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# taz.de -- Neue Serie „Pluribus“ bei Apple TV: Schwarm-Intelligenz statt I…
> In Vince Gilligans neuer Serie sorgt ein Virus dafür, dass alle Menschen
> ein gemeinsames Bewusstsein entwickeln. Es ist eine herausragende
> Horror-Satire.
Bild: Die Schriftstellerin Carol Sturka gespielt von Rhea Seehorn in Pluribus
Jetzt ist jede Individualität ausgelöscht: Ein aus dem Weltraum empfangenes
Signal hat alle Menschen zu einem Kollektiv mit einem zusammenhängenden
Bewusstsein gemacht – zumindest in der außergewöhnlichen
Science-Fiction-Serie „Pluribus – das Glück ist ansteckend“ auf Apple TV.
Für die zeichnet kein Geringerer als [1][„Breaking Bad“]-Macher Vince
Gilligan verantwortlich.
Während jetzt alle gemeinsam denken, hat aber aus einem unerfindlichen
Grund eine ihr individuelles Bewusstsein behalten: die aus Albuquerque
stammende Schriftstellerin Carol Sturka ([2][Rhea Seehorn]). Die Menschen
sind superfreundlich, fragen ständig, ob sie etwas für Carol etwas tun
können, und trotzdem fühlt sie sich wie in einem schlechten Horrorfilm,
wenn Wildfremde sie auf der Straße plötzlich im Chor mit ihrem Namen
begrüßen.
Das globale Bewusstsein funktioniert als Organismus mit maximaler
Effizienz, bei der alle einzelnen Aktionen perfekt aufeinander abgestimmt
sind. Jeder kann plötzlich ein Flugzeug fliegen oder eine komplizierte OP
durchführen. Sonst scheint die Welt eher stillzustehen. Das neue
Menschenkollektiv führt weder Kriege, noch geht es arbeiten oder sich
amüsieren. Alles ist auf die effiziente Reproduktion der eigenen Spezies
ausgelegt.
Die Geschichte von Menschen, die durch eine Alien-Invasion oder ein Virus
verändert werden oder wie ausgetauscht wirken, ist fester Stehsatz der
Science-Fiction und eine im Genre beliebte, immer wiederkehrende
Horror-Erzählung. Schon 1956 wurde das in Don Siegels Film „Die
Dämonischen“ durchexerziert, der ebenso wie „Die Körperfresser kommen“ …
1978 und das Remake von 1993 auf Jack Finneys Roman „The Body Snatchers“
basiert. In den 50ern diente das als ideologische Kalte-Kriegs-Erzählung,
die veränderten Menschen waren dem Kommunismus verfallen. In den späten
70ern und den 90ern warnten die seltsam veränderten Menschen vor
Autoritarismus und entgrenztem Kapitalismus. Eine so simple Lesart bietet
sich für Vince Gilligans Serie „Pluribus“ aber erst einmal nicht an.
Der Neunteiler beginnt zwar in den ersten Episoden spannungsgeladen als
unter die Haut gehendes Horror-Opus, wird dann aber zur wundervoll
satirischen Komödie. Um sich mit Carol gut zu verstehen, nähert sich ihr
das Kollektiv in Person von Zosia (Karolina Wydra), die wie die weibliche
Version einer schnulzigen Piratenfigur aus Carols Fantasy-Romanen wirkt und
zu der sich die queere Autorin sexuell hingezogen fühlt.
Gleichzeitig nimmt Carol zu einer Handvoll anderen Menschen Kontakt auf,
die ebenfalls noch ihr individuelles Bewusstsein haben. Nur sind einige von
ihnen, vor allem jene aus dem Globalen Süden, die nicht mehr unter Krieg,
Verfolgung und Hunger leiden, dem neuen Status quo gar nicht abgeneigt. Ist
das Kollektiv doch eine Chance? Vince Gilligan lässt genug Raum für solche
Fragen und um Carols privilegierten weißen Mittelschichts-Blickwinkel auf
den Prüfstand zu stellen.
Klar ist aber: Eine emanzipatorische Utopie ist das nicht, denn die bedarf
immer eines individuellen Bewusstseins. Ist das Kollektiv, abgeleitet vom
amerikanischen Wahlspruch „E pluribus unum“, dann vielleicht doch eine
Allegorie auf den Faschismus, mit dem sich der Kulturbetrieb gerade
intensiv beschäftigt, wie etwa im Kinofilm „The Change“, im neuen Opus von
Thomas Pynchon oder in Jürgen Pettingers aberwitzigem Roman „Autochthon“?
Wohin uns Vince Gilligan in seiner Serie nimmt, ist schwer abzusehen.
„Pluribus“ ist auf zwei Staffeln angelegt und schon in den ersten Episoden
jagt eine überraschende Wendung die nächste.
7 Nov 2025
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## AUTOREN
Florian Schmid
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