
Heimteam Al-Masry und dem erfolgreichsten Klub des Landes Al-Ahly Kairo zum | |
Gewaltexzess gekommen. | |
Während sich der Spielmacher Aboutrika und seine Teamkollegen von Al-Ahly | |
nach dem Schlusspfiff vor den bewaffneten Angreifern in die Kabine flüchten | |
konnten, starben auf den Rängen 74 Anhänger, die ihr Team aus Kairo | |
begleitet hatten, fast 1000 wurden verletzt. In den Katakomben des Stadion | |
wurden Verletzte behandelt, einige starben vor den Augen Aboutrikas. Alles | |
spricht dafür, dass es sich um einen organisierten Angriff von Getreuen des | |
kurz zuvor gestürzten Mubarak-Regimes handelte. | |
Sie wollten sich rächen, an den Ultras von Al-Ahly, die auf dem Kairoer | |
Tahrir-Platz auf der Seite der Revolutionäre gekämpft hatten. Ein halbes | |
Jahr später ist es eben jener Mohamed Aboutrika, der das junge ägyptische | |
Team zum Auftakt des olympischen Fußballturniers als Kapitän auf das Feld | |
führt. Zwar verlieren die „Pharaonen“ ihr erstes Spiel gegen Brasilien mit | |
2:3, doch nach einem Unentschieden gegen Neuseeland und einem Sieg über | |
Weißrussland trifft die Mannschaft, die vom früheren Bundesligaprofi Hany | |
Ramzy betreut wird, im Viertelfinale am Samstag auf Japan. | |
Auf den Fußballplatz kehrte Aboutrika bereits im Mai zurück. Die Saison in | |
Ägypten war nach den Ereignissen in Port Said abgebrochen worden, doch | |
Al-Ahly spielte um die Qualifikation für die afrikanische Champions League. | |
Nach einem 0:1 im Hinspiel gegen den Vertreter Malis Stade Malien, lag der | |
Klub auch im Rückspiel vor heimischer Geisterkulisse in Rückstand, als | |
Aboutrika kurz vor der Pause ins Spiel kam. 45 Minuten später hatte er Ahly | |
das Weiterkommen durch einen Hattrick fast im Alleingang gesichert. | |
## Dem Klub die Treue gehalten | |
Um zu verstehen, warum Mohamed Aboutrika seine Abkehr vom Fußball | |
revidierte, muss man seine Rolle für den ägyptischen Fußball und | |
insbesondere für Al-Ahly kennen. Dem torgefährlichen Mittelfeldregisseur | |
gelang erst 2004, im Alter von 26 Jahren, der Sprung zu Afrikas | |
erfolgreichstem Klub. Seither ist er dessen überragender Akteur. Jedes Jahr | |
Meister, drei Mal Champions League-Sieger und zwischen 2004 und 2008 bester | |
Spieler Ägyptens. Trotz zahlreicher lukrativer Angebote aus Europa hat er | |
seinem Klub die Treue gehalten. Aus Überzeugung und im Gegensatz zu all den | |
anderen Stars des afrikanischen Fußballs, den Drogbas, Etos oder Essiens. | |
In Europa kennt man ihn, der in London erstmalig internationales Parkett | |
außerhalb Afrikas betritt, dagegen kaum. Mohamed Aboutrika kann das egal | |
sein, denn die ägyptischen Fans verehren ihn umso mehr. Nicht nur aus | |
Kairos Stadtbild sind Trikots mit seinem Namen und der Rückennummer 22 | |
nicht wegzudenken. Selbst die Anhänger von Ahlys größtem Konkurrenten | |
Zamalek, denen Aboutrika so viele schmerzliche Niederlagen bereitete, | |
würden seinen Status als Nationalheld nicht abstreiten. Neben seiner Treue | |
zu Ägypten und seinen sportlichen Erfolgen ist es auch sein Engagement für | |
die Armen, das Aboutrika so populär macht. | |
## „Ägypten braucht einen Grund zum Feiern“ | |
Auch seine Bereitschaft, Ägyptens U23-Nationalmannschaft nach London zu | |
führen, rührt aus der Überzeugung etwas Gutes zu tun. Die Ereignisse vom | |
Februar, so sieht er es heute, haben ihm die „Motivation gegeben, etwas für | |
die Menschen zu tun, die dort gestorben sind. Ägypten braucht jetzt einen | |
Grund zum Feiern.“ Tatsächlich ist der Auftritt von Ägyptens Team Balsam | |
für das fußballverrückte Land, das immer noch auf die Wiederaufnahme des | |
Ligabetriebs wartet. Und Aboutrika tut sein Möglichstes, um den Ägyptern, | |
die sich bei allen Spielen kollektiv in den Teestuben und Shishabars | |
versammeln, etwas Freude zu bereiten. | |
Gegen Brasilien konnte er die Niederlage trotz eines eigenen Treffers nicht | |
verhindern, aber gegen Neuseeland rettete seine Torvorlage das | |
1:1-Unentschieden. Im abschließenden Gruppenspiel trug er mit einem Tor und | |
einer Vorlage maßgeblich zum 3:1-Erfolg bei, der den Einzug ins | |
Viertelfinale bedeutete. Mit einer Mannschaft, die bis auf zwei Ausnahmen | |
aus Spielern besteht, die bei ägyptischen Vereinen unter Vertrag stehen und | |
damit seit einem halben Jahr keine Wettkampfpraxis mehr haben, ist Ägypten | |
dort der Außenseiter. | |
Doch das Team, dem Trainer Hany Ramzy bescheinigt, „ein sehr guter | |
Jahrgang“ zu sein, wird sich beweisen wollen. Und an Motivation wird es | |
kaum fehlen: Mohamed Aboutrika und seine Kollegen haben ein großes Ziel: | |
Die Ägypter endlich wieder feiern zu sehen. | |
4 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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