| # taz.de -- 10 Jahre Klimaabkommen: Das Wunder von Paris | |
| > Zehn Jahre nach der historischen Entscheidung des Klimaabkommens von | |
| > Paris scheint die Zeit zurückgedreht. Dabei sind die Fortschritte nicht | |
| > zu unterschätzen. | |
| Bild: Freude nach der Annahme des Klimaabkommens 2015 | |
| Es war eine der besten Partys, auf denen ich je war: In der Nacht des 12. | |
| Dezember 2015, ein Club mitten in Paris, und überall aufgekratzte Menschen: | |
| PolitikerInnen, DiplomatInnen, Ökofreaks, LobbyistInnen, UN-Angestellte, | |
| JournalistInnen feierten das Ende der COP21 – und was für ein Ende! Das | |
| [1][Pariser Abkommen], das so überraschend gut gelungen war, so viele | |
| Erwartungen erfüllt hatte und so viele Hoffnungen weckte. | |
| Als die damalige UNFCCC-Chefin Christiana Figueres im rappelvollen Saal | |
| erschien, lagen sich alle in den Armen und grölten: „We are the Champions!“ | |
| Früh am Morgen schlich ich durch die dunkle Stadt nach Hause, denn die taz | |
| musste [2][mit einer halbwegs ausgeruhten Analyse] dieses kleinen Wunders | |
| gefüllt werden. | |
| Zehn Jahre her. Mit dem Begriff „historischer Moment“ soll man sehr | |
| vorsichtig sein, vor allem, wenn man als Journalist direkt daneben steht. | |
| Aber ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich an den Abend des 12. | |
| Dezember 2015 im Konferenzsaal von Le Bourget denke, wo ich mich mit einem | |
| Kollegen in das Abschlussplenum gemogelt hatte. Und dann – zack – bevor es | |
| alle richtig mitbekamen, der COP-Präsident Laurent Fabius den Hammer fallen | |
| ließ und den Text durchhämmerte. Neben mir sprang ein US-Delegierter auf | |
| und umarmte alle Nachbarn, der Saal explodierte in stehenden Ovationen. | |
| Klar: Weder vorher noch nachher waren Klimakonferenzen solche Freudenfeste. | |
| Aber wer das Pariser Abkommen heute routiniert als „gescheitert“ oder „to… | |
| bezeichnet, hat nichts verstanden, sondern betreibt das Geschäft der | |
| fossilen Mafia. „Paris“ ist quicklebendig: das Versprechen so ziemlich | |
| aller Staaten, die Erdüberhitzung bei deutlich unter zwei Grad zu halten, | |
| den Armen finanziell zu helfen und ihre nachhaltige Entwicklung zu fördern, | |
| die Nutzung der Fossilen zu beenden, die Wälder zu schützen, die Wirtschaft | |
| so umzubauen, dass sie uns nicht ruiniert. | |
| ## Der Zug ist auf dem richtigen Gleis | |
| Heute ist vieles erreicht, was in Paris undenkbar war: Die Erneuerbaren | |
| sind die billigste Energiequelle, alle wichtigen Länder haben Pläne für | |
| Nullemissionen, die Pläne für den Umbau der fossilen Welt sind realistisch | |
| und finanzierbar. Der Zug ist auf dem richtigen Gleis und hat den Bahnhof | |
| verlassen. | |
| Wie das mit der Bahn allerdings so ist: Es gibt Verspätungen, Züge fallen | |
| aus, Passagiere verlassen den Zug, manche Weichen werden falsch gestellt. | |
| Zurzeit kämpft die fossile Front aus USA, Russland und Ölstaaten | |
| erfolgreich gegen das unaufhaltsame Ende von Öl, Kohle und Gas. Und gern | |
| tröten auch andere, es gebe entweder gar kein Problem mit dem Klima oder es | |
| sei gar nicht lösbar. Auch die Bundesregierung bekennt sich zwar offiziell | |
| zu Paris, findet dann aber Wirtschaftswachstum aus den 50er Jahren | |
| wichtiger als Zukunftsfähigkeit. | |
| Das ist alles wahnsinnig und teuer. Und es hat, anders als das Pariser | |
| Abkommen, keine Zukunft. Paris hat viel erreicht, aber es reicht nicht. Es | |
| zeigt die Strecke und den Fahrplan, aber damit der Bummelzug zum TGV wird, | |
| braucht es mehr Druck auf dem Kessel. Das Abkommen muss und wird weiterhin | |
| die Richtung und Geschwindigkeit vorgeben, in der die Weltwirtschaft | |
| unterwegs ist. Gegen die Zyniker, die Kurzsichtigen, die fossilen Ideologen | |
| und die autoritären Idioten gibt es ein Gegenmittel, das schon Humphrey | |
| Bogart in „Casablanca“ formuliert hat: „We will always have Paris.“ | |
| 11 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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