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# taz.de -- Linken-Bashing in der „Zeit“: Vom bürgerlichen Drang, über Mi…
> Erstaunlich, dass der Grandseigneur des Zeit-Feuilletons zur Beschreibung
> der Lage bloß Klischees zusammenfegt und meint, der Sache sei Genüge
> getan.
Bild: Beliebtes Feindbild: Lastenfahrradfahrerin, die sich und ihre Familie sic…
Ob die Linken „selber schuld“ seien, fragte die Zeit auf ihrem Titel Ende
August, und der Haupt-Essay im Blatt antwortete mit Ja. Interessant war
aber weniger, dass hier [1][ein früherer Feuilleton-Chef aufschrieb], dass
die Linken den Aufstieg der Autoritär-Nationalen und Rechtsradikalen erst
verursacht hätten – sondern vor allem, wie er das tat.
Die These, durch ihre Konzentration auf Emanzipation ( „Identitätspolitik“,
„Wokismus“) statt Umverteilung hätten die US-amerikanischen Demokraten
Donald Trump die WählerInnen in die Arme getrieben, steht [2][seit der
2016er Trump-Wahl] im Raum. Die Diskussion hat in bald neun Jahren schon
viele Umdrehungen erlebt. Unter anderem ist eine komplette
rechtspopulistische bis rechtsextreme Medien- und Politikindustrie daraus
entstanden, antilinke und antiökologische Ressentiments zu kapitalisieren.
Die Grünen gehen allem, was nach Kulturkampf riecht, geradezu zwanghaft aus
dem Weg, nichts Privates ist hier noch politisch. Gegendert wird ganz
allgemein nur noch hauchzart und hyperelegant.
Darum ist es umso erstaunlicher, dass der Grandseigneur des
Zeit-Feuilletons Jens Jessen zur Beschreibung der Lage bloß alle
herumliegenden Klischees zusammenfegt und meint, hiermit sei der Sache
Genüge getan. Und die Sache lautet: zu definieren, wo Mitte und Norm sind
(beim Autor, klar) und wo die Ränder.
Jessen zufolge erklären die Grün-Gesamtlinken im „Bewusstsein ihrer
moralischen Überlegenheit“ alle zu Klimasündern, die sich nicht vegan
ernähren und kein Lastenfahrrad fahren. Und dann: „Nicht grillen! Nichts
aus Leder tragen, keinen ‚überzüchteten‘ Rassehund, sondern einen Mischli…
halten, muslimischen Familiensitten keine Frauenverachtung vorwerfen,
sondern nur dem ‚weißen‘ Mann. Kinder sollten im Wickeltuch am Leib
getragen werden, vorzugsweise vom Vater. Ein Waldorfkindergarten wird
empfohlen.“
## Bestätigung des eigenen Schablonensystems
Das geht lange so weiter, und ich muss es so ausführlich zitieren, damit
deutlich wird, dass hier einer so schreibt, als hätte er noch nie jemand
Ökologisch-Linkes getroffen. Oder aber in der Zeit laufen nur sehr
spezielle VertreterInnen des gemeinten Spektrums davon herum (es wirkte
bislang nicht so, und [3][es hat in der Zeit ja auch schon jemand
geantwortet]).
Vielleicht sollte man den Text deshalb nicht so ernst nehmen. Auch in der
taz haben wir ihn [4][ja schon kommentiert] (Tenor: Dieses Bürgertum wird
den Kampf gegen die AfD nicht führen). Doch beweist der Essay Wort für
borniertes Wort, wie wenig Mühe es auch in den intellektuellen Zentralen
der Bourgeoisie kostet, die Versuche eines umweltverträglicheren,
solidarischeren, insgesamt nachhaltigeren Lebens zu diskreditieren.
„Lastenrad“ steht dann für Umerziehungslager, „vegan“ für Bekehrungsw…
und so weiter. Das bloße Aufzählen der Begriffe reicht schon, um
weiterzuzüchten, was wir inzwischen „Reaktanz“ zu nennen gelernt haben: die
trotzige Abwehr der Idee, dass Klimaschutz, Tierschutz, Menschenschutz
möglich seien.
Auf diese Weise dreht sich die Debatte, wie viel Klimaschutz, wie viel
Gleichstellung, wie viel Fortschritt also (ich bestehe einfach auf diesem
Wort) gewünscht und durchsetzbar sind, lediglich in Abwertungs- und
Abgrenzungsspiralen weiter. Die Stellungnahmen bleiben dann rein
strategisch, Zugeständnisse werden nicht gemacht. Öffentliche Orte, um sich
zwischendurch darüber auszutauschen, was denn vielleicht wirklich einmal
ein Exzess des guten Willens auf linker Seite gewesen sein könnte, bleiben
rar gesät.
Denn drüben, wo man halt keinen Bock auf Veränderung oder Planetenrettung
und dergleichen hat und nur auf Bestätigung des eigenen Schablonensystems
wartet, tropft immer schon der Geifer.
6 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.zeit.de/2025/37/politische-extreme-polarisierung-linke-afd-prot…
[2] https://www.nytimes.com/2016/11/20/opinion/sunday/the-end-of-identity-liber…
[3] https://www.zeit.de/2025/38/politische-linke-debatte-konservative-rechte-di…
[4] /Rechtsruck-bei-aktuellen-Debatten/!6107492
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Kolumne Ernsthaft?
Die Zeit
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