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# taz.de -- Klima-Politik und autoritäre Systeme: Stiller Gemeinschaftsgeist
> Saubere Energie ist trotz der regressiv agierenden US-Administration und
> anderer autoritärer Regierungen nötig – und durchaus möglich.
Bild: Eine Tropical Forest Forever Facility: Reiche Länder müssen mehr in den…
Brexit, Coronapandemie, Russlands Krieg gegen die Ukraine, Trump 2.0: In
den zehn Jahren seit der Unterzeichnung des [1][Pariser Klimaabkommens]
sind die Debatten über die globale Erwärmung sowohl hitziger als auch –
allzu oft – unehrlicher geworden. Als Leiterin von Greenpeace International
– in Zusammenarbeit mit Umweltwissenschaftlern und Klimaaktivisten vor Ort
– sowie als deutsche Staatssekretärin für Klimapolitik und
Sonderbeauftragte für internationale Klimaschutzmaßnahmen habe ich dies
miterlebt.
Das Pariser Klimaabkommen von 2015 ist ein Abkommen, das in Rekordzeit von
allen Ländern – ob Produzenten fossiler Brennstoffe, Inselstaaten oder die
reichsten Volkswirtschaften der Welt – ausgehandelt und ratifiziert worden
war. Es verbindet effektive Messung und Überwachung mit Flexibilität für
die Länder, ihre eigenen Pläne zur Bekämpfung des Klimawandels festzulegen
und zu entwickeln. Alle fünf Jahre werden alle Regierungen aufgefordert,
mehr zu tun. Bislang hat die überwiegende Mehrheit der Regierungen dies
tatsächlich getan, sehr zur Überraschung vieler.
Um die Wirksamkeit des Pariser Abkommens zu würdigen, hier zur Erinnerung
einige Fakten: 2024 machten erneuerbare Energien [2][92,5 Prozent] aller
neu installierten Stromkapazitäten aus. Zudem bieten 75 Prozent der neuen
Wind- und Photovoltaikanlagen heute günstigeren Strom als bestehende
Kohle-, Gas- und Ölkraftwerke. All dies war 2015 noch unvorstellbar. Diese
Beschleunigung des ökologischen Wandels vollzieht sich unter verschiedenen
politischen Systemen und Wirtschaftsmodellen. Das ist der Beweis, dass
saubere Energie kein ideologisches Thema ist. Länder setzen auf erneuerbare
Energien, weil sie sich bewährt haben. Sie treiben das Wachstum an,
steigern die Wettbewerbsfähigkeit, verringern die Volatilität der
Energiepreise und verbessern die Lebensqualität.
Zwar ist die Welt noch immer weit davon entfernt, ihre Klimaziele zu
erreichen, die unbestreitbaren Fortschritte seit 2015 geben jedoch Anlass
zur Hoffnung, dass weitere Fortschritte erzielt werden können. Kriege,
Konflikte und angespannte öffentliche Finanzen – teilweise bedingt durch
die enormen Kosten der Pandemie – veranlassen die Regierungen zu
Zurückhaltung. Die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene internationale
Ordnung wird in ihren Grundfesten erschüttert.
Trotz der derzeit deprimierenden Lage in der Klimadebatte bin ich
optimistisch, dass der in den vergangenen Jahren aufgebaute
Klimagemeinschaftsgeist still, aber entschlossen daran arbeitet, die
erzielten Erfolge zu festigen und darauf aufzubauen. Die Brasilianer nennen
dies mutirão, was sich nur schwer übersetzen lässt. Ich verstehe darunter
das „Zusammenkommen“, um ein Problem gemeinsam anzugehen. Angesichts der
sich ausbreitenden Brände, der zunehmenden Dürren und der Überschwemmungen,
durch die weltweit Häuser weggespült werden, ist genau das unsere Aufgabe.
Verständlicherweise wollen die Interessenvertreter fossiler Brennstoffe –
und die Trump-Regierung – nichts dergleichen. Sie haben die Umgestaltung
der Weltwirtschaft zwar nicht übersehen, scheinen darüber jedoch überrascht
und besorgt zu sein, dass sie schneller voranschreitet als erwartet. Sie
sind nicht bereit, ihren unvermeidlichen Niedergang tatenlos hinzunehmen.
Schließlich arbeitet die Trump-Regierung mit aller Kraft daran, fossile
Brennstoffe wieder einzuführen, und zerstört dabei nicht nur Amerikas
saubere Energie, sondern auch die ausländische grüne Konkurrenz für
US-Kohle und -Öl. Die [3][UN-Klimakonferenz COP30] in Belém, Brasilien, hat
das erkannt, wenn auch deren Ergebnisse deutlich entfernt von den Pariser
Klimazielen sind.
Das bedeutet, sich erneut zu den Zielen der COP28 zu bekennen: der
Modernisierung der Energiesysteme, dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen
und dem Ausbau erneuerbarer Energien. Es bedeutet auch, die Entwaldung bis
2030 auf null zu reduzieren. Und es bedeutet, die vereinbarten Ziele für
die Klimafinanzierung zu erreichen. Investoren müssen wissen, wo sie ihre
Investitionen tätigen sollen.
Wenn die nationalen Pläne der einzelnen Länder nicht ausreichen, um die
globale Erwärmung auf unter 1,5 °C (im Vergleich zum vorindustriellen
Niveau) zu begrenzen, wie es das Pariser Abkommen vorsieht, müssen sich die
Staats- und Regierungschefs dazu verpflichten, diese Lücke mit verfügbaren
Mitteln zu schließen. Um eine gerechte Energiewende zu erreichen, muss
jedoch ein Paket spezifischer Lösungen für Stromnetze, Speichersysteme und
eigene erneuerbare Energiesysteme entwickelt werden. Gleichzeitig müssen
Produzenten und Verbraucher fossiler Brennstoffe dazu angehalten werden,
den Ausstieg aus diesen Energieträgern zu beschleunigen.
Dazu ist ein neuer Finanzierungsmechanismus erforderlich, damit die Länder
in den Schutz der Wälder investieren können. Der Vorschlag Brasiliens für
eine Tropical Forest Forever Facility könnte hier eine entscheidende Wende
bringen. Außerdem müssen sich die reichen Länder dazu verpflichten, ihre
Finanzmittel für Anpassungsmaßnahmen mindestens zu verdoppeln, wenn nicht
sogar zu verdreifachen. Regionale Banken sowie die Weltbank sollten sich
darüber hinaus dazu verpflichten, Resilienzmaßnahmen in alle
Infrastrukturprojekte zu integrieren. Dies ist eine große Chance für
Brasilien, sein Vermächtnis als Verfechter der am stärksten gefährdeten
Gemeinschaften in allen Ländern zu festigen.
Deutsch von Andreas Hubig
Copyright: Project Syndicate, 2025. Das Project Syndicate mit Sitz in Prag
ist eine Non-Profit-Organisation, die internationalen Medien Essays und
Meinungsbeiträge von namhaften PublizistInnen und WissenschaftlerInnen
anbietet.
20 Dec 2025
## LINKS
[1] /10-Jahre-Klimaabkommen/!6137416
[2] https://www.reuters.com/sustainability/climate-energy/global-renewable-powe…
[3] /Weltklimakonferenz-COP30-in-Brasilien/!6128277
## AUTOREN
Jennifer Morgan
## TAGS
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