| # taz.de -- Co-Autorin der Mitte-Studie über die AfD: „Wir sollten aufhören… | |
| > Die Mitte-Studie zeigt eine zunehmende Normalisierung der AfD. Dagegen | |
| > hilft nur klare Abgrenzung, sagt die Co-Autorin der Studie. | |
| Bild: Die Mitte-Sudie hat gezeigt: Wir sind mehr. Sie hat aber auch gezeigt, da… | |
| taz: Frau Küpper, [1][die Ergebnisse Ihrer Studie] waren überraschend: Über | |
| 76 Prozent der Menschen lehnen extrem rechte Einstellungen ab. Gleichzeitig | |
| hat die AfD so hohe Umfrageergebnisse wie noch nie. Wie passt das zusammen? | |
| Beate Küpper: [2][Wir hatten 2024 die größten Demonstrationen gegen | |
| Rechtsextremismus, die es jemals in der Bundesrepublik gab.] Gleichzeitig | |
| wird in den letzten Jahren eine deutliche Normalisierung der AfD deutlich. | |
| Inzwischen meinen 30 Prozent der Befragten, die AfD sei „eine Partei wie | |
| alle anderen auch“. Wenn die Wahrnehmung der Stigmatisierung der AfD | |
| abnimmt, fällt es noch leichter, diese Partei zu wählen. | |
| taz: Was muss sich ändern? | |
| Küpper: Erst mal sollten wir aufhören, die Diskurse der AfD aufzugreifen. | |
| Zu denken, man kriegt Wähler der AfD wieder, indem man hinter ihnen | |
| herläuft, halte ich für einen großen Irrtum. [3][Das sehen wir beim Diskurs | |
| um Remigration] – ein Begriff, der vor zwei Jahren noch als „Deportatio… | |
| verstanden wurde, wird jetzt hingenommen und normalisiert. Aus unserer | |
| Geschichte haben wir doch gelernt, wie schnell so etwas gehen kann. 1933 | |
| konnten sich die Leute auch nicht vorstellen, dass sie 1938 zusehen, wie | |
| ihre Nachbarn aus ihren Wohnungen deportiert werden und sie sich | |
| anschließend deren schönes Kaffeeservice unter den Nagel reißen. Das geht | |
| ruckzuck. Bestimmte Dinge sollten wir einfach sein lassen: hinterherlaufen, | |
| Diskurse aufnehmen, die vorgegeben werden. | |
| taz: Was sollten wir stattdessen tun? | |
| Küpper: Es ist wichtig, klar zu sein. Wir haben viele Menschen, die sich | |
| für die Demokratie engagieren, die demonstrieren, sich zur Wahl aufstellen | |
| lassen. Diese Menschen stehen, um es mal so militaristisch zu sagen, in der | |
| vordersten Front gegen den Rechtsextremismus. Sie sind die ersten, die | |
| angegriffen werden. [4][Das Neutralitätsgebot wird dabei oft als | |
| politisches Instrument genutzt.] Wir müssen darüber aufklären, was | |
| „politisch neutral“ bedeutet. | |
| taz: Und zwar? | |
| Küpper: „Politisch neutral“ bedeutet, keine Werbung für eine Partei zu | |
| machen. „Politisch neutral“ bedeutet nicht neutral gegenüber der | |
| Demokratie! Als Beamtin habe ich einen Eid auf das Grundgesetz geleistet. | |
| Es ist meine Pflicht, das Grundgesetz zu verteidigen, und zwar in seiner | |
| liberalen Auslegung des Grundgesetzes, in der Würde und Gleichwertigkeit | |
| aller ganz zuvorderst stehen. Darüber aufzuklären, würde viel Sicherheit | |
| schaffen für Lehrkräfte, auch für Verwaltungsangestellte, die etwa | |
| entscheiden: Welches Projekt fördere ich, welches nicht? Es ist ein Irrtum, | |
| zu glauben, eine Partei sei demokratisch, nur weil man sie wählen kann. Die | |
| NSDAP konnte man auch wählen, sie wurde auch gewählt. Sie war trotzdem | |
| nicht demokratisch. Das heißt also erst mal gar nichts. Die AfD macht immer | |
| wieder deutlich, [5][dass sie die Demokratie verachtet.] | |
| taz: [6][Sollte die AfD also verboten werden?] | |
| Küpper: Juristisch kann ich das nicht einschätzen. Damals hieß es, die NPD | |
| sei zu klein, um verboten zu werden. Und jetzt heißt es, die AfD sei zu | |
| groß, um verboten zu werden. Was bedeutet es denn, aus der Geschichte zu | |
| lernen? Wenn wir uns die Zahlen der NSDAP angucken, die 1928 noch bei 2,6 | |
| Prozent lag und dann wenige Jahre später bei den letzten freien | |
| Reichstagswahlen der Weimarer Republik bei 33 Prozent Zustimmung, die | |
| reichten den Nazis, um an die Macht zu gelangen: Wo ist denn dann der | |
| richtige Zeitpunkt eines Verbots? | |
| taz: Was würde ein Verbot denn bringen? | |
| Küpper: Sozial hätte ein Verbot einen großen Effekt. Wir wissen, dass in | |
| Regionen, wo die AfD besonders erfolgreich ist, auch entsprechend viele | |
| Menschen sagen: Die AfD ist eine Partei wie alle anderen auch. Die wählen | |
| meine Nachbarn und meine Freunde, dann mache ich das auch mal. Mit einem | |
| Verbot könnten wir ein klares Signal setzen. Gleichzeitig bin ich | |
| zwiegespalten. [7][Wenn das Verbotsverfahren nicht erfolgreich ist, wäre | |
| das für viele die Bestätigung]: Die AfD ist nicht verboten, also offenbar | |
| doch eine demokratische Partei, dann kann man sie ja erst recht wählen. | |
| 9 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Amanda Böhm | |
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