| # taz.de -- G20-Gipfel in Südafrika: Den Störfaktor ausschalten | |
| > Ein Bündnis der Staaten, die für mehr globale Gerechtigkeit eintreten, | |
| > scheint sinnvoller als ein Gipfel der G20. Die großen Player stören nur. | |
| Bild: Ein Polizeiaufgebot hält die Demonstration gegen den G20-Gipfel in Johan… | |
| Südafrikas Präsident Ramaphosa hatte sich für den G20-Gipfel mehr | |
| Solidarität, mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit auf die Fahnen | |
| geschrieben. Außerdem versprach er, die letztes Jahr gestartete | |
| „[1][Globale Allianz gegen Hunger und Armut]“ weiter voranzubringen. Es ist | |
| dringlicher denn je, denn der Hunger in der Welt nimmt wieder zu. | |
| Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten | |
| Nationen (FAO) leiden weltweit [2][673 Millionen Menschen] chronisch an | |
| Hunger. In den Ländern Afrikas südlich der Sahara ist jeder fünfte Mensch | |
| von Nahrungsmittelknappheit betroffen. Ganz besonders dramatisch ist die | |
| Lage im [3][Sudan], wo 25 Millionen Menschen von akutem Hunger betroffen | |
| sind. Das ist eine schreckliche und nicht aushaltbare Situation, die | |
| international noch immer zu wenig Beachtung findet. | |
| Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Der G20-Gipfel bot eine reelle Chance | |
| dafür, schnell notwendige Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um den Hunger | |
| auf der Welt zu beseitigen, auch, oder gerade weil große Player wie die USA | |
| und Russland nicht daran teilnahmen. Das Machtvakuum, das durch die | |
| Abwesenheit solch starker, autokratischer Länder entstand, hätte auch eine | |
| Möglichkeit sein können, um Dinge voranzubringen, die bislang ausgebremst | |
| oder blockiert wurden. Bedauerlich, dass das nicht der Fall war. | |
| Was es braucht, sind Konzepte für eine Agrarökologie: weg von maximaler | |
| landwirtschaftlicher Produktionssteigerung und Exportgewinn und hin zu | |
| klimaresilienten, ökologisch nachhaltigen und gerechten Ernährungssystemen. | |
| Der Mensch, nicht der Profit, sollte im Mittelpunkt stehen. | |
| Exportorientierte Länder haben solche Ansätze stets verhindert. | |
| ## Konzerne vertreiben lokale Bauern | |
| Dabei wird die Agrarökologie – nachhaltige und gerechte Ernährungssysteme �… | |
| mittlerweile international und von vielen renommierten Wissenschaftlerinnen | |
| und Wissenschaftlern als wirksame Antwort auf Klimawandel und soziale | |
| Ungleichheiten anerkannt. Das gilt besonders für afrikanische Länder, wo | |
| ausländische Investoren, Agrar- und Lebensmittelkonzerne die Kontrolle über | |
| riesige landwirtschaftliche Nutzflächen für sich beanspruchen und damit | |
| lokalen Landwirten Möglichkeiten zur Lebensmittelproduktion rauben. | |
| Es sind gerade die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die global gesehen mit | |
| 80 Prozent den größten Anteil der weltweit verfügbaren Nahrungsmittel | |
| produzieren; nicht die industrielle Agrarwirtschaft. Hier zu investieren, | |
| würde sich bei weiten mehr lohnen als Investitionen in die Produktion von | |
| für den Export bestimmte sogenannte [4][Cash Crops]. Nachhaltige und | |
| gerechte Ernährungssysteme hatte sich schon der G20-Gipfel im vergangenen | |
| Jahr als „unterstützenswerte Option“ vorgenommen. | |
| In der Praxis geht es allerdings in erster Linie weiter darum, industrielle | |
| Landwirtschaft zu fördern und Märkte vor allem auch in Afrika fit für den | |
| Export zu machen. Von Agrarökologie fehlt bisher jede Spur. Hinzu kommt, | |
| dass auch Russland Mitglied der „Globalen Allianz gegen Hunger und Armut“ | |
| ist, jedoch – und das ist nicht weiter verwunderlich – dabei seine ganz | |
| eignen Interessen und Ziele verfolgt. | |
| Die Chance des Gipfels in Südafrika wurde klar vertan! Es fehlt weiter an | |
| langfristig wirksamen Maßnahmen und am politischen Willen für schnelle, | |
| unmittelbare Hilfe bei Hungerkrisen. Zwar gibt es auch unter der | |
| Präsidentschaft von Ramaphosa ein Bekenntnis der G20 zur Fortführung der | |
| Allianz. Aber das bloße Zusammentragen der Praktiken zur Hungerbekämpfung, | |
| wie sie in den [5][Policy Baskets] festgehalten werden, reicht eben nicht. | |
| ## Die Not wird schlimmer | |
| Es braucht auch eine entsprechende Finanzierung, damit Länder insbesondere | |
| im globalen Süden ihre nationalen Ernährungspläne auch umsetzen können. Den | |
| Kleinbäuerinnen und Kleinbauern muss geholfen werden, auch um ihnen den | |
| Zugang zu lokalen und auch internationalen Märkten zu erleichtern. In die | |
| Entscheidungsgremien der Allianz gegen Hunger und Armut sind sie jedoch | |
| noch nicht einmal eingebunden. So wird die Allianz kaum wirklich | |
| erfolgreich sein können. | |
| Der Ausbau von Nahrungsmittelspeichern und von Instrumenten zur | |
| Preisstabilisierung hätte für die G20 Thema sein müssen, wie auch ein | |
| stärkeres Vorgehen gegen Nahrungsmittelspekulation. Vor allem aber fehlen | |
| Beschlüsse für Sofortmaßnahmen gegen die Hungerkrisen. Das Leid von | |
| Millionen Menschen, spitzt sich aktuell dramatisch zu, weil die | |
| Mitgliedstaaten – allen voran die USA – ihre Hilfsgelder drastisch gesenkt | |
| haben. | |
| Allein die Beiträge für das [6][UN-Welternährungsprogramm], das | |
| Nahrungsmittelhilfe in akuten Notsituationen zur Verfügung stellt, wurde im | |
| Vergleich zum Vorjahr um 46 Prozent gekürzt, was für zigtausende Menschen | |
| einem Todesurteil gleich kommt. Die G20 vereinen mehr als 85 Prozent der | |
| weltweiten Wirtschaftsleistung und repräsentieren knapp 80 Prozent der | |
| Weltbevölkerung. Sie hätten die Möglichkeiten und die wirtschaftliche Kraft | |
| für eine sofortige Aufstockung der Hilfsmittel. | |
| Die informelle Gruppe der G20-Staaten war bislang eigentlich eines der | |
| wenigen Foren, in denen sich Regierungsvertreter und -vertreterinnen von | |
| Ländern mit Interessenskonflikten noch persönlich begegnet sind. Nun sehen | |
| wir einen zunehmenden Zerfall der G20, viele Staats- und Regierungschefs | |
| sind gar nicht erst zum Gipfel in Südafrika angereist. | |
| Angesichts dieses Auseinanderbrechens von multilateralen Foren wie dem G20 | |
| sollten Mitgliedstaaten, die sich nach wie vor für die Beseitigung von | |
| globalen Ungleichheiten und einem Ende von Hunger und Armut einsetzen | |
| wollen, enger zusammenschließen und eigene Bündnisse formieren. So können | |
| konkrete Schritte vereinbart und tatsächlich auch vorangebracht werden, | |
| ohne Störfeuer von außen. Der Rat ist also: Bildet Banden! | |
| 23 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://globalallianceagainsthungerandpoverty.org/ | |
| [2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/la… | |
| [3] /Schwerpunkt-Krieg-in-Sudan/!t5930698 | |
| [4] https://www.agrarraum.info/lexikon/cash_crop | |
| [5] https://globalallianceagainsthungerandpoverty.org/policy-basket-rationale-p… | |
| [6] https://de.wfp.org/unterst%C3%BCtze-uns/geschichten/un-wfp?utm_source=googl… | |
| ## AUTOREN | |
| Fiona Uellendahl | |
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