Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Selenskyj greift durch: Bürgermeister ausgebürgert
> Der ukrainische Präsident entzieht dem Bürgermeister von Odessa, Hennadij
> Truchanow, die Staatsbürgerschaft. Überraschend kam das nicht.
Bild: Ist jetzt kein Ukrainer mehr: Der Bürgermeister von Odessa, Hennadij Tru…
Odessa taz | In der [1][Hafenstadt Odessa] wird im vierten Jahr des
russisch-ukrainischen Krieges wahrscheinlich eine Militärverwaltung
eingeführt. Präsident Wolodymyr Selenskyj entzog dem Bürgermeister Hennadij
Truchanow die ukrainische Staatsbürgerschaft. Damit verliert Truchanow nach
ukrainischem Recht sein Amt. „Zu viele Sicherheitsfragen in Odessa sind zu
lange ungelöst geblieben“, erklärte der ukrainische Präsident in einer
Videobotschaft am Dienstagabend. Die Entscheidung kam weder zufällig noch
überraschend, denn Truchanow hat eine abenteuerliche Biografie.
In den turbulenten 1990er Jahren hatte der gebürtige Odessit zunächst eine
Firma für Sicherheitsdienste. Beamte der italienischen
Strafverfolgungsbehörden bezeichneten ihn in einem Dokument von 1998 als
„mögliches Mitglied einer kriminellen Vereinigung“. Truchanow wies dies
zurück. Anschließend war der heute Sechzigjährige Berater für Unternehmen
und politische Einrichtungen, dann begann er eine eigene politische
Karriere.
Seit 2005 ist er Abgeordneter des Stadtrats von Odessa, seit 2010
Vorsitzender der Fraktion der prorussischen Partei der Regionen, die 2023
verboten wurde. 2012 zog er für diese Partei ins ukrainische Parlament ein.
Schon dreimal wurde er seit 2014 zum Bürgermeister von Odessa gewählt, auch
dank seines Images als „starker Mann“, „Wirtschaftsexperte“ und „echt…
Offizier“. Er verstand es, zwischen politischen Lagern zu vermitteln. Doch
Truchanow gilt als einer der umstrittensten Bürgermeister der Ukraine.
Bereits zweimal wurden Verfahren wegen Korruption gegen ihn vor dem
obersten Antikorruptionsgericht der Ukraine verhandelt. Allerdings
ergebnislos – Truchanow kam gegen Kaution frei. Nicht weniger skandalös:
[2][Als Russland 2014 die Krim und einen Teil des Donbass annektierte],
zeigte sich Truchanow offen prorussisch. Er nahm an entsprechenden Demos
teil und pflegte Kontakte zu inzwischen in Ungnade gefallenen prorussischen
Politikern.
Schon damals hieß es, Truchanow habe neben der ukrainischen auch die
russische Staatsbürgerschaft. Das ist nach ukrainischem Recht verboten.
Offizielle Beweise dafür gab es bislang nicht. Erst diese Woche wurden die
ukrainischen Sicherheitsbehörden fündig.
## Kritik nach Überschwemmung mit zehn Toten
Zum vollständigen Bild gehört jedoch auch, dass Truchanow 2022 die
russische Invasion in der Ukraine nicht unterstützte und Russland als
Aggressor bezeichnete. Die meisten ukrainischen Patrioten in Odessa
allerdings jubeln nun: Endlich wird ihr Erzfeind abgesetzt. Die Zahl seiner
Kritiker wuchs vor allem in den letzten Wochen, [3][nachdem es in der Stadt
infolge starker Regenfälle zu einer Überschwemmung gekommen war, bei der
zehn Menschen starben.]
Politische Analysten warnen jedoch, es gebe momentan keinen Ersatz für
Truchanow und sein Team. Seine Anhänger wiederum halten die Anschuldigungen
schlicht für erfunden: In den als Beweismittel vorgelegten Screenshots gibt
es viele Unstimmigkeiten wie ein unähnliches Foto und die falsche
Schreibweise seines Namens.
Der in Ungnade gefallene Truchanow selbst sagte vor Medienvertretern, er
habe nicht vor, die Ukraine zu verlassen, und wolle beweisen, dass er kein
russischer Staatsbürger sei. „Ich werde mich verteidigen, ich werde vor
Gericht gehen, notfalls vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
… Das ist schon äußerste Willkür, die es nicht geben darf“, zitierten ihn
ukrainische Medien.
Aus dem Russischen: [4][Gaby Coldewey]
15 Oct 2025
## LINKS
[1] /Odessa/!t5009857
[2] /Krim-Annexion/!t5015673
[3] https://www.rnd.de/panorama/unwetter-in-der-ukraine-neun-tote-in-odessa-nac…
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
## AUTOREN
Artem Perfilov
## TAGS
Ukraine
Odessa
Bürgermeister
Wolodymyr Selenskyj
Social-Auswahl
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Nord Stream 2
Unser Fenster nach Russland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Arbeit und Integration: Krieg und Pizza
Für geflüchtete Ukrainer*innen ist der Weg in den Arbeitsmarkt schwer.
Svitlana Kaidashs Weg vom Heizkraftwerk in Donezk in die Pizzeria in
Brandenburg.
Umstrittene Gaspipeline in der Ostsee: Gibt es noch Hintertüren für Nord Stre…
Wirtschaftsministerin Reiche soll die Betriebserlaubnis für die Gaspipeline
zurücknehmen, fordert die Deutsche Umwelthilfe – auch für den Klimaschutz.
Meduza-Auswahl 9. – 15. Oktober: Und wenn die Tomahawk-Raketen nun kommen?
Eventuell könnten bald die US-Raketen in der Ukraine stationiert werden.
Was das bringt – und warum Moskau schon einmal vorsorglich rhetorisch
eskaliert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.