| # taz.de -- Fußballerin über Kicken mit Männern: „Dann zeige ich's euch ma… | |
| > Ein Pilotprojekt ermöglicht Frauen das Spielen in unterklassigen | |
| > Männerteams. Die Fußballerin Julia Losert über positive Erfahrungen und | |
| > verletzte Männerseelen. | |
| Bild: Gut aufgehoben: Julia Losert im Kreis ihrer Mannschaftskameraden vom SV G… | |
| taz: Frau Losert, Sie haben 56 Zweitligaspiele für Schott Mainz und den FFC | |
| Frankfurt bestritten, waren Nationalspielerin bei den Juniorinnen. Jetzt | |
| spielen Sie in der Kreisliga B mit den Männern vom [1][SV Geinsheim]. Wie | |
| sind Sie denn da gelandet? | |
| Julia Losert: Vor einigen Jahren habe ich mit Fußball aufgehört, weil ich | |
| berufsbegleitend einen Fachwirt gemacht habe. Ich habe Vollzeit gearbeitet, | |
| hatte noch dreimal die Woche Abendschule und habe es dann zeitlich nicht | |
| mehr geschafft im Leistungsbereich. | |
| taz: Was Sie schildern, ist ja sehr typisch: Viele Zweitligaspielerinnen | |
| können nicht dauerhaft so viel Aufwand für so wenig Geld leisten. | |
| Losert: Bei den meisten Zweitligisten trainiert man eigentlich zu | |
| professionellen Konditionen. Fünfmal die Woche, teils zwei Einheiten am | |
| Tag. Mit Vollzeitjob ist das unmöglich. Und das Geld ist ein | |
| Nebenverdienst, zum Teil reicht es nicht mal für Sprit. | |
| taz: Wie sind Sie dann zu den Männern gekommen? | |
| Losert: Irgendwann bin ich mit Arnold Schäfer ins Gespräch gekommen, der | |
| Trainer beim Kreisligisten [2][Alemannia Groß-Rohrheim] war, und der | |
| meinte: Komm doch mal zu uns, einfach Training just for fun. [3][Dann gab | |
| es dieses Pilotprojekt,] das es Frauen erlaubt, in Hessen in der Kreisliga | |
| bei den Männern zu spielen. Ich habe zu dem Zeitpunkt echt überlegt, noch | |
| mal in der zweiten Liga bei den Frauen anzufangen. Aber dann habe ich mich | |
| für den Herrenbereich entschieden, und es hat sehr gut geklappt. Ich habe | |
| eine Saison in Groß-Rohrheim gespielt und jetzt zwei in Geinsheim. | |
| taz: Wie haben die Männer auf Sie reagiert? | |
| Losert: Ich habe von Anfang an gesagt: Ich mache das nur unter der | |
| Bedingung, dass die Mannschaft auch dahintersteht. Mein Trainer ist mit den | |
| Jungs ins Gespräch gegangen, und die haben alle sofort Ja gesagt. | |
| taz: Viel Infrastruktur an der Basis ist eigentlich nicht auf mixed | |
| ausgerichtet. Wie regeln Sie Umziehen und Duschen? | |
| Losert: Der Verein muss beim Pilotprojekt eine separate Kabine zur | |
| Verfügung stellen. Kleinere Vereine haben diese Kapazitäten nicht immer, | |
| aber dann habe ich bei den meisten Gegnern die Schirikabine genutzt. Und | |
| falls nichts da war, bin ich halt als Erste duschen gegangen, und die | |
| Männer haben gewartet. Das war kein Thema. | |
| taz: Die Stimmung im eigenen Team haben Sie als sehr aufgeschlossen erlebt, | |
| bei den Gegnern allerdings nicht. Was passiert da? | |
| Losert: Im tiefklassigen Fußball werden generell oft wirklich Grenzen | |
| überschritten. Da müsste der Hessische Fußballverband viel mehr | |
| Konsequenzen ziehen. Und für viele Männer ist es noch mal ein erheblicher | |
| Unterschied, wenn sie gegen eine Frau ein Duell verlieren. Für die ist es | |
| unheimlich schwierig, das anzuerkennen. Ich tue das hier auch zum Teil, um | |
| einen positiven Blick auf den Frauenfußball zu schaffen. Auf dem Dorf gibt | |
| es immer noch diese typischen Klischees, und mir ist es wichtig, durch | |
| meine Präsenz zu zeigen: Hey, wir Frauen, wir spielen unheimlich guten | |
| Fußball. Und wir spielen die gleiche Sportart. | |
| taz: Und Männer können das nicht akzeptieren? | |
| Losert: Viele Männer sehen mich in dem Moment als Konkurrenz. Dann fallen | |
| Sätze, wo ich sage: Das geht nicht, und das muss Konsequenzen haben. „Du | |
| Scheißfotze“ oder „Jetzt tritt die Schlampe endlich mal um“. Teilweise a… | |
| Drohungen: „Ich breche dir jetzt die Knochen.“ Das hat auf dem Fußballplatz | |
| nichts zu suchen. | |
| taz: Wie gehen Sie damit um? | |
| Losert: Anfangs habe ich mich tierisch darüber aufgeregt, ich war sehr | |
| wütend und enttäuscht, dass ich mir so was gefallen lassen muss. Aber was | |
| mich unheimlich stolz gemacht hat, ist, dass meine Mannschaft komplett | |
| hinter mir steht, und dann ganz klar sagt, bis hierhin und nicht weiter. | |
| Ich habe mittlerweile auch gelernt, viele Dinge zu ignorieren und diese | |
| Anfeindungen zu nutzen, um noch mehr Ehrgeiz auf den Platz zu bringen. Es | |
| bestärkt mich darin, dass der Weg, den ich gegangen bin, der richtige ist, | |
| weil es noch so viele Vorurteile gibt. Ich denke mir: Dann zeige ich es | |
| euch mal. | |
| taz: War Ihren Teamkameraden bewusst, welche krassen Anfeindungen Frauen | |
| auf dem Platz erleben? | |
| Losert: Tatsächlich ist das vielen Jungs nicht so bewusst gewesen. Die | |
| haben dann gesagt: Julia, das haben wir auf dem Spielfeld gar nicht so | |
| wahrgenommen. Und hätten wir das wahrgenommen, dann wären wir dagegen | |
| vorgegangen. Aber es geht auch nicht nur gegen mich. Wenn rassistische | |
| Anfeindungen gegenüber meinen Mitspielern fallen, bin ich genauso da und | |
| sage: Leute, mal ganz ehrlich, wenn ihr Grenzen nicht einhalten könnt, dann | |
| geht doch bitte einfach. Als Team schweißen dich solche Erfahrungen noch | |
| mehr zusammen. | |
| taz: Sie haben eben kritisiert, dass der Hessische Fußballverband zu wenig | |
| tue. Haben Sie die Vorfälle gemeldet? | |
| Losert: Nein. Ich denke, weil generell in den tieferen Klassen so viel | |
| Hetze passiert. Auch gegenüber Mitspielern, Schiris, Zuschauern. Vielleicht | |
| wollten wir auch mich und den Verein schützen. | |
| taz: Aber wenn es Konsequenzen haben soll, müssten Sie es doch melden. | |
| Losert: Ja, vielleicht wäre es der richtige Weg gewesen. Und die | |
| Schiedsrichter müssten es eigentlich auch melden. Teils haben sie es aber | |
| auch nicht mitbekommen. | |
| taz: Wie realistisch ist es, dass Sie Vorbild sind für Frauen, diesen Weg | |
| zu gehen, angesichts von allem, was Sie schildern? | |
| Losert: Ich möchte ein Vorbild für andere Frauen und den gesamten Fußball | |
| sein. Ich möchte Frauen, Mädchen und auch kleine Jungs für diese Sportart | |
| begeistern und ermutigen. Aber auch zeigen, dass es möglich ist, Frauen in | |
| Herrenmannschaften zu integrieren. Dieses Pilotprojekt ist eine riesige | |
| Möglichkeit gerade für Vereine im tiefklassigen Bereich, überhaupt noch | |
| eine Mannschaft stellen zu können. Für mich ist es auch super, mit alten | |
| Freunden zusammenzuspielen, mit meinem Bruder habe ich auch gespielt. Wenn | |
| Frauen und Männer zusammenspielen, hat es eine andere Wirkung. Die Jungs | |
| lernen von mir, hören auf mich, wir respektieren uns. Wir haben am Ende | |
| alle ein- und dieselbe Leidenschaft. | |
| taz: Braucht es dann mehr gezielte Mixed-Projekte, vielleicht mit | |
| 50:50-Quote? | |
| Losert: Früher oder später wird es im tiefklassigen Bereich darauf | |
| hinauslaufen. Ohne 50:50-Projekte wird es dort irgendwann keine Teams mehr | |
| geben. Ein erheblicher Unterschied ist die Physis, allein deswegen muss man | |
| auf ein Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen auf dem Platz achten. Und | |
| wenn bei den Herren sonntags zu wenig Spieler da sind, warum sollen nicht | |
| generell zwei Frauen aus dem Frauenteam rüber, damit man spielfähig bleibt? | |
| taz: Führt das aber nicht dazu, dass der Männerfußball zu den reinen | |
| Frauenteams in Konkurrenz tritt, wenn ambitionierte Frauen wie Sie lieber | |
| bei den Männern spielen? | |
| Losert: Ich glaube, die Frauen, die Potenzial haben, höherklassig zu | |
| spielen, sind eher darauf fokussiert, im Frauenbereich Fuß zu fassen, weil | |
| sich da gerade unheimlich viel entwickelt, auch mit den neuen | |
| Leistungszentren. Für mich ist es mit 33 Jahren einfach eine schöne | |
| Möglichkeit. Ich sehe da keine Gefahr. | |
| taz: Wäre für Sie ein reines Frauenteam auch eine Option? | |
| Losert: Das wird es irgendwann wieder sein, wenn ich merke, dass ich es | |
| körperlich nicht mehr im Herrenbereich schaffe. Ich würde gern noch ein, | |
| zwei Jahre bei den Männern spielen. Das Projekt geht ja noch bis 2026. Ich | |
| habe aber vor dem Sommer auch lange nachgedacht, ob ich nicht doch noch mal | |
| zu Mainz 05 in die zweite Liga wechsle. Dann wäre ich zu 80 Prozent | |
| Fußballerin. Als 33-Jährige ist mir das zu viel Aufwand. Beruflich bin ich | |
| Erzieherin, vielleicht wäre in den nächsten Jahren ein Weg als Trainerin | |
| auch etwas für mich. | |
| taz: Wird der Erfolg des deutschen Teams bei der EM Effekte auf den | |
| niedrigklassigen Fußball haben? | |
| Losert: Auf jeden Fall. Weil die Frauen einen richtig schönen, dynamischen, | |
| athletischen Fußball spielen. Gerade in Deutschland wird es nach der EM | |
| viele Mädchen geben, die in den Verein wollen. | |
| taz: Reichen denn die Strukturen, um den Zulauf aufzunehmen? | |
| Losert: Zum Teil gibt es zu wenig Vereine für zu viele Mädels. Aber da sind | |
| wir ja wieder beim Thema. Auch reine Männervereine sollten den Mädels die | |
| Möglichkeit geben, erst mal Fuß zu fassen. Wenn es zu viel Nachfrage und zu | |
| wenige Angebot gibt, verlieren viele das Interesse. Gerade im Jugendbereich | |
| ist es doch gut, wenn die Mädels mit ihren Freunden kicken. Ich habe es bis | |
| zur C-Jugend gemacht und sehe da kein Problem. | |
| taz: Kennen Sie noch jemanden persönlich aus dem [4][DFB-Team]? | |
| Losert: Mittlerweile ist es ja ein sehr verjüngter Kader. Aber mit Kathi | |
| Hendrich war ich früher im Kader. Laura Freigang kommt aus Oppenheim, mit | |
| der habe ich noch bei Schott Mainz gespielt. Und gegen Giulia Gwinn und Lea | |
| Schüller habe ich gespielt, als sie frisch rausgekommen sind bei Freiburg. | |
| taz: Haben Sie zum Halbfinaleinzug gratuliert? | |
| Losert: Kathi Hendrich oder Laura Freigang schreibe ich Glückwünsche über | |
| Instagram. Ich habe keinen regelmäßigen Kontakt. Aber wenn ich was | |
| Positives sehe, dann kriegen sie einen Text. | |
| 26 Jul 2025 | |
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| Alina Schwermer | |
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