Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Subventionen für Stierkampf: EU sponsert Tierquälerei
> Die Europäische Union zahlt Agrarsubventionen in Millionenhöhe an
> spanische Züchter, die Tiere für den Stierkampf liefern. 20 Prozent der
> Summe kommen aus Deutschland.
Bild: Nicht nur der Stier leidet, auch der Mensch kann zu Schaden kommen.
Sechs Spieße hängen im Fleisch von Millonario, Blut läuft seinen Nacken
herunter. Sein Puls rast, panisch schnell hebt sich sein schwarzes
glänzendes Bauchfell - so aufgeregt ist das schwere Tier von seinem Kampf
in der Stierkampfarena im nordspanischen Tudela. Nun stellt sich der
Matador vor ihm auf, sein Degen blitzt kurz im Sonnenlicht, bevor er ihn
zwischen Millonarios Schulterblätter sticht - direkt ins Herz. Das Publikum
applaudiert. Doch noch lebt das Tier.
Drei Stierkämpfer reizen es mit purpurroten Tüchern, umherzuspringen und
den Kopf zu bewegen. Das soll seine Verletzung vergrößern. Während einige
Zuschauer lachen, stößt Millonario mit jedem Atemzug Blut aus seinen
Nasenlöchern. Der Stier läuft an den Rand der Arena, und erst zwei Minuten
nach dem Degenstich brechen seine Vorder- und schließlich seine Hinterbeine
ein. Der Kopf sinkt zu Boden.
Dass Millonario so endete, haben auch die Agrarpolitiker der Europäischen
Union zu verantworten. Denn sein Züchter, die Familie Martín aus der
westspanischen Provinz Cáceres, bekommt einen Teil der jährlich rund 60
Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen - so wie die Züchter der übrigen
10.000 Tiere, die im Jahr 2009 für den Stierkampf in Spanien geliefert
wurden. An die Martíns flossen damals mindestens 190.000 Euro, wie aus der
von der spanischen Regierung zuletzt veröffentlichten Liste mit den
Empfängern der Subventionen für die Landwirtschaft hervorgeht.
Insgesamt kassieren spanische Züchter von Tieren für den Stierkampf jedes
Jahr mehrere Millionen Euro an Agrarbeihilfen aus Brüssel. Offizielle
Zahlen gibt es dazu nicht. Ein Abgleich der Mitgliederliste des
Züchterverbands UCTL mit der spanischen Subventionsdatenbank jedoch zeigt:
Allein etwa 200 der 1.400 in Spanien registrierten Züchter erhalten
insgesamt rund 26 Millionen Euro von der EU. Das sind durchschnittlich
130.000 Euro pro Betrieb, von denen die deutschen Steuerzahler 20 Prozent
schultern.
Zwar sagt ein Sprecher der EU-Kommission: "Es gibt keine finanzielle
Unterstützung der EU für den Stierkampf." Tatsächlich bekommen die
Landwirte die Subventionen im Wesentlichen dafür, dass sie das Land vor dem
Zuwachsen bewahren und dabei die Gesetze etwa zum Umwelt- sowie Tierschutz
einhalten. Aber ob das Geld in die Züchtung von Kampfstieren fließt, spielt
in den EU-Regeln keine Rolle.
Für Alberto Díez, Sprecher der größten spanischen Tierschutzorganisation
Anda, ist das ein Skandal. "Im Stierkampf wird das Tier viel schmerzhafter
getötet als in einem Schlachthaus", sagt er. Schlachter betäuben das Rind
in der Regel mit einem Bolzenschussgerät im Bruchteil einer Sekunde, bevor
sie es töten. Toreros dagegen verletzen den Stier mit Spießen und Lanzen
und treiben ihn erst einmal durch die Arena, bevor sie ihm den Degen ins
Herz rammen. Wie im Fall Millonarios muss das Tier selbst dann meist noch
minutenlang leiden, bevor es stirbt.
Auch dass aus diesem "besonders brutalen Töten" ein Spektakel gemacht
werde, kritisiert Tierschützer Díez. "Im Schlachthaus genießen die Leute
wenigstens nicht das Töten. Es ist keine Show."
Díez ist kein Radikaler. Er redet ruhig und sachlich über den Stierkampf.
Radikale Tierrechtler würden wohl nie einen Vergleich ziehen, in dem ein
Schlachthaus gut abschneidet. Doch eines regt selbst Díez auf, dass nämlich
"alle Bürger für den Stierkampf bezahlen - sowohl in Spanien als auch in
der EU insgesamt". Er fordert deshalb, dass Agrarbeihilfen nicht mehr für
den Stierkampf verwendet werden dürfen.
Das kommt für Millonarios Züchter, Victorino Martín, nicht infrage. "Ich
bin doch kein EU-Bürger zweiter Klasse", sagt der Unternehmer, der als
Vorstandsmitglied des Züchterverbands UCTL auch für die Branche insgesamt
spricht. "Ich zahle meine Steuern wie jeder andere auch." Er würde "den
Geist" der EU-Normen für die Landwirtschaft besonders gut erfüllen: "Wir
schaffen Arbeit für zwanzig Personen in einer strukturschwachen Region",
argumentiert Martín. Schließlich erhalte er mit dem Kampfstier eine Art,
die vom Aussterben bedroht sei. Und er schütze den Baumbestand auf seinen
Ländereien. Kurz: "Wir leisten der Gesellschaft einen Dienst, für den sie
sich uns genauso wie jedem anderen gegenüber erkenntlich zeigt."
Überhaupt geht es den Kampfstieren Züchter Martín zufolge viel besser als
anderen Tieren. "Die Art und Weise, wie der Kampfstier lebt und stirbt, ist
ein Privileg. Ein Hund, der in einer Wohnung leben muss, leidet viel mehr",
sagt der studierte Tierarzt. Seine Stiere dagegen würden vier Jahre in
"völliger Freiheit" leben - bis sie vor dem Matador landen. "Wir verwöhnen
sie, damit sie uns in der Arena ihr Bestes geben."
Martín nennt Stierkampf "eine Art Religion", ein "Opferritual". Deshalb
sagt er auch: "Wir machen kein Spektakel aus dem Tod des Stiers, sondern
aus seinem Leben, seinem Verhalten." Denn wie mutig sich der Kampfstier im
Angesicht des Todes zeige, sei ein Beispiel, das dem Zuschauer helfe,
seinen Charakter zu verbessern. "Wir genießen weder den Tod noch das Leiden
des Stiers."
"Religion", "Opferritual" - mit solchen Begriffen kann Martín Tierschützer
nicht überzeugen. Das Argument, die Stiere lebten vergleichsweise gut,
weist Aktivist Díez zurück. "Ein gutes Leben rechtfertigt nicht eine
brutale Tötung in der Arena", sagt er. Und was die Arbeitsplätze angeht,
argumentiert der Tierschützer: "Die Stierzüchter produzieren schon jetzt
auch Fleisch für den normalen Konsum. Sie sollten sich nur noch dieser
Produktion widmen." Das würde ihre Arbeitsplätze sichern.
Die Tierschützer hoffen, dass die Europäische Union in ihren neuen Regeln
für Agrarbeihilfen in der Zeit nach dem Jahr 2013 Subventionen für
Stierkampf-Betriebe verbietet. Aber danach sieht es nicht aus. Gerade am
Donnerstag hat die EU-Kommission ihre neue Strategie für die Agrarpolitik
vorgestellt, ohne auf den Stierkampf einzugehen (siehe unten). Deshalb
werden wohl noch tausende Stiere sterben wie Millonario in der Arena von
Tudela in Nordspanien - qualvoll und unter dem Applaus des Publikums.
18 Nov 2010
## AUTOREN
Jost Maurin
## TAGS
Spanien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Parlamentsbeschluss in Spanien: Stierkampf wird Kulturgut
Spanien hat das blutige Spektakel gesetzlich anerkannt. Proteste von
Tierschützern waren vergeblich. Ein Verbot bleibt den Regionen jedoch
vorbehalten.
Vorschlag der EU-Kommission: 60 Milliarden neu verteilen
Nach Plänen der EU-Kommission sollen bei der Verteilung von Subventionen
ökologische und soziale Aspekte eine größere Rolle spielen. Ilse Aigner hat
schon Widerstand angekündigt.
Aus für Stierkampf in Katalonien: Sieg der Tierschützer
Das katalonische Parlament in Barcelona verbietet Stierkämpfe. Das neue
Gesetz gilt ab 2012. Tierschützer hoffen, dass die anderen Provinzen
nachziehen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.