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# taz.de -- Proteste in Chile: Pinochet spaltet auch noch als Toter
> Ein Dokumentarfilm huldigt dem vor sechs Jahren verstorbenen ehemaligen
> Militärdiktator Augusto Pinochet. Aus Protest gehen in Chile tausende
> seiner Gegner auf die Straße.
Bild: Mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Pinochet-Gegner.
SANTIAGO DE CHILE taz | Eine Ehrung für den verstorbenen Diktator Augusto
Pinochet in Chiles Hauptstadt Santiago hat am Sonntag erneut die
Vergangenheit des Landes gewaltvoll an die Oberfläche gespült. Einige
tausend Gegner der Militärdiktatur belagerten über Stunden das Theater
Caupolicán. Drinnen hatten sich rund tausend Anhänger des 2006 verstorbenen
Generals Pinochet versammelt, um ihrem Idol mit der Premiere eines neuen
Dokumentarfilms zu huldigen.
Exmilitärs, Familienangehörige Pinochets, ehemalige Regierungsmitglieder
oder Geheimdienstschergen des Generals, aber auch spanische Franco-Anhänger
widmeten sich der Aufgabe, „unsere historische Wahrheit zu zeigen“, wie
Juán González sagte, Präsident der Corporación 11 de Septiembre, die den
Akt organisiert hatte. Am 11. September 1973 hatten die Militärs unter
Führung Pinochets die Regierung des demokratisch gewählten Sozialisten
Salvador Allende aus dem Amt geputscht und die Macht übernommen.
Die Wahrheit, das ist nach Ansicht der rund 1.000 pinochetistas, die das
Theater nicht mal zu einem Drittel füllten, dass Pinochet ein weiser
Staatsmann war, der Chile aus den Klauen der chaotischen, kommunistischen
Allende-Regierung befreien musste. Dieses Bild zeichnet der Dokumentarfilm
„Pinochet“ des Regisseurs Ignacio Zergers, der am Sonntag gezeigt und
heftig bejubelt wurde.
So forderten die Versammelten auch die Freilassung aller noch in Haft
sitzenden 67 Militärs, die wegen Menschenrechtsverbrechen verurteilt sind.
Diese hätten schließlich nur die „Freiheit verteidigt“. „Die Linke will…
Geschichte verdrehen“, rief Alfonso Márquez de la Plata, Landwirtschafts-
und Arbeitsminister unter Pinochet, in den Saal, bevor die Anwesenden unter
Polizeischutz das Theater verließen.
Die Hommage für Chiles letzten Militärdiktator, unter dem zwischen 1973 und
1990 mehr als 3.000 Personen emordet wurden oder verschwanden und rund
38.000 Personen gefoltert wurden, trieb nicht nur Frauen und Männer mit den
Fotos ihrer ermordeten oder bis heute verschwundenen Familienangehörigen in
friedlichen Protesten auf die Straße. Rund 500 Personen lieferten sich
stundenlange Straßenschlachten mit der Polizei, die das Theater abgeriegelt
hatte. Es kam zu 64 Festnahmen.
Ein Versuch der „Familienangehörigen der Verhaftet-Verschwundenen“ (AFDD),
die Veranstaltung als eine Form von Staatsterrorismus verbieten zu lassen,
weil sie „Folter, Verbrechen und das Verschwindenlassen von Menschen
rechtfertigt“, wie AFDD-Präsidenten Lorena Pizarro sagte, war zuvor per
Gericht abgelehnt worden.
Die rechte Regierung von Präsident Sebastián Piñera hatte sich diesmal um
Distanz zu den Pinochet-AnhängerInnen bemüht. Zwar hatte sie sich
geweigert, die Veranstaltung zu verbieten. „Es handelt sich um eine
Aktivität wie viele hundert andere im Land. Die Regierung respektiert sie,
aber wir nehmen nicht an ihr teil“, hatte Regierungssprecher Andrés
Chadwick erklärt.
Immerhin verurteilte Chadwick, der 1977 wie zwei weitere aktuelle
Regierungsmitglieder den Treueschwur auf Pinochet abgelegt hatte, die
„brutalen Verletzungen der Menschenrechte unter der Militärregierung“. Das
sehen längst nicht alle Anhänger der rechten Regierungsparteien Nationale
Erneuerung und Unabhängige Demokratische Union (UDI) so. Cristián Labbé,
UDI-Politiker und Exgeheimdienstmitarbeiter unter Pinochet, kommentierte
die Ehrung des Generals mit den Worten „Alles, was hilft, die historische
Wahrheit dieses Landes wiederherzustellen, ist gut.“
11 Jun 2012
## AUTOREN
Eva Völpel
## TAGS
Chile
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