# taz.de -- Betrug bei Migration aus Gaza: 2.000 Dollar für die Ausreise nach … | |
> Menschen aus Gaza in Not werden zur Zielscheibe von Betrügern: Ein | |
> gefälschtes Profil gibt sich als „Einwanderungsagentur“ aus. | |
Bild: Viele wollen nur noch weg aus dem Gazastreifen. Und Betrüger nutzen das … | |
Toronto taz | Neun Monate nach Beginn des Krieges in Gaza – als die | |
Zerstörung immer weiter wuchs und die Vertreibung der Menschen ein immer | |
größeres Ausmaß erreichte – bot sich Ruqayya, einer 51-jährigen Witwe aus | |
Rafah, und ihren beiden Töchtern eine scheinbar seltene Gelegenheit. Beim | |
Scrollen auf ihrem Smartphone erschien eine Anzeige, berichtet sie: Sie | |
versprach eine Einwanderung nach Kanada durch einen Berater namens „Royel“ | |
und verwies auf ein spezielles Einwanderungsprogramm Kanadas für Familien | |
aus Gaza. | |
Ihre Geschichte erzählt sie heute so: Die Anzeige habe professionell | |
ausgesehen. Und Ruqayya – die Monate zuvor bei einem Luftangriff ihr | |
Zuhause und einen Teil ihrer Familie verloren hatte – sah in dem Angebot | |
eine Chance, sich und ihre Töchter endlich in Sicherheit zu bringen. Sie | |
kontaktierte Royel, reichte ihre Unterlagen ein und erhielt die Nachricht, | |
dass ihr Antrag „angenommen“ worden sei. | |
Einige Tage später erhielt sie einen Anruf von einer Nummer, die mit der | |
des UNHCR-Büros in Kairo übereinstimmte. Später am Abend kam eine E-Mail, | |
die von der kanadischen Botschaft in Ägypten zu stammen schien. In der | |
Nachricht wurde bestätigt, dass ihr Antrag genehmigt worden sei. Und sie | |
wurde angewiesen, eine Zahlung in Höhe von 2.000 US-Dollar, umgerechnet | |
etwa 1.700 Euro, über einen Kontakt im Westjordanland vorzunehmen. | |
Doch die Nachricht war eine Fälschung. Die E-Mail war wohl von einem | |
externen Server aus mit einer Technik namens „Online-Spoofing“ verschickt | |
worden. Dabei wird eine offizielle E-Mail-Domain nachgebildet, um die | |
Empfänger zu täuschen. In ähnlicher Weise verwenden Betrüger Spoofing, um | |
Anrufe so aussehen zu lassen, als kämen sie von Botschaften oder | |
UN-Behörden. Dabei werden sie tatsächlich über gefälschte Plattformen | |
geleitet. | |
Für Ruqayya sah alles echt aus, sagt sie: Die E-Mail, die Nummer. Also | |
transferierte sie das Geld. Am nächsten Tag war die WhatsApp-Nummer, über | |
die sie kommuniziert hatte, nicht mehr aktiv. Ein Screenshot des Profils, | |
bevor es deaktiviert wurde, liegt der taz vor. Und das E-Mail-Konto blieb | |
zwar aktiv, aber der Absender antwortete einfach nicht mehr. So erzählt sie | |
es heute. | |
Die Betrüger sind gewieft | |
Die Methode scheint System zu haben: Auch Ahmed ist einer solchen Anzeige | |
begegnet. Wie Ruqayya will er nur seinen Vornamen nennen. Er erzählt: Der | |
46-Jährige, seine Frau und die drei Kinder flohen im vergangenen Winter aus | |
dem Norden des Gazastreifens, nachdem ihr Haus dort zerstört worden war. | |
Ein Verwandter im Ausland habe online eine Anzeige geteilt: Hilfe bei der | |
Einwanderung nach Europa und Kanada, mit Verweis auf eine „beschleunigte | |
Bearbeitung“ für vertriebene Familien. | |
Ahmed nahm Kontakt zu der Agentur auf, legte seine persönlichen Dokumente | |
vor und bereitete die Zahlung vor. Doch bevor er sie tätigte, wandte er | |
sich über eine gemeinnützige Organisation an einen Einwanderungsanwalt in | |
Kanada. Der stellte schnell fest: In den Unterlagen fanden sich | |
Unstimmigkeiten. Die Agentur war nicht lizenziert. Ahmed zog sich gerade | |
noch rechtzeitig zurück. | |
[1][Diese Betrugsmaschen] sind so konzipiert, dass sie legitimen Verfahren | |
ähneln. Der Berater Royel beispielsweise zeigt in seinem WhatsApp-Profil | |
ein Diplom in Einwanderungsrecht. Das Profilbild zeigt ein Porträt des | |
Premierministers von Québec, François Legault. In seiner Whatsapp-Biografie | |
beschrieb Royel seine Arbeit als „gemeinnützige Unterstützung für Familien, | |
[2][die nach Kanada auswandern“]. Für viele war diese Darstellung | |
überzeugend. | |
Auf eine Anfrage an die kanadische Botschaft in Ägypten, von deren | |
Mailadresse Ruqayya angeblich eine Nachricht erhielt, antwortete diese | |
nicht. | |
Sarah Mansour ist Einwanderungsberaterin mit Sitz im kanadischen Ottawa. | |
Sie habe mehrere Anfragen von Personen aus Konfliktgebieten, darunter Gaza | |
und [3][Syrien], erhalten, erzählt sie. Viele berichteten, dass sie von | |
Personen angesprochen wurden, die ihnen eine beschleunigte Ausreise gegen | |
Bezahlung versprachen. „Illegal und ausbeuterisch“ nennt Mansour das. | |
## Ruqayya und Ahmed leben weiterhin im Gazastreifen | |
Das Betrugsschema ist kein Einzelfall. Wer etwa hinter den Nachrichten an | |
Ruqayya oder Ahmed steckt, konnte die taz ermitteln. Dutzende | |
WhatsApp-Beiträge und Kommentare in sozialen Medien berichten aber von | |
ähnlichen Erfahrungen von Menschen im ganzen Gazastreifen. Sie sollten dazu | |
verleitet werden, für Migrationsdienstleistungen zu bezahlen – oder wurden | |
es. Die Dienste wurden nie erbracht. Sowohl Ruqayya als auch Ahmed leben | |
weiterhin im Gazastreifen. | |
Die Betrüger nutzen die emotionale und wirtschaftliche Notlage aus, die | |
durch den Krieg im Gazastreifen entstanden ist: Die Vereinten Nationen | |
schätzen, dass seit dem Übergriff der Hamas auf Südisrael am 7. Oktober | |
2023 und dem darauffolgenden Krieg im Gazastreifen [4][über 80 Prozent der | |
Infrastruktur und der Häuser dort beschädigt oder zerstört] wurden. Ganze | |
Stadtteile wurden dem Erdboden gleichgemacht, fast die gesamte Bevölkerung | |
mindestens einmal vertrieben. | |
In einem solchen Umfeld blühen Betrügereien: Auch das Flüchtlingswerk der | |
Vereinten Nationen (UNHCR) hat wiederholt vor Betrugsfällen im Zusammenhang | |
mit der Umsiedlung gewarnt. In einer öffentlichen Mitteilung forderte deren | |
lokales Büro Vertriebene auf, jegliche Korrespondenz zu überprüfen – und | |
Personen oder Organisationen zu meiden, die Zahlungen für Einwanderungs- | |
oder Schutzleistungen verlangen. | |
18 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Najm Aldain Qasem | |
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