| # taz.de -- Ähnlich wie Alzheimer: Boxen macht blöd | |
| > Der Neurologe Hans Förstl hält den Kampfsport für extrem | |
| > gesundheitsschädlich. Veteranen des Boxsports nennen den Mediziner einen | |
| > "Spinner". | |
| Bild: Axel Schulz hängt in den Seilen. Dass Boxen schädlich sein soll, hält … | |
| Axel Schulz ist ehemaliger Profiboxer. Hans Förstl ist Nervenarzt. Die | |
| beiden kennen sich nicht. Fest steht, dass sie einiges zu diskutieren | |
| hätten. Förstl hält das Berufsboxen für gesundheitsschädlich. Es dürfte | |
| einem breiten Publikum nicht als heroisches Spektakel vorgeführt werden. | |
| Axel Schulz fällt zu Medizinern, die vor den Risiken seines Sports warnen, | |
| nur dieses Wort ein: "Schwachsinn." | |
| "Das ist Boxen", sagt er, "jeder weiß, worauf er sich einlässt." Ärzte wie | |
| Förstl nennt Schulz "Spinner, Selbstdarsteller". Für Schulz, 42, war Boxen | |
| sein Hobby, sein Beruf, seine Passion. Seine zwei Schlaganfälle führt er | |
| nicht auf die vielen Kopftreffer zurück, die er im Laufe seiner Karriere | |
| kassiert hat. "Und selbst wenn, das ist doch mein Risiko. Das ist | |
| Profisport, kein Stefan-Raab-Turmspringen", sagt er. | |
| Für Professor Förstl, den Leiter der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie | |
| und Psychotherapie der TU München, "wird beim Boxen das, was den Menschen | |
| ausmacht, in den Hintergrund gedrängt, nämlich die Fähigkeit, Konflikte | |
| unter Verzicht auf Gewalt auszutragen". Und Profiboxer sind für ihn | |
| Menschen, "die verführt wurden, mit hohem Risiko einen Haufen Geld zu | |
| verdienen". | |
| Förstls Übersetzung von K. o. lautet: "ein stumpfes Schädel-Hirn-Trauma mit | |
| der Folge einer passageren Bewusstlosigkeit". Der Mediziner vergleicht | |
| einen sauber platzierten Kopftreffer im Profiboxen mit einem Autounfall, | |
| bei dem der Fahrer sich nicht angeschnallt hat. "Immer wenn es knallt, wenn | |
| das Gehirn erschüttert wird, gehen Mikrostrukturen kaputt, die dann mühsam | |
| wieder repariert werden müssen", sagt er, Kontaktstellen zwischen einzelnen | |
| Nervenzellen zum Beispiel, "synaptische Verbindungen", die jeder Einzelne | |
| sich durch Lebenserfahrung und mühevolles Lernen angeeignet habe. | |
| Förstl hat seine Schlussfolgerungen im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht. | |
| "Gebührend entsetzt" sei er gewesen beim Studium verschiedener Kämpfe am | |
| Fernsehbildschirm, die seiner Ansicht nach ein "primitivstes, römisches | |
| Sensationsbedürfnis" befriedigten. Den Gehirnen der Kämpfer im Ring | |
| geschehe ständig Schlimmes. "Die Natur hat doch alles darangesetzt, dieses | |
| vornehme Organ zu schützen", sagt Förstl. Er kritisiert, dass Boxen im | |
| Fernsehen massiv beworben sowie einem Millionenpublikum zugänglich gemacht | |
| wird und dabei keine medizinische Diskussion über mögliche Komplikationen | |
| und Spätfolgen in Gang komme. Es könnten ja entsprechende | |
| Vorsichtsmaßnahmen erwogen werden, etwa die Einführung eines Kopfschutzes | |
| wie im Amateurboxen oder eine Verkürzung der Rundendauer und Rundenanzahl. | |
| Bei einer Zusammenfassung verschiedener aktueller Arbeiten zu den Folgen | |
| des Boxens kam der Münchner Mediziner zu dem Schluss: Durch die | |
| wiederholten Gehirntraumata eines Boxers im Laufe seiner Karriere erhöht | |
| sich sein Risiko, früher an einer "Boxerdemenz" zu erkranken. Denn bei den | |
| immer wieder nötigen Reparaturvorgängen im Gehirn werden Mechanismen in | |
| Gang gesetzt, die denen bei der Alzheimerkrankheit ähneln. | |
| Torsten und Rüdiger May, ebenfalls ehemalige Profiboxer, äußern sich | |
| weniger drastisch als Axel Schulz, aber ebenso deutlich. "Das ist immer | |
| dieselbe Leier", sagt der ehemalige Olympiasieger Torsten May. "Natürlich | |
| ist Boxen ein gefährlicher Sport." Aber darauf bereiteten sich die Athleten | |
| vor. Zudem sei Boxen nicht nur "bloßes, dummes Draufschlagen", sondern oft | |
| genug gewinne nicht der gröbere, sondern der technisch und taktisch bessere | |
| Kämpfer. | |
| Rüdiger May hält die Warnungen der Ärzte für "akademisches Gewäsch". Es | |
| gebe genügend Boxer, die auch im Alter noch fit sind. Zudem sollten seiner | |
| Ansicht nach Spätfolgen im Zusammenhang mit der Lebensweise des jeweiligen | |
| Boxers gesehen werden. "Haben die gesoffen, gehurt und gekokst? Das muss | |
| berücksichtigt werden", sagt May. | |
| Der Arzt argumentiert gegen das Wesen des Profiboxens, gegen Eigenschaften, | |
| die Boxer stolz als "Nehmerqualitäten" bezeichnen, aber im Sinne seines | |
| medizinischen Wissens: "Ein junges Gehirn ist noch flexibel genug, um | |
| Defizite, die ihm zugefügt werden, zeitweise zu kompensieren", sagt Förstl. | |
| "Aber im hohen Alter machen sich der frühere Verlust von geistigen Reserven | |
| häufiger und früher bemerkbar - als Demenz." | |
| 8 Dec 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Rohlfing | |
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