| # taz.de -- Ästhetik der Sportsbar: Athletik nur zum Kuscheln | |
| > Ein ganz anderes Verständnis von Sport lässt sich da besichtigen, wo man | |
| > es nicht vermutet: auf der Architektur-Biennale in Venedig. | |
| Bild: Sport ist da, wo man ihn erblickt: Carlo Ratti, Direktor der Architektur-… | |
| Mit einer Sportsbar auf dem Gelände der [1][Architektur-Biennale] haben | |
| wohl die wenigsten gerechnet, die sich in diesem Jahr auf den Weg nach | |
| Venedig gemacht haben. Beim Betreten der Bar blickten einige der braven | |
| Leute doch recht verdutzt drein. Sie mögen sich zuvor über nachhaltige | |
| Bauprojekte in Spanien informiert haben. Oder sie sind im deutschen | |
| Pavillon angesichts der dort ausgestellten Extremhitze in Klimapanik | |
| geraten. Vielleicht haben sie noch ein wenig nachgedacht über das | |
| Karl-Popper-Zitat, das über den ägyptischen Visionen für ein Leben von Wind | |
| und Wasser angebracht war: „Die Zukunft ist weit offen. Sie hängt von uns | |
| ab. Von uns allen.“ | |
| Nun standen sie im lila ausgeschlagenen Pavillon der Niederlande vor einem | |
| riesigen, Kurven schlagenden [2][Tischkickergerät] für mindestens zehn | |
| Spieler und Spielerinnen, die alle auf einer Seite stehen. Sie konnten sich | |
| auf Barhocker setzen und Aufzeichnungen von Sportereignissen verfolgen, die | |
| über die darüber angebrachten Bildschirme liefen. Man konnte auch zu einer | |
| Zeitung greifen, in der Ideen für einen solidarischen Sport vorgestellt | |
| werden. Signierte Trikots und Schals an den Wänden gibt es in der Sportsbar | |
| zu bewundern und die Besucher können sich über ausgestellte Pokale aus | |
| Schaumgummi wundern. Keine kalten Metallpokale für Sieger sind da zu sehen, | |
| sondern weiche Auszeichnungen zum Kuscheln – für den „orientierungslosen | |
| Fänger“ etwa. | |
| Ein wahrhaft anderer Sport wird da präsentiert, ein diverser, ein | |
| inklusiver. „[3][Sidelined]“ heißt das Projekt von Kuratorin Amanda Pinatih | |
| und dem Designer Gabriel Fontana, der drei Sportspiele entwickelt hat, die | |
| das starre Mannschaftsgefüge der bekannten Disziplinen aufbrechen sollen. | |
| „[4][Anonymous Allyship]“ heißt eines dieser Spiele, bei der Teilnehmende | |
| jeden Alters alle das gleiche Trikot tragen und auf versteckte Hinweise | |
| achten müssen, um herauszufinden, mit wem sie wohl in einem Team spielen. | |
| Ziel sei es, Inklusion und Exklusion spürbar zu machen, die Auswirkungen | |
| sozialer Bindungen oder Entfremdung in der Gesellschaft aufzuzeigen. Als er | |
| das Spiel während der Olympischen Spiele in [5][Paris] im vergangenen Jahr | |
| auf der großen Bühne vor dem Rathaus vorstellte, haben die Menschen doch | |
| recht ratlos auf die Performance reagiert. | |
| ## Im bösen Teil des Netzes wurde sie zur Lachnummer | |
| Sie waren ja gekommen, um auf den großen Bildschirmen klassischen Sport zu | |
| verfolgen, Sieger zu feiern und sich selbst dafür, dass sie aus demselben | |
| Land wie die Sieger kommen. Vielleicht sind sie ja dort in Paris Zeugen | |
| geworden, wie die australische [6][Breakdance]-Athletin Rachel Dunn eine | |
| denkwürdige Performance abgeliefert hat. Keinen einzigen Punkt bekam sie | |
| von Kampfrichterinnen für ihre Vorstellung, in der sie Kängurusprünge | |
| nachgeahmt hatte und wie eine Krabbe gekrochen war. | |
| Im bösen Teil des Netzes war sie damit zur Lachnummer geworden. Ihre | |
| Reaktion darauf zeugt von einem Sportbild, wie es durchaus seinen Platz | |
| haben könnte in der niederländischen Vision einer Sportsbar, wie sie noch | |
| bis zum 23. November in Venedig zu sehen ist. „Beim Breaking geht es vor | |
| allem um Positivität“, hat sie nach dem Shitstorm, in den sie geraten war, | |
| gesagt. „Wir richten einander auf. Ich weiß, dass es für die Leute auf X | |
| schwer ist, eine Welt zu verstehen, in der man nicht versucht, sich | |
| gegenseitig runterzumachen.“ | |
| In den USA spüren gerade trans Athlet:innen, wie es ist, von höchster | |
| staatlicher Stelle runtergemacht zu werden. Der durch und durch positive | |
| Ansatz der Sportsbar auf der Biennale ist im Gegensatz dazu wohltuend | |
| human. Queerpositiv ist er ohnehin. Er ist mehr als eine nette Spielerei. | |
| Er ist ein Gegenentwurf, den man ernst nehmen sollte. | |
| 8 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Architekturbiennale-in-Venedig/!6108314 | |
| [2] /Was-man-mit-Kickerstangen-machen-kann/!5455018 | |
| [3] https://www.gabrielfontana.com/en/projects/sidelined-a-space-to-rethink-tog… | |
| [4] https://www.gabrielfontana.com/en/projects/anonymous-allyship | |
| [5] https://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Sommerspiele_2024 | |
| [6] /Breakdance-bei-Olympia/!6022283 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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