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# taz.de -- Identitätssuche bei Borussia Dortmund: Sicherheit statt Sexyness
> Borussia Dortmund und Bodø/Glimt trennen sich im Champions-League-Spiel
> mit 2:2. Der BVB scheint sich uneinig zu sein, wie man richtig Fußball
> spielt.
Bild: Nico Schlotterbeck ärgert sich sichtlich im Champions-League-Spiel gegen…
Spätestens am Dienstagabend ist [1][Nico Schlotterbeck] mehr oder weniger
schleichend zum obersten Anführer von Borussia Dortmund avanciert, nicht
nur aufgrund seiner deutlichen Worte, die den Klub nun erschüttern. Auch
sein Umgang mit der Kapitänsbinde machte das deutlich.
In der Champions-League-Partie zuvor gegen Villarreal gab er diese noch an
Emre Can weiter, als der alte Kapitän eingewechselt wurde, am Mittwoch
behielt er die Binde selbst. Und in der Chefrolle trat er nach dem 2:2
gegen den norwegischen Club Bodø/Glimt auch vor die Kameras, um zu sagen,
was Can in ähnlichen Situationen der Vergangenheit eher floskelhaft
umschiffte.
„Extrem fahrig“ habe der Dortmunder gespielt, immer wieder sei der
Spielfluss durch „unfassbar schlechte erste Kontakte“ gestört worden,
erklärte der von großem Zorn erfüllte Verteidiger und ging zum
Frontalangriff auf einige Mitspieler über: „Die Spieler, die reinkommen,
verlieren jeden Ball.“
Gemeint waren damit vor allem die geistig seltsam abwesend wirkenden
Angreifer Serhou Guirassy und Karim Adeyemi, an die auch der nächste
Schlotterbeck-Satz gerichtet sein dürfte: „Ich glaube, manchen war nicht
bewusst, wie wichtig das ist.“ Die Dortmunder werden noch Spiele in
Tottenham und gegen Inter Mailand bestreiten, dass dort zwei Siege
gelingen, ist unwahrscheinlich.
## Kritik an der Spielweise aus den eigenen Reihen
Die beiden gegen Bodø/Glimt verlorenen Zähler bergen damit sehr konkret die
Gefahr, genauso viel wert zu sein wie das Überstehen einer gesamten Runde
samt Hin- und Rückspiel. Beide Tore hatte übrigens Julian Brandt
geschossen, der den Klub am Wochenende zuvor in einen Unruhezustand anderer
Art gestürzt hatte.
Nach dem bemerkenswert stabilen 2:0-Sieg gegen Hoffenheim am Sonntag
zündete er trotz der großen Zufriedenheit seines Trainers mit Leistung und
Ergebnis eine Diskussion über die Spielweise des BVB an. „Es ist, wenn man
ehrlich ist, nicht meine Art und Weise, Fußball zu spielen, wenn man es
sich 90 Minuten lang anguckt. Aber manchmal muss ich es dann auch
akzeptieren“, sagte er und beklagte sich über fehlenden Mut und zu viele
lange Bälle.
Gegen Bodø/Glimt suchte die Mannschaft nun auch aufgrund der eigenen
Favoritenrolle eher nach fußballerischen Lösungen, hatte 63 Prozent
Ballbesitz, spielte 546 Pässe, das Problem: Diese Spielweise beherrscht das
Team nicht so gut. Jobe Bellingham ist zu langsam in seinen Handlungen und
zu unpräzise, Adeyemi zu fahrig, Brandt zu unzuverlässig, und Maxi Beier
unterlaufen zu viele technische Fehler.
Besser funktioniert die Mannschaft [2][seit Kovačs Amtsantritt], in Duellen
wie gegen Hoffenheim, wo sie einen Fußball spielt, der Brandt weniger
gefällt, der aber den wichtigsten Prinzipien des Trainers folgt: Kontrolle,
Sicherheit, Fleiß, Ordnung, Klarheit. Hinter diesem plötzlich wieder
lichterloh brennenden Krisenstoff steckt eine Dortmunder Identitätssuche,
die nun schon seit vielen Jahren läuft.
In der legendären Erfolgsära unter Jürgen Klopp wurde der BVB-Fußball zum
Orientierungspunkt für viele Trainer auf der ganzen Welt, galt als
innovativ und beispielgebend. In all den Bundesligajahren nach Klopps
Rücktritt 2015 unterhielt der Klub dann den hinter Bayern München
zweitteuersten Kader der Bundesliga, woraus Selbstansprüche entstanden.
## Lieber sexy oder erfolgreich?
So ein Verein müsse auch weiterhin einen mutigen, unterhaltsamen und von
einer großen eigenen Gestaltungskraft geprägten Fußball spielen, hieß es,
bis Edin Terzić 2023 Chefcoach wurde und mit seinem
„Nicht-sexy-aber-erfolgreich“-Credo einen Kontrapunkt setzte. Terzić
schaffte zwar nur mit Mühe die Qualifikation für die Champions League,
erreichte aber das Endspiel in der Königsklasse, in dessen Vorfeld der
langjährige Abwehrchef Mats Hummels in einem sehr bewusst platzierten
Interview grundlegende Zweifel an Terzić’ Vorstellungen äußerte, die zwar
noch kritischer, aber doch sehr ähnlich klangen wie Brandts Gedanken.
Während einiger Partien habe er sich in seiner „Ehre gekränkt gefühlt“,
sagte Hummels, „so in diesem Trikot auf dem Platz zu stehen. So
unterwürfig, so fußballerisch unterlegen.“ Terzić musste gehen, der
Nachfolger Nuri Sahin, der eher den Brandt-Hummels-Ansatz präferierte,
verlor ständig und wurde durch Kovač ersetzt. Der Kroate ist insgesamt ja
schon recht erfolgreich mit seinem Stil, der den Terzić-Vorstellungen
ähnelt.
In der Bundesliga hat das Team nur das Spiel beim FC Bayern verloren und
ist ansonsten ungeschlagen. In der Champions League ist ebenfalls noch
vieles möglich, und grundsätzlich sind die inneren Widerstände gegen eine
eher auf Handwerk und Sicherheit ausgerichtete Spielweise schwächer als vor
zwei Jahren.
Dazu passte das Lob, das Hoffenheims Trainer Christian Ilzer vom vorigen
Sonntag gegenüber Kovač aussprach: „Ich habe immer Bewunderung, wenn
Trainerkollegen es schaffen, in qualitativ guten Mannschaften so eine
enorme Bereitschaft im Spiel gegen den Ball und eine Begeisterung für das
Verteidigen zu erzeugen.“ Gegen Bodø/Glimt erlebte die Mannschaft nun einen
Rückfall, womöglich weil es beim BVB auch ein charakterliches Problem gibt:
„Fast arrogant“ habe Dortmund gespielt, sagte Felix Nmecha, und
Sportdirektor Sebastian Kehl monierte „eine gewisse Art von
Überheblichkeit“.
Echter Kovač-Fußball lässt sich mit dieser Haltung nicht spielen.
11 Dec 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Daniel Theweleit
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Hans-Joachim Watzke
Kolumne Press-Schlag
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