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# taz.de -- Bremerhavener Zoo tötet Schimpansenbaby: Ein Affe wie wir
> Ein Zoo schläfert ein Affenbaby ein, das von der Mutter nicht angenommen
> wurde. Peta will Strafanzeige stellen. Brauchen Menschenaffen
> Grundrechte?
Bild: Niedlich, so ein Schimpansenbaby: Amelie mit ihrer Mutter im Jahr 2008 im…
Bremen taz | In Bremerhaven erleidet eine Mutter nach der Geburt einen
Kreislaufzusammenbruch, ihr Leben muss gerettet werden. Bis zum Abend
dieses 4. Septembers erholt sie sich, doch ihr Baby lehnt sie ab, schiebt
es zur Seite; der Vater trägt es laut Berichten „fürsorglich umher“.
Dennoch wird nach zwei Tagen entschieden: Das Neugeborene wird
euthanasiert.
Bei Baby und Eltern, man sollte es dazusagen, handelt es sich um
Schimpansen. Mutter Lizzy, 30 Jahre alt, und Mutter einer erwachsenen
Tochter, lebt seit zehn Jahren im Zoo in Bremerhaven. Laut der
Tierrechtsorganisation Peta hat Lizzy schon mindestens einmal ein Jungtier
abgelehnt. Auch ihre erwachsene Tochter Donna hat sich 2018 um ihr eigenes
Kind nicht gekümmert – auch diese Affenbabys wurden eingeschläfert.
Um die Geburt des nun getöteten Schimpansenbabys zu ermöglichen, war großer
Aufwand betrieben worden: Vater Dumas wurde eigens in einer OP
refertilisiert – 20 Jahre zuvor war er sterilisiert worden, da er sich
nicht artgerecht verhalten und seine Mutter bestiegen hatte.
Peta will Strafanzeige bei der Bremerhavener Staatsanwaltschaft stellen.
Das Landesveterinäramt ist aktuell dabei, die Umstände des Todes zu
untersuchen. „Wir sind alle sehr traurig!“, schreibt der Zoo auf Facebook
und Instagram – in den Kommentaren gibt es Verständnis, aber auch viel Wut.
„Dann züchtet halt keine Tiere hinter Gittern“, heißt es, und: „Wann h�…
das Töten in Zoos endlich auf?“
## Gehäufte Berichte über Tötungen in Zoos
Der Fall reiht sich tatsächlich ein in eine Reihe von Berichten über
Tötungen potentieller Publikumslieblinge in diesem Sommer: Im Juli wurden
zwei Löwenjunge im Kölner, im August drei Tigerbabys im Leipziger Zoo
eingeschläfert; auch sie waren von ihren Müttern nicht angenommen worden.
Und in Nürnberg waren im Juli zwölf gesunde Paviane erschossen worden, weil
[1][der Platz im Gehege nicht für alle reichte.]
In Zookreisen scheint es eine leise Entwicklung zu geben, den Tod als Teil
des Tierlebens stärker zu etablieren. Ende Dezember 2024 erschien im
renommierten „Proceedings of the National Academy of Sciences“ ein
[2][Kommentar mehrerer deutscher Zoodirektor*innen,] die dafür plädierten,
vermehrt Zootiere (aller Arten) nachzuzüchten und bei Überpopulation im
jungen Erwachsenenalter zu verfüttern. Das halte den Tierbestand jung,
ermögliche Zootieren das Erlebnis von Elternschaft und vermittle das Thema
Tod an Besucher*innen. Kritiker dagegen sehen im Vorschlag einen
Freibrief für die Züchtung niedlicher Tierkinder, die schon bei Geburt als
zu tötender Überschuss eingeplant seien.
Die Tötung von Menschenaffen berührt weitere Fragen. Schimpansen sind mit
Bonobos die nächsten Verwandten des Menschen: Wir teilen 98,7 Prozent des
Erbguts. Sie geben ihre Erfahrungen in verschiedenen Kulturen weiter, sie
arbeiten strategisch zusammen, können lügen und eine Art
Gerechtigkeitsempfinden entwickeln (zumindest wenn sie selbst von
Unfairness betroffen sind). Sie lachen und trauern.
Die Great Ape Society kämpft seit Jahrzehnten dafür, dass Menschenaffen vom
Menschen eine neue Form der Anerkennung bekommen: Eine Aufnahme in die
„Gemeinschaft der Gleichen“: eine „moralische Gemeinschaft, innerhalb der…
wir bestimmte Rechte anerkennen, die unsere Beziehungen regeln und die
gerichtlich einklagbar sind“.
## Grundrechte für Menschenaffen
Doch wenn man davon ausgeht, dass Schimpansen besondere Rechte zustehen:
Welche sind das? Die Great Ape Society nennt das individuelle Recht auf
Leben, aber auch den Schutz der Freiheit und den vor Folter. Könnte ein
Grundrecht für Schimpansen nicht auch bedeuten, dass ihnen ein artgerechtes
Leben zugestanden und überflüssiges Leid erspart wird?
Der Zoo selbst argumentiert für die Tötung mit dem Tierwohl: Die
Alternative wäre die Handaufzucht durch Menschen gewesen. Und das, so
Zoodirektorin Heike Kück, bedeute eine „Fehlprägung, die sich lebenslang
negativ auf das Sozialverhalten des Tieres auswirkt“. Der Zootierarzt hatte
[3][gegenüber Radio Bremen gar behauptet,] das Tier hätte „nie wieder ein
Leben führen können wie ein Menschenaffe ein Leben führt: In einer Gruppe
in einem Sozialverband“.
Peta hält wenig von der Erklärung. Die Aufzucht eines Schimpansenbabys
dauert etwa fünf Jahre. Der Zoo habe den Aufwand gescheut, vermutet man –
und nach nur zwei Tagen eine simple Lösung gewählt. Natürlich könne die
Handaufzucht Tiere beeinträchtigen. „Aber das ist bei Zoohaltung insgesamt
der Fall“, sagt Yvonne Würz, bei Peta Fachreferentin für Tiere in Zoo und
Zirkus.
## Resozialisierte Affen sind keine Seltenheit
Tatsächlich gibt es zahlreiche Fälle von fehlgeprägten Menschenaffen, die
erfolgreich resozialisiert wurden. Die [4][Großmutter des getöteten
Affenbabys] ist ein Beispiel: „Jenny“ wuchs in einer Kneipe und auf einem
Schiff auf. Seit 1983 lebt sie im Bremerhavener Zoo – offenbar gut
integriert; zwei Söhne hat sie aufgezogen.
Die Frage, wie lebenswert das Leben für das nun getötete Affenmädchen
geworden wäre, bleibt aber relevant. „Bei Menschenaffen können wir uns
emotional vorstellen, was ein Leben in Gefangenschaft für sie bedeutet“,
sagt Würz. „Es wäre wohl ein trauriges Leben geworden.“ Die eigentliche
Forderung der Tierrechtsorganisation ist denn auch das Ende von
Nachzüchtungen in Zoos.
Das kommt für den „Zoo am Meer“ in Bremerhaven nicht in Frage: Es sei
gesetzliche Aufgabe der europäischen Zoos, Tierarten durch
Nachzuchtprogramme zu erhalten, so Kück. „Für den Artenschutz sind
Zoo-Züchtungen nicht hilfreich“, kritisiert dagegen Würz: „Wenn der
[5][natürliche Lebensraum verloren geht], ist es für die Tierarten ohnehin
zu spät.“
Transparenzhinweis: Wir haben die Funktion von Yvonne Würz bei Peta
ergänzt.
19 Sep 2025
## LINKS
[1] /Artenschutz-im-Zoo/!5988882
[2] https://www.pnas.org/doi/abs/10.1073/pnas.2414565121
[3] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/schimpanse-toetung-zoo-am-meer-exp…
[4] https://www.logbuch-bremerhaven.de/die-geschichte-der-schimpansen-im-zoo-am…
[5] /Bergbau-bedroht-Schimpansen/!6002430
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
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