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# taz.de -- Verkehrsberuhigung in Nürnberg Gostenhof: Das neue Barcelona?
> Dank Superblocks soll Nürnberg lebenswerter werden. Die Eingriffe in den
> Verkehr sind verhältnismäßig seicht – und trotzdem nicht ohne Gegenwind.
Bild: Alles soll ruhiger werden: Nürnberg versucht es mit Superblocks
Weiße und rosa Schlangenlinien ziehen sich seit August durch die Nürnberger
Austraße, die am südlichen Rand von Gostenhof nahe den Bahngleisen liegt.
Hölzerne Bänke, teils mit Lehne, Podeste, ein gutes Dutzend Hochbeete, zwei
Tischtennisplatten und ein weiß-blaues Boot parken auf dem angepinselten
Asphalt. Dort, wo bis vor Kurzem Autos standen, ist eine von vier neuen
Fußgängerzonen im Multikulti-Stadtteil entstanden. Sie sollen vor allem für
mehr Aufenthalts- und Lebensqualität sorgen.
[1][Superblocks] heißt das Projekt, das um 2017 in Barcelona erfunden
wurde, um kostengünstig autofreie Inseln in Wohnvierteln zu schaffen, in
denen Kinder sicher spielen und Größere sich ungezwungen treffen können.
Nur Taxis und Rettungsfahrzeuge dürfen die Sperrketten öffnen. Das
Erfolgsmodell hat weltweit Aufsehen erregt, auch in vielen deutschen
Städten haben sich Initiativen gebildet, die solche Attraktionen
realisieren wollen.
Während in Leipzig 2023 bereits der erste Modellversuch lief und als
geglückt gilt, seit ihn über zwei Drittel bei einer Umfrage für gut
bewerteten, sucht man zwischen Hamburg, Wuppertal und München oft noch nach
passenden Standorten. In Nürnberg trug die Initiative Nürnberg autofrei!
das Anliegen im Herbst 2024 ins Rathaus und stieß beim Verkehrsplanungsamt
auf offene Ohren. Grüne, SPD, ÖDP plus CSU segneten den Pilotversuch im
März 2025 für vier Superblock-Testfelder in Gostenhof ab: dem Stadtteil, in
dem von 1980 bis 1997 die ökologische Stadtteilerneuerung die erste
Verkehrsberuhigung mit sich gebracht hatte, wo aber weiterhin massenhaft
Autos im öffentlichen Raum stehen.
Auch weil die Regierung von Mittelfranken 250.000 Euro beisteuert und die
Stadt nur 50.000 Euro übernehmen muss, stimmte letztlich auch die CSU mit
Ja. So konnten im August mit zwei Monaten Verspätung die ehrenamtlichen
Teams der Superblock-Gruppe loslegen, die auch alle vier Bereiche betreut
und zum Beispiel Müll sammelt. Am 19. September fand mit viel Hallo das
Eröffnungsfest statt.
## Junge Familien sind dafür
Gerade in der Austraße, wo mehrere Kinder- und Jugendeinrichtungen
angrenzen und viele junge Familien wohnen, dominieren die positiven
Stimmen. Während die Kleinen die Schlangenlinienmuster mit bunter Kreide
anreichern, spielen Mamas und Papas Pingpong. Nicht alle wissen, dass der
aufgepeppte Straßenast nun Superblock heißt, die Anwesenden finden aber
„cool“, dass es so was gibt.
Ein paar Ecken weiter sind in der Denisstraße gleich zwei solcher Bereiche
und in der Volprechtstraße ist einer umgestaltet worden. Auffällig ist,
dass hier keine Sperrpfosten montiert sind, weshalb jede Menge
Autofahrer*innen die Fußgängerzone ignorieren, sichtlich genervt über
die Verkehrsveränderungen im Viertel. Bei der Superblock-Gostenhof-Gruppe
räumt Anwohnerin Johanna ein, dass man den Durchgangsverkehr im Wohnviertel
unterschätzt habe. Sie hofft auf die „Anpassungsphase“, die anderswo vier
bis fünf Monate bis zum Einlenken der Autofraktion geführt habe.
Bei der Stadtverwaltung gilt die Beschwerdelage bislang als „überschaubar“.
Bis zum nächsten Sommer soll es eine externe Evaluation geben, danach muss
der Stadtrat entscheiden, ob die Superblocks bleiben und stadtweit sogar
Schule machen, wie es sich [2][die Autofrei!-Initiative] wünscht.
## Gegenwind von den Alten
Vor Ort gehen die Ansichten auseinander. Vor allem von alteingesessenen
Gostenhofer*innen, die bereits Unterschriftenlisten verteilt haben, gibt es
Gegenwind. Mit Blick auf 75 gekappte Parkplätze (von 2.160 in ganz
Gostenhof) und vier Sperrstellen werden die Superblocks als Zumutung
empfunden.
„Gut gedacht, aber ein bisschen unglücklich kommuniziert“, lautet das
gespaltene Urteil eines Kneipenwirts, der sich als Nicht-Instagram-Nutzer
wie so manche mehr direkte Informationen gewünscht hätte. Zudem sei er von
Nachbarn für den Lärm vor seiner Tür in der Volprechtstraße verantwortlich
gemacht worden, obwohl sein Antrag für die Außenbestuhlung bei der Behörde
wochenlang liegen blieb, bis er ihn Ende September angesichts der kühlen
Temperaturen zurückzog.
Superblockkritisch gibt sich auch [3][die linke Szene], die durch eine
Aufwertung des Stadtteils gravierende Folgen für weniger betuchte Menschen
befürchtet: „Mietenstopp statt Superblock“ steht hier immer mal auf Straß…
oder Schildern. Dahinter steckt die Angst, dass Gostenhof nach Gostanbul
und Goho bald zum teuren Gostelona wird.
Das scheint jedoch etwas überzogen zu sein, denn im Vergleich zu den großen
Superblocks in Barcelona wirken Gostenhofs Inseln doch recht harmlos.
2 Nov 2025
## LINKS
[1] /Klimafreundlicher-Verkehr/!6033657
[2] https://autofrei-nbg.de/
[3] https://www.organisierte-autonomie.org/mietenstopp-statt-superblock/
## AUTOREN
Jo Seuß
## TAGS
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