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# taz.de -- Fernbeziehungen sind wie Kraftsport: Eine dicke Lippe, äh, Liebe
> Blut auf dem Smartphonedisplay – und der Freund in einer anderen Stadt.
> Was ist passiert? Und wie soll man das aushalten?
Bild: Fernbeziehungen können romantisch sein, sind aber immer anstrengend
Eines Morgens öffne ich WhatsApp und starre in das blutige Gesicht meines
Freundes. Unter der Nase klafft eine Wunde, von seinem Kinn tropft es
dunkelrot. Er sieht erschrocken auf dem Selfie aus – und erschrocken bin
ich jetzt auch. Denn mit so etwas habe ich nicht gerechnet. Schon gar nicht
an diesem Sonntagmorgen, der sich so friedlich angefühlt hat.
„Oh Gott! Was ist dir denn passiert?“, schreibe ich. Oder ist es
Theaterblut – ein schlechter Scherz? Ich wähle seine Nummer. Er hebt nicht
ab. Ich probiere es noch mal. Irgendwann gebe ich auf. Nicht, dass er in
der Zwischenzeit bewusstlos geworden ist. Ich rufe meine Schwester an. Sie
versucht, mich zu beruhigen. Ich überlege, seinen Kumpel anzurufen. Mist!
Dessen Nummer habe ich ja gar nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit ein
neues Lebenszeichen. „Bin im Krankenhaus. Melde mich später.“
Im Fitnessstudio kann ich mich kaum auf das Training konzentrieren. Als ich
gerade auf die Beinpresse warte, sehe ich durch die Fensterscheibe, wie ein
befreundetes Pärchen mit seinem Hund in die Tram einsteigt. Wahrscheinlich
haben sie gerade einen ganz normalen Pärchensonntag. Den hätte ich auch
gerne.
Aber mein Freund und ich [1][führen eine Fernbeziehung]. Wir wohnen
Hunderte Kilometer voneinander entfernt. Fand ich es zu Beginn noch
wahnsinnig romantisch, dass wir uns in unseren jeweiligen Städten besuchen,
finde ich es langsam etwas kräftezehrend. Statt uns nach der Arbeit zu
treffen, telefonieren wir per Video. Das ist zwar besser als nichts, führt
aber dazu, dass wir noch mehr Zeit vor dem Bildschirm verbringen.
## Wenn einer weinen muss
Manchmal [2][kochen wir sogar so zusammen.] Er steht dann in seiner Küche
in Wien und ich in meiner in Berlin und zum Abschied küssen wir das
Display. Noch absurder wird es, wenn einer weinen muss und das Handy
gleichzeitig so hält, dass der andere weiter teilhat. Das fühlt sich dann
schon ganz schön weit weg vom echten Leben an und tröstet auch nicht so gut
wie eine echte Umarmung. Dabei braucht man die in diesen Momenten besonders
dringend. Super wäre auch, wenn mal jemand anderes das Bett macht oder
Kaffee kauft. Wenn öfter mal jemand da wäre, der sich um einen kümmert.
Natürlich treffen wir uns regelmäßig, aber das ist jedes Mal mit viel Orga
und langen Zugfahrten verbunden, die nicht immer nur schön sind. Man kennt
es. Doch wenn wir uns auf dem Bahnsteig entgegenlaufen, prickelt mein Herz
vor Glück. Vielleicht hält das Verliebtheitsgefühl deshalb auch besonders
lange, meinte neulich mein Freund. Gleichzeitig haben wir bei fast jedem
Wiedersehen einen kleinen Streit. Vermutlich weil unsere Erwartungen an die
begrenzte Zeit hoch sind und wir uns erst mal wieder aneinander gewöhnen
müssen. Am Ende wollen wir uns dann aber oft gar nicht wieder trennen.
Stück für Stück trudeln neue Informationen ein. Er sei [3][mit dem
E-Scooter] gestürzt, schreibt mein Freund. Seine Lippe habe genäht werden
müssen und er könne nur sehr schwer sprechen. Ich bin erleichtert, dass
nicht noch Schlimmeres passiert ist. Er tut mir leid. Ich will ihm helfen.
Gleichzeitig bin ich traurig, dass Knutschen bei unserem Wiedersehen wohl
erst mal nicht drin sein wird.
Und als ob er es geahnt hätte, schreibt er: „Weiß nicht, ob du mich so
sehen möchtest …“ Wie bitte? Natürlich will ich das – am liebsten sofor…
So eine Fernbeziehung ist wie Kraftsport: Anstrengend, aber gut für den
Liebesmuskel.
12 Sep 2025
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## AUTOREN
Anna Fastabend
## TAGS
Kolumne Midlife Monologe
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