| # taz.de -- Zum Tod von Connie Francis: Zeilen, die im Gedächtnis bleiben | |
| > Connie Francis prägte zwischen 1960 und 1964 die damalige Jugendkultur. | |
| > Nun ist sie im Alter von 87 Jahren gestorben. Ein Nachruf. | |
| Bild: US-Schlagersängerin Connie Francis | |
| Ihre Stimme, kurz: ihre Vibes, zählen zu den signature voices ihrer Zeit. | |
| Hell, ohne ins Klirrende zu verfallen, wie ein Schmelz und Quietsch, der | |
| sich aus freundlichen, die Liebe und das Sehnen signalisierenden Noten | |
| nährt, kein Schmier, eher schwebend in ihren Liedern: Connie Francis war | |
| zwischen 1960 und 1964 die Königin der Juke Boxes, jener Singles | |
| abspielenden Geräte, die damals in Kneipen, Bars und Cafés überall | |
| herumstanden. | |
| Francis, Tochter einer italienischstämmigen Arbeiterfamilie, geboren in | |
| Newark gegenüber von New York City, war in ihrem Land früh schon vom Vater | |
| auf künstlerische Spuren geschickt worden, sie gab später gern zu, dass ihr | |
| das sehr gut gefiel. Eine Karriere über Kinderfeste und Altenheimauftritte | |
| schien nicht in Sicht, bis sie einen Klassiker in modernerem Gewand ins | |
| Mikrofon brachte: „Who’s sorry now“, eine ergreifende Schnulze, wie man im | |
| Deutschen sagen würde, ein Engtanzlied passgenau für körpersuchende | |
| Jugendliche und erste Berührungen vor dem Äußersten. | |
| Connie Francis landete damit einen Smash Hit, ihre schließlich globale | |
| Karriere war ihr selbst zunächst ganz unwahrscheinlich. Sie markerte für | |
| die noch junge Schallplattenindustrie etliche [1][Schlager] (wie es im | |
| Deutschen gern mit mokant stimmender Bedeutung heißt), es war Pop im | |
| reinsten Sinne. Eine Sängerin, die ihren Stil gefunden hatte, keine | |
| Kopistin von Vorbildern – und das machte sie zur Ikone ihrer Zeit, für | |
| Mädchen und Jungs gleichermaßen. [2][„Stupid Cupid“], [3][„Lipstick on … | |
| Collar“], [4][„Where the Boys are“] und „Everybody’s Somebody’s Foo… | |
| dem das Management Francis’ für den bundesdeutschen Markt [5][„Die Liebe | |
| ist ein seltsames Spiel“] strickte: ein Heuler in jeder Musikbox. | |
| Lieder werden zu Pop, wenn, und seien es nur Fragmente, einzelne Zeilen | |
| eines Textes hängenbleiben und im Gedächtnis bleiben: „Die Liebe ist ein | |
| seltsames Spiel / Sie kommt und geht von einem zum anderen / Sie nimmt uns | |
| alles, doch sie gibt auch viel zuviel …“ Nicht, dass Francis davon auch nur | |
| einen Satz verstanden hätte, so wenig wie sie andere ihrer nichtenglischen | |
| Versionen verstanden hätte, aber darauf kam es nicht an: In Deutschland | |
| verkaufte dieses Lied mehrere Hunderttausend Singles. | |
| Connie Francis war noch kein Teil der später erwachsenden [6][Jugendkultur] | |
| - aber sie lieferte den Stoff, der besonders proletarischen Jugendlichen | |
| gefiel, besonders oft in Form von langsamen Stücken: „Barcarole in der | |
| Nacht“ oder, ihr zweiter fetter Hit hierzulande „Schöner fremder Mann“, | |
| auch dies ein Popjuwel, das die Sehnsucht und das Begehren nicht nur | |
| darzustellen scheint, sondern wie echt wirkt. | |
| 1964, als tatsächlich die sog. Jugendkultur (mit den Beatles zuvörderst, | |
| mit den nötigen Distanzen zu allem, wofür die USA nach 1945 kulturell | |
| standen) Macht gewann, war Francis' goldene Zeit passé, wie üblich in der | |
| Popindustrie nach wenigen Jahren. Ihr Ruhm war gleichwohl gut fundiert, sie | |
| konnte in den USA die gagenstärksten Bühnen bespielen, auch in Las Vegas | |
| oder in New Yorker Clubs war sie willkommen, in Italien, in Japan, in | |
| Deutschland sowieso. | |
| In den siebziger Jahren wurde sie Opfer einer Vergewaltigung nach Ende | |
| eines Konzerts, erst Jahre später konnte sie vom Veranstalter des Abends | |
| eine Schmerzensgeldsumme erstreiten, weil dieser nicht für ihre Sicherheit | |
| zu sorgen wusste. Viermal war sie verheiratet, nur der Dritte, so sagte sie | |
| einmal, habe sich die Mühe gelohnt. Populär blieb sie unter den Hörenden | |
| der 68er-Jahre und der Zeit danach nicht: [7][Connie Francis unterstützte] | |
| 1968 den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Richard Nixon – ein | |
| No-Go für alle, die damals gegen den Vietnamkrieg demonstrierten und ein | |
| anderes „Amerika“ wollten. | |
| Am Dienstag ist sie im Alter von 87 Jahren, möglicherweise an den Folgen | |
| eines Sturzes, bei dem sie sich einen Beckenbruch zuzog, gestorben. Sie | |
| hatte, so lässt sich ihr Leben zeichnen, keine große Chance, aber die | |
| nutzte sie. Sie war eine Große. | |
| 18 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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