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# taz.de -- Die Wahrheit: Tanten, die trinken und tanzen
> Sie war Grafikerin und Malerin, eine große Irlandfreundin und die
> Schwägerin eines bekannten Liedermachers. Nachruf auf Gertrude
> Degenhardt.
In der kleinen Küche in dem strohgedeckten Cottage in Connemara im Westen
Irlands war der Tisch immer üppig gedeckt und das Weinregal gut gefüllt.
Gertrude und Martin Degenhardt legten Wert auf gutes Essen und edle
Getränke, und sie teilten gern mit Freunden. Großzügigkeit war für beide
selbstverständlich.
Die Musik war es, die Martin und Gertrude nach Irland geführt hatte. 1974
hatten sie die Fureys kennengelernt, eine Familie von musizierenden
Fahrenden, mit denen sie durch Irland reisten. Dabei entstand die Idee, ein
Buch mit Zeichnungen und Radierungen irischer Motive zu machen. Fortan
kehrten beide regelmäßig nach Irland zurück, schließlich kauften sie das
Cottage in Connemara.
Dort arbeitete Trude vier Monate im Jahr, und dort entstanden viele von
ihren Bildern, in denen sowohl skurrile Gestalten aus der Liedermacherszene
ihres Schwagers Franz Josef Degenhardt als auch die Lieder der
Straßenmusikanten in Irland und die Geschichten der Stammgäste im Pub
sichtbar wurden. Immer wieder schmuggelte sie Martin mit seiner Mütze, dem
grauen, zotteligen Bart und den blauen Latzhosen in die Bilder ein.
Gertrude Degenhardt wurde 1940 in New York geboren, wuchs in Berlin auf und
arbeitete seit 1966 als Grafikerin und Malerin in Mainz. Doch die Iren
reklamierten sie für sich, ihre Bilder und Postkarten hängen in zahlreichen
Pubs und Hotels, und der Galerist Tom Kenny, der in Galway eine
wunderschöne Kunstgalerie betreibt, hat immer wieder Ausstellungen mit
ihren Bildern organisiert.
Ihre Arbeiten hatten stets auch eine gesellschaftliche Dimension – ob
Kaltnadel, Gouache, Pinselzeichnung oder Farbradierung. Offensichtlich ist
das bei der Lithografien-Folge „Die Fratze spielt auf“, die 1992 unter dem
Eindruck von Fremdenhass und Gewalt in Deutschland entstanden und heute
genauso aktuell ist, wie sie damals war. Deutlich auch bei den „Tanten, die
trinken und tanzen“, die sich die von Männern dominierte Musikwelt
zurückerobern. Aber auch die scheinbar unpolitischen Bilder der kargen
Connemara-Landschaft sind eine Illustration der englischen Kolonialpolitik,
unter der Irland jahrhundertelang gelitten und die das Land entvölkert hat.
Martin mit dem sie 40 Jahre lang alles gemeinsam getan hatte, ist 2002 im
Cottage in Connemara einem Herzinfarkt erlegen. Trude brauchte danach eine
ganze Weile, bis sie wieder nach Irland kommen konnte, begleitet von ihrer
Tochter Annette, der Gitarristin und Komponistin. Dann starb Annette vor
drei Jahren, und von diesem Schicksalsschlag hat sich Trude nie mehr
erholt.
Dennoch wollte sie im Frühjahr zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder
nach Irland kommen – zur Eröffnung ihrer Ausstellung in Kennys Galerie. Nun
wird es eine Retrospektive: Vorigen Mittwoch ist Gertrude gestorben. Wir
trauern um unsere Freundin.
17 Nov 2025
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
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