| # taz.de -- Die Kunst der Woche: Malerei, die für sich spricht | |
| > Bei Meyer Riegger verwandelt Miriam Cahn Leinwände in Textkörper. Bei Max | |
| > Hetzler erweitert Janaina Tschäpe ihre Bilder mit poetischen Titeln. | |
| Bild: Miriam Cahn „Traumbefehl“ 2025, 174 Elemente, Installationsansicht be… | |
| Wie ein Buch präsentiert sich die aktuelle Ausstellung von Miriam Cahn in | |
| der Galerie Meyer Riegger. Es ist ein Buch mit 174 Seiten, denn so viele | |
| Bilder hat Cahn dort arrangiert. Sie gehören zusammen, bilden eine Abfolge, | |
| bauen aufeinander auf, nehmen Bezug oder Fäden wieder auf, imitieren sich, | |
| ironisieren sich, äffen sich nach. „Bitte im Raum links starten“, sagt der | |
| Galeriemitarbeiter bei der Begrüßung, denn dort geht es los, Bild hängt | |
| neben Bild, von Wand zu Wand verläuft der vorgegebene Weg, von Raum zu | |
| Raum, vom Erdgeschoss in den ersten Stock und wieder nach unten, dort dann | |
| in den Raum rechts neben der Tür. | |
| Und dabei geht es um die großen Fragen des Menschseins, des | |
| In-der-Welt-Seins mit all seinen Höhen und seinen Tiefen. Ums Leben, ums | |
| Altern, ums Sterben, ums Sprechen und Schweigen, ums Wollen und Müssen, ums | |
| nicht Wollen und nicht Müssen, ums Fühlen und Denken, ums Schlafen und | |
| Träumen – „Traumbefehl“ heißt die Ausstellung schließlich. Und es geht… | |
| die Abgründe des menschlichen Daseins: ums Töten, Morden, Jagen und | |
| Vergewaltigen. | |
| Schonungslos und radikal hat sich [1][Miriam Cahn] schon immer mit der Welt | |
| beschäftigt, die uns umgibt. Geburten hat sie darstellt, völlig ungeschönt, | |
| oder versucht, das Grauen, das Traumatische von sexueller Gewalt, Kriegen | |
| oder Fluchten abzubilden. Nur hat sie das bislang figurativ getan. | |
| Solche Bilder gibt es auch noch, es überwiegen aber solche, wie man sie | |
| nicht von ihr kennt. Statt Körpern hat sie vor allem Text auf Holz, | |
| Leinwand, Papier gepinselt oder geschrieben. Sogar abstrakte Arbeiten | |
| hängen dazwischen. Eine Rothko-Imitation, Streifenbilder à la Richter. Für | |
| ein wenig Kritik am Kunstbetrieb ist eben auch immer Platz. | |
| ## Das Flirren der Wasseroberfläche | |
| Eine andere Größe der Kunstgeschichte kommt einem in den Sinn, wenn man an | |
| den riesigen Leinwänden von Janaina Tschäpe bei Max Hetzler an der | |
| Potsdamer Straße entlanggeht. Sind es die Farben, die an [2][Claude Monets] | |
| Seerosen erinnern? Ist es das Fließende, das Flirrende ihrer Motive? Die | |
| pure Größe ihrer Bilder? | |
| Oder ist es der Effekt, den man beim Betrachten erlebt, wenn man nah | |
| herangeht an ihre Arbeiten und sich dann Schritt für Schritt von ihnen | |
| entfernt? In der Distanz erst, lassen sie sich erfassen, wenn sich das, was | |
| Tschäpe mit Ölfarbe und Ölkreiden auf die Leinwand gebracht hat, in | |
| Bewegung zu setzen scheint. So, wie es ja auch bei den Gemälden des | |
| Impressionismus der Fall ist. | |
| Die Bilder der deutsch-brasilianischen in New York lebenden Malerin | |
| evozieren Stimmungen, Ahnungen von Landschaften, deuten an, entwickeln | |
| einen Sog. | |
| Stoff für die Interpretation liefern dabei auch die Titel der Arbeiten, in | |
| denen Tschäpe Lyrik zitiert und remixt, Portugiesisch, Englisch und Deutsch | |
| kombiniert, weil eine Sprache oft nicht ausreicht. Manchmal, je länger man | |
| schaut, scheint man dann sogar Buchstaben auf den Bildern zu erkennen. | |
| 9 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Werkschau-der-provokativen-Miriam-Cahn/!6056458 | |
| [2] /Kunstausstellung-Monet--Mitchell/!5909647 | |
| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
| ## TAGS | |
| Berliner Galerien | |
| Malerei | |
| Zeitgenössische Malerei | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA |