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# taz.de -- Jörn Kabisch – Anders Essen: #Söderisst
> Der bayerische Ministerpräsident hat sich selbst zum Foodblogger erhoben.
> Ist das bedenkenswert, vielleicht sogar museumswürdig? Die Polemik eines
> Wirts.
Bild: Jede Gelegenheit scheint der Politiker Markus Söder zum Essen und dessen…
[1][taz FUTURZWEI] | Wer hätte gedacht, dass er es auch noch zum
prominentesten Foodblogger Deutschlands bringen wird.
Seit über drei Jahren berichtet [2][Markus Söder] unter #söderisst in den
sozialen Medien über seine Essgewohnheiten. Oft sind das Schmankerl aus
bayerischen Bierzelten, der bayerische Ministerpräsident kartografiert aber
auch das deutsche Imbisswesen, meist hat er dabei umhülltes [3][Fleisch]
auf dem Teller – entweder paniert und frittiert oder in einen Wurstdarm
gepresst.
Ab und zu legt er eine „gesunde“ Mahlzeit ein. Das bedeutet dann Hühnchen
oder Fisch mit etwas Salat.
## Männer-Diät, „Kulturoffenheit“ und Anti-Veganismus
Eine ziemliche Männer-Diät also, die auch dem Gemüse auf dem Teller Platz
lässt, allerdings sollte man es mit dem Grünzeug nicht zu bunt treiben.
Nichts scheut der Marggus nämlich so wie den [4][Veganismus]verdacht. Um
trotzdem Kulturoffenheit zu präsentieren, betreibt er ein niedliches
kleines Multikulti-Eck.
„#söderisst gerne Türkische Küche“ postet er regelmäßig unter Fotos von
Hackfleisch am Spieß. Die kulturelle Aneignung des Döner kennt dabei keine
rote Linie.
Im jüngsten Landtagswahlkampf 2023 verteilte die CSU weiße T-Shirts mit
rotem Söder-Kebab-Logo. Der Ministerpräsident, der auf einen knallharten
[5][Migration]skurs eingeschwenkt war, forderte gleichzeitig eine
Dönerpreisbremse.
Bis dahin hätte man noch meinen können, Söder habe sich das Thema Food
ausgesucht, um eine etwas unbedarfte, private Seite von sich zu zeigen.
Kaum jemand in der deutschen Politik ist so bemüht, ein schillerndes Bild
von sich zu zeichnen wie der Mittelfranke.
Homestories vermeidet er dabei soweit möglich. Eigentlich eine clevere
Idee, „Söder privat“ dem geschätzten Publikum wohldosiert auf der
Currywurstpappe zu präsentieren, aber dann auch ziemlich durchsichtig.
Denn so verwackelt und amateurhaft die Fotos da auf Instagram erscheinen,
naiv ist die ganze Sache nicht, sondern – siehe Söder-Kebab – von einer
politischen Agenda angetrieben.
## Politische Inszenierungen
Man muss sich dafür bewusst machen, warum Menschen überhaupt öffentlich
thematisieren und ausstellen, was sie zu sich nehmen. Ernährungstagebücher
in den sozialen Medien folgen, hat der Kulturwissenschaftler Gunther
Hirschfelder einmal sehr treffend festgestellt, immer dem Prinzip der
Selbstoptimierung, in körperlicher, gesundheitlicher oder kultureller
Hinsicht, meist sogar einem opaken Mischmasch dieser Aspekte. Und das gilt
eben auch für Markus Söder.
Schon jetzt sollte das Deutsche Historische Museum (DHM) darüber
nachdenken, sich sein kulinarisches Fototagebuch für die eigene Sammlung
zu sichern, so wie [6][Joschka Fischers] Turnschuhe oder [7][Günter
Schabowskis] Notizzettel – als letztem großen Monument für den
fleischgewordenen Unantastbarkeitsanspruch einer fossilen, toxischen und
(leider noch ein Adjektiv, trotz Redundanzgefahr) narzisstischen
Männlichkeit.
Was ich damit meine? Neulich, auf Besuch in [8][Neu-Delhi], griff Söder mal
zu Tee und Brot. Er hatte sich den Magen verdorben, welchem Indientourist
ist das nicht schon passiert. Aber die Episode ist auch nur die
bestätigende Ausnahme von der Erzählung vom All-you-can-eat-Wesen.
Er braucht keine Selbstoptimierung, er ist superoptimiert. Denn es ist
faszinierend, was der Ministerpräsident sich alles schafft einzuverleiben,
ohne sich disziplinieren zu müssen. Notorisch postet Söder Fotos von sich
im Bierzelt, immer mit einer Maß [9][Bier], Teller voll mit Schweinsbraten,
Schnitzel und Bratwürsten.
Muss schon ein Knochenjob sein, das bayerische Landesvater-Dasein, wenn
man dafür essen muss wie ein Feldarbeiter, mag sich der eine denken. Bei
manch anderem könnte Bewunderung für die ungemeine Konstitutiondes
1,94-Meter-Mannes aufkommen, der Nahrung offenbar so gut verwertet, dass
ihm darüber noch kein Ranzen gewachsen ist.
Er geht noch immer als schlank durch. Wäre Söder eine Frau, hätte der
Vergleich von Statur und Diät schon längst zu Fragen geführt, ob Marga eine
Schilddrüsenüberfunktion hat.
Ein Ausnahmemensch also, aber auch ein Ausnahmepolitiker. Denn der
Berufsstand hat in letzter Zeit mit großem Gesundheitsbewusstsein von sich
selbst gesprochen: Es wird nicht mehr viel geraucht oder getrunken, viele
Politiker achten auf ihre Ernährung, treiben Ausgleichssport in einem
stressigen Alltag, in dem kaum Freizeit bleibt.
Von der vergangenen Ampelkoalitionen fallen mir dazu vor allem die
Hauptprotagonisten ein: [10][Olaf Scholz] (Rudergerät), [11][Annalena
Baerbock] (Trampolin) und [12][Robert Habeck] (Joggen).
## „Auto-toxische“ Männlichkeit im Museum?
Das hat ein Söder nicht nötig. Auch dass die auf Fleisch konzentrierte
Ernährung, die er da protegiert, in den letzten Jahrzehnten starker
Mitverursacher für den Anstieg von Herzkreislauf-Krankheiten in der
Bevölkerung ist, ficht ihn nicht an.
Der nicht-weibliche Teil ist davon übrigens weit mehr betroffen, das zum
Thema (auto-)toxische Männlichkeit. Dass seine Fleisch-Diät überhaupt erst
durch ein Landwirtschaftsmodell möglich ist, in dem wegen der Ausbeutung
fossiler Rohstoffe ([13][Dünger] und Kraftstoff) ein Ernteüberschuss
produziert werden kann, durch den neben dem Menschen auch Milliarden
Nutztiere auf der Welt ernährt werden können, interessiert den
Ministerpräsidenten nicht. So, damit sollte ich die Adjektive von oben zur
Genüge abgearbeitet haben.
Bleibt nur noch eins: Söder trinkt nicht oder nur wenig. Das wussten Sie
sicher auch schon. Er hat das schon mehrmals ganz freimütig bekannt. Also,
sehen wir uns mal an, wie leer die Maßkrüge sind.
Und wie angegessen die Teller, die er da in die Kamera hält.
#söderisstundtrinktdasnicht, der Hashtag passte darunter auch. Da scheint
eine historische Einordnung zwingend notwendig. DHM, bitte übernehmen Sie.
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22 Sep 2025
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[8] /Neu-Delhi/!t5046535
[9] /Bier/!t5009549
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[11] /Annalena-Baerbock/!t5469290
[12] /Robert-Habeck/!t5007736
[13] /Duengemittel/!t5048341
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## AUTOREN
Jörn Kabisch
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