| # taz.de -- Deutschlands jüngster Profiboxer: Boxen im Grenzbereich | |
| > Ein Trainingsbesuch bei dem 15-jährigen Arminius Rolle, der von seinem | |
| > Vater betreut wird. Es ist ein Verhältnis der ganz besonderen Art. | |
| Bild: Ästhetischer Stil: Arminius Rolle (l.) bei seinem zweiten Profikampf geg… | |
| Zu Gast beim Training von Deutschlands jüngstem Profiboxer in Berlin erlebt | |
| man nicht nur den 15-jährigen Arminius Rolle bei ausdauerndem und | |
| konzentriertem Boxtraining. Im verspiegelten Trainingsraum im Berliner | |
| Stadtteil Neukölln wird vor allem eine besondere Vater-Sohn-Beziehung | |
| spürbar. Denn Arminiusʼ Trainer ist sein Vater, [1][Robert Rolle, selbst | |
| ehemaliger Europameister] der International Boxing Federation im | |
| Halbschwergewicht. | |
| Sein Sohn wiederum erhielt dieses Jahr eine Sondergenehmigung des Bundes | |
| Deutscher Berufsboxer (BDB) und umgeht damit die Altersbeschränkung für | |
| Profikämpfe. Nun darf er zwei Profikämpfe pro Jahr bestreiten. Am 31. Mai | |
| dieses Jahres gewann er seinen ersten Profiboxkampf in Nürnberg gegen den | |
| sieben Jahren älteren Constantin Albrecht. Gerade ist er in der | |
| Vorbereitung für seinen nächsten Profikampf. Und das heißt, bis zu zehnmal | |
| die Woche Boxen, Sparring, Laufen und Krafttraining. Vor und nach der | |
| Schule, am Wochenende auch. | |
| Los geht die heutige Trainingseinheit mit Seilspringen und Reflexball im | |
| Wechsel. Arminius lässt einen mit einem elastischen Gummiband am Kopf | |
| befestigten kleinen Softball mit schnellen Fäusten umher tanzen. | |
| Leichtfüßig, schnell und ausdauernd wärmt sich der drahtige schwarzhaarige | |
| Junge mit den großen dunklen Augen auf. Er ist zurückhaltend, aber nicht | |
| ängstlich. Robert Rolle, dessen [2][Mutter Eva Rolle] die erste deutsche | |
| Box-Promoterin und seine Managerin war, beobachtet seinen Sohn – mit einem | |
| Auge als Vater, mit dem anderen als Trainer. | |
| Keine einfache Doppelrolle. Ob er sich Gedanken um die Gesundheit seines | |
| Sohnes mache? „Klar, manchmal beobachte ich das schon mit Sorge – vor allem | |
| das Sparring“, sagt er. „Da muss man sich nichts vormachen, [3][fürʼs | |
| Gehirn ist das nicht gut.] Der Vater erklärt: „Eigentlich müsste man | |
| sagen, okay, bis 18 Jahre macht er kein hartes Sparring und keine Kämpfe.“ | |
| Aber, so stellt nun wieder der Trainer Rolle fest: „Ohne Sparring gewinnt | |
| man keine Kämpfe.“ | |
| Hundert Prozent Vertrauen | |
| Die Lösung für das Dilemma wurde die väterliche Kontrolle und Aufsicht. | |
| „Arbeiten, arbeiten, dran bleiben“, ermahnt er seinen Schützling. Dieser | |
| vertraut ihm blind, wie er selbst sagt. „Mein Vater hat da den Überblick | |
| über alles.“ Den Überblick vor allem über ein Business, in dem man keinem | |
| hundert Prozent vertrauen könne, warnt Robert. Er selbst habe viele, | |
| teilweise bis zu zehn Trainer gehabt. Das sei besser so, da man nicht von | |
| einer Person abhängig sei. Bei Familie sei das aber etwas anderes. | |
| Jetzt bandagiert der Vater dem Sohn die Hände und hilft ihm in die | |
| Boxhandschuhe. Padtraining ist angesagt. Der Vater hält und führt. Der Sohn | |
| reagiert mit klaren Geraden und Haken. Er weicht aus, duckt sich und taucht | |
| auf. „Bleib mehr in Bewegung“, wird er ermahnt und motiviert: „Gleich hab… | |
| wir es geschafft.“ | |
| Das Team Rolle macht weiter. Geschwindigkeit und Intensität steigern und | |
| verlangsamen sie wechselseitig gemeinsam. Kein Genörgel und Geschrei. | |
| Vielleicht hätte man beim Training eines jugendlichen Profiboxers mehr | |
| Bootcamp erwartet wie man das von Filmen kennt. | |
| Nach einer Stunde Training erklärt Arminius, er habe Schulterschmerzen. Sie | |
| pausieren. Arminius bewegt die Schulter. Ja, das Sparring am Sonntag sei | |
| streckenweise etwas hart gewesen. Seit dem enormen Medienecho von | |
| „Deutschlands jüngstem Profiboxer“ wollten sich viele Sparringspartner – | |
| darunter erwachsene Männer – am 15-jährigen Talent messen. Und sie hauen | |
| ordentlich zu. „Unglaublich“, findet Robert Rolle und kritisiert: „Denen | |
| geht es um ihr Ego.“ „Ja, das Sparring war etwas hart“, stimmt sein Sohn | |
| zu. „Danach hast du auch ständig nachgefragt: ‚Geht’s dir gut? Alles | |
| okay?‘“, lacht Arminius. Er macht jetzt alternative Übungen, schlägt selb… | |
| welche vor. Sie bestimmen gemeinsam. | |
| Vorfreude auf jedes Interview | |
| Auch bei der Frage, ob Profi- oder Amateurkarriere. „Welche Sau würde es | |
| interessieren, wenn Arminius nach vielen Jahren eine Berliner oder Deutsche | |
| Meisterschaft macht. Hätten wir dann die Presse? Nein, da wäre er nur einer | |
| von vielen.“ In der Tat, bevor die Profilizenz genehmigt wurde, mussten die | |
| Rolles noch den Medien hinterherlaufen. Jetzt ist es umgekehrt. Für | |
| Arminius Rolle ein „schönes motivierendes Gefühl“. Er freue sich auf jedes | |
| Interview. | |
| Aber auch aus einem anderen Grund hat das Vater-Sohn-Team den Profiweg | |
| eingeschlagen. Der ruhige und taktische Stil des Newcomers hätte nicht in | |
| die Kultur des Amateurboxens gepasst. Dort werde oft unkontrolliert und | |
| unsauber draufgeschlagen, es gebe zu wenig professionelle Betreuung. | |
| Tatsächlich wirkt Arminiusʼ Stil ästhetisch und diszipliniert – der Junge | |
| fast nerdig. | |
| Im Übrigen, geben beide zu bedenken, sei der Amateurboxsport in dem Alter | |
| nicht weniger schädlich. Die Jugendlichen reagierten in dreimal zwei | |
| Minuten unablässig aufeinander, um das Maximale rauszuholen. Zudem dürfe | |
| eine unbegrenzte Anzahl an Kämpfen absolviert werden. In Profiboxkämpfen | |
| hingegen baue sich der Wettkampf über die dreifache Zeit langsamer auf und | |
| es gebe eine Höchstkampfanzahl pro Jahr. | |
| Taktisches Gefühl | |
| Im Jahr 2023 und 2024 war Arminius Rolle noch Junioren-Weltmeister [4][im | |
| Schachboxen.] Sein strategisches und taktisches Gefühl hat er ins | |
| Profiboxen mitgenommen. Während Arminius erzählt, holt sein Vater neue | |
| Getränke. Ein Kontrollfreak ist er nicht. Der 15-jährige Gymnasiast | |
| erzählt, „wie jeder Junge“ spiele er in der geringen Freizeit gerne das | |
| Computerspiel Call of Duty. Wegen des hohen Tempos. | |
| Sein Vater ist nicht autoritär und dennoch leistungsbezogen. Von der | |
| Urkundenreform der Bundesjugendspiele hält Trainer Rolle nichts, erzählt er | |
| nach der Trainingseinheit. Das Leistungsprinzip werde immer mehr | |
| abgeschafft, jeder werde gleich und somit auch unrecht behandelt. Leistung | |
| sollte schon einen Wert haben. | |
| „Unsere ganze Familie ist emotional und leidenschaftlich“, sagt Robert | |
| Rolle. „Mach einfach irgendwas, Hauptsache mit Passion“, lautet die | |
| Prämisse. Beim Leistungssport gehe sowieso nichts mit Zwang. Seine Mutter | |
| Eva Rolle habe ihn damals auch zu nichts gezwungen: „Sie hat das so | |
| gemacht, wie ich das wollte.“ | |
| 10 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Clara-Sophia Müller | |
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