# taz.de -- Wieder im Kino: Unendlich verzweigt | |
> Maciej Drygas ist mit „Trains“ bei FilmPolska zu Gast. „There Will Be | |
> Blood“ und „The Freshman“ erzählen sehr unterschiedlich vom | |
> Amerikanischen Traum. | |
Bild: Dokumentarische Collage „Pociągi“ („Trains“) 2024, Regie: Maciej… | |
Eine Werkhalle voller Eisen und Stahl. Bald stellt man fest: Was die | |
Arbeiter hier zusammenbauen und –nieten ist eine Dampflokomotive. Sie wird | |
auf Räder und auf die Gleise gestellt, Waggons für Personenverkehr werden | |
angekoppelt, der Zug ist in Betrieb. Doch schnell weichen die Bilder von | |
Ausflugsverkehr und fröhlich lächelnden Menschen, die auf beschauliche | |
Landschaften blicken, einer Militarisierung: Politiker und hohe Militärs | |
fahren Bahn, dann auch die einfachen Soldaten zu den Schlachtfeldern – der | |
1. Weltkrieg beginnt. | |
Was der polnische Filmemacher Maciej Drygas in der dokumentarischen Collage | |
„Pociągi“ („Trains“, 2024) ausschließlich mit unkommentiertem | |
Archivmaterial erzählt, ist nicht weniger als eine europäische Geschichte | |
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die Verstrickung der Eisenbahn | |
auch in die unerfreulichsten Aspekte jener Zeit. | |
Da werden Züge mit Kanonen bestückt und Granaten als Fracht transportiert. | |
Und wenig später kommen diejenigen, die zuvor zum Abschied noch lustig | |
gewinkt haben, als Versehrte mit Prothesen zurück. Frauen reparieren die | |
Gleisanlangen. Dann geht es von vorne los, nur noch schlimmer: mit | |
Deportationen, ermordeten KZ-Häftlingen und all den Flüchtlingen und | |
„displaced persons“ des 2. Weltkriegs. Seinem Film vorangestellt hat Drygas | |
ein Zitat von Franz Kafka: „Es gibt unendlich viel Hoffnung. Nur nicht für | |
uns.“ | |
Am Ende des Films stehen die unendlichen Verzweigungen des Schienennetzes. | |
Zur Vorführung sind Regisseur Maciej Drygas und die litauische Produzentin | |
Vita Żelakeviciute zu Gast. Zu sehen gibt es „Pociągi“ im Rahmen der | |
[1][20. Ausgabe von filmPOLSKA], wo bis zum 17. September neben aktuellen | |
Spiel- und Dokumentarfilmen auch eine Hommage an den international tätigen | |
Filmkomponisten Wojciech Kilar (1932-2013) auf dem Programm steht (12. 9., | |
20 Uhr, [2][Sputnik]). | |
Vom Selfmademan zum millionenschweren, geisteskranken Ölbaron: In „There | |
Will Be Blood“ (2007) breitet Regisseur Paul Thomas Anderson die epische | |
Studie des Soziopathen Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis) aus, der zu | |
Menschen keine Beziehungen hat, die nicht darauf hinauslaufen würden, sie | |
auszunutzen. | |
Daniel Day-Lewis, der für seine Rolle den Oscar als bester Hauptdarsteller | |
gewann, geht ganz in dieser Figur auf, wobei es ihm gelingt, diesem | |
zweifellos unsympathischen Mann doch soviel unmittelbare Kraft und Wucht zu | |
verleihen, dass man sich der Faszination nicht entziehen kann (14. 9., | |
16.30 Uhr, [3][Rollberg Kino]). | |
Eine deutlich positivere Einstellung zum amerikanischen Traum haben die | |
Filme mit dem Stummfilmkomiker Harold Lloyd: Seine Filmfiguren jagen stets | |
dem Erfolg hinterher und müssen sich dabei in Rollen hineinfinden, die | |
zunächst einige Nummern zu groß erscheinen. | |
Doch mit ungebrochenem Optimismus klappt im Kino ja fast alles. So auch in | |
„The Freshman“, in dem Harold versucht, ins Football Team seiner | |
Universität zu kommen, um seine Popularität zu steigern. Der Weg ist | |
steinig, aber sehr lustig (12. 9., 19.30 Uhr, 13. 9., 18.15 Uhr, | |
[4][Babylon Mitte]). | |
Die Frage, ob ein Film über einen schwulen spanischen Regisseur vielleicht | |
autobiografisch ist, erübrigt sich bei Pedro Almodóvar völlig: Seine Filme | |
waren immer eine Mischung aus Fiktion und Autobiographie, und da macht die | |
Geschichte von Salvador Mallo (Antonio Banderas) in „Leid und Herrlichkeit“ | |
(2019) keine Ausnahme. | |
Die Bilanz eines Lebens kommt ausgesprochen melancholisch daher und zeugt | |
von einem anrührend tiefen Verständnis für menschliche Beziehungen. Zu | |
sehen ist das schöne Alterswerk von Almodóvar in einer Hommage an die | |
spanische Schauspielerin Penélope Cruz, die hier in Rückblenden die Mutter | |
des Hauptprotagonisten spielt (15. 9., 22 Uhr, [5][Babylon Mitte]). | |
11 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://instytutpolski.pl/berlin/2025/07/18/20-filmpolska/ | |
[2] https://www.sputnik-kino.com/program/movie/3484 | |
[3] https://www.yorck.de/filme/there-will-be-blood?sort=Popularity&date=202… | |
[4] https://babylonberlin.eu/programm/festivals/stummfilmlivefestival/9040-stum… | |
[5] https://babylonberlin.eu/programm/festivals/pen%C3%A9lope-cruz/9110-pen-lop… | |
## AUTOREN | |
Lars Penning | |
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