| # taz.de -- Ethel Smyth: Als Feminismus eine Melodie bekam | |
| > Ethel Smyth komponierte die Hymne der britischen Frauen im Kampf ums | |
| > Wahlrecht. Doch sie griff auch zu radikaleren Mitteln. | |
| Bild: Um gegen den Willen der Eltern studieren zu können, trat Ethel Smyth in … | |
| „Shout, shout, up with your song!“ schallte es 1912 durch den Hof des | |
| Londoner Gefängnisses Holloway – „Ruft, ruft, lauter euer Lied!“. Unten | |
| marschierte eine Gruppe Frauen, während die Komponistin Ethel Smyth von | |
| oben, aus dem Fenster ihrer Zelle, mit einer Zahnbürste den 4/4-Takt | |
| klopfte. So beobachtete es ein Bekannter von Ethel Smyth, als [1][er sie im | |
| Gefängnis besuchte]. | |
| Smyth und andere Frauenrechtlerinnen saßen dort wegen ihres radikalen | |
| Aktivismus für ein Frauenwahlrecht in England ein. Sie waren Mitglieder der | |
| Women’s Social and Political Union, besser bekannt als: [2][Suffragetten]. | |
| Bald wurde „The March of the Women“, das Lied, das Ethel Smyth 1910 | |
| komponierte und im Gefängnis dirigierte, zur Hymne der Bewegung. Das Lied | |
| mit seiner antreibenden Melodie und Zeilen wie „Du kannst nicht gewinnen, | |
| außer mit Vertrauen und Wagemut“ verbreitete sich weit über England hinaus. | |
| Ethel Smyth wurde 1858 in eine wohlhabende Familie geboren und erkämpfte | |
| sich schnell, was sie wollte. Sie trat in einen Hungerstreik, um sich gegen | |
| ihre Eltern durchzusetzen und Komposition studieren zu können – mit Erfolg. | |
| Sie durfte nach Leipzig ans Konservatorium. | |
| Im Laufe der Jahre lernte sie Komponist:innen wie Clara Schumann, Pjotr | |
| Iljitsch Tschaikowski und Johannes Brahms kennen. Letzterer lobte sie | |
| einmal aus Versehen für ihre Arbeit – bis er erkannte, dass eine Frau sie | |
| geschrieben hatte. Auch Musikkritiker bezeichneten sie als „unfemin“ und | |
| sprachen ihr ihre Fähigkeiten ab. Gegen die Diskriminierung schrieb sie an | |
| – in Musikkritiken und ihrer Autobiografie. | |
| Lange hatte Smyth dennoch beteuert, sie interessiere sich nicht für die | |
| feministischen Aktionen der Suffragetten, die zu dieser Zeit mit der | |
| Kampagne „Votes for Women“ protestierte. Dann besuchte sie ein Treffen der | |
| Organisation und war, so schreibt sie es in ihrer Autobiografie, | |
| beeindruckt von der Rede der Anführerin Emmeline Pankhurst und deren | |
| „Vision von Freiheit“. Sie wurde Teil der Bewegung. | |
| Die Aktivistinnen bedienten sich mehr und mehr auch radikalen Methoden. | |
| Während eines Protests schmiss Smyth Ladenfenster mit Steinen ein und | |
| landete dafür zum ersten Mal im Gefängnis. Nach einer zweiten Inhaftierung | |
| verließ sie 1912, erst zwei Jahre nach ihrem Eintritt, die Suffragetten, um | |
| sich wieder ganz der Komposition zu widmen. | |
| Trotzdem setzte sie sich in Musik und Schriften weiterhin mit dem | |
| feministischen Kampf auseinander. In ihrem Stück „Hey Nonny No“ | |
| unterbrechen sich Melodielinien von Männer- und Frauenstimmen. Der erste | |
| Vers lautet: „Men are fools that wish to die!“ – „Männer sind Narren, … | |
| sterben wollen!“. | |
| Smyths kompositorische Arbeit wurde zunehmend erschwert durch ihren | |
| Hörverlust, der sie bis Mitte der 1930er Jahre nahezu gehörlos werden ließ. | |
| [3][Da hatten Aktivistinnen, die in den Straßen zu ihrer Hymne | |
| marschierten], schon ihren größten Erfolg erzieht: Sie brachten England | |
| dazu, 1928 endlich das volle Wahlrecht für Frauen zu beschließen. | |
| 27 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://archive.org/details/mingledchime027102mbp/page/138/mode/2up | |
| [2] /Feministisches-Brettspiel-/!6098036 | |
| [3] /Forscherin-ueber-Suffragetten/!5160019 | |
| ## AUTOREN | |
| Chiara Bachels | |
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