# taz.de -- Psychische Ambulanz für Straftäter: Niedersachsens Forsensikausba… | |
> Niedersachsens Justiz baut eine Forensische Ambulanz für Sexual- und | |
> Gewaltstraftäter auf, um eine Versorgungslücke zu schließen. | |
Bild: Will mehr Plätze für therapiebedürftige Sexualstraftäter:innen schaff… | |
Oldenburg taz | Als eines der letzten Bundesländer richtet Niedersachsen ab | |
Herbst eine Forensische Ambulanz zur Behandlung von Gewalt- und | |
Sexualstraftäter:innen ein. Diese Ambulanz soll eine Lücke | |
schließen: Gerichte verpflichten Sexual- und Gewaltstraftäter häufig zu | |
einer Therapie als Bewährungsauflage. Aber bis heute können mehr als die | |
Hälfte aller aus der Haft entlassenen Täter:innen nicht therapiert | |
werden, weil es keine entsprechenden Angebote gibt. | |
Der [1][Ambulante Justizsozialdienst des Landes Niedersachsen (AJSD)] hat | |
nun mit dem Aufbau der Forensischen Ambulanz (FORA) begonnen. In der FORA | |
sollen therapiebedürftige Gewalt- und Sexualstraftäter:innen nach der | |
Haft begleitet werden, um die Rückfallquote zu senken und weitere | |
Straftaten zu verhindern. | |
Laut Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD), die beim | |
Eröffnungsfestakt für die FORA im Alten Landtag in Oldenburg dabei war, sei | |
das neue Angebot nötig. Denn die Zahl der therapiebedürftigen Gewalt- und | |
Sexualstraftäter:innen steige schon lange konstant an. | |
Der Maßregelvollzug, der für die [2][Unterbringung von psychisch- und | |
suchtkranken] Straffälligen zuständig ist, stoße seit Jahren an seine | |
Grenzen. Daher können nicht bei jeder Haftentlassung gewährleistet werden, | |
dass die entlassenen Personen nicht wieder eine Tat begehen. Zahlen dazu | |
konnte das Justizministerium auf Nachfrage nicht liefern. Diese werden | |
nicht statistisch erfasst, so eine Sprecherin. | |
## Über die Hälfte hat keinen Therapieplatz | |
Der Ambulante Justizsozialdienst ist für die Betreuung von Menschen | |
zuständig, die straffällig geworden sind und zurück in den Alltag finden | |
sollen. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Bewährungshilfe und für den | |
Täter-Opfer-Ausgleich zu sorgen. Aber rund 56 Prozent der entlassenen | |
Täter:innen konnte kein Therapieplatz angeboten werden. Zum Teil noch | |
nicht einmal, wenn dieser gerichtlich angeordnet wurde. | |
Unter den zu therapierenden Täter:innen befinden sich Personen, die | |
schwerste [3][Gewaltverbrechen wie Morde] und Vergewaltigungen begangen | |
haben, sowie Pädophile und Menschen, die wegen Besitz von | |
Kinderpornographie verurteilt wurden. | |
Bis jetzt wurden die Therapieplätze dezentral von niedergelassenen Praxen | |
und forensischen Kliniken bereitgestellt. Diese konnten den Bedarf aber | |
nicht abdecken. Die FORA soll dieses Angebot nun ergänzen und vier weitere | |
Psycholog:innen in Hannover und Oldenburg bereitstellen. Sie sollen das | |
bestehende Angebot jedoch nicht ersetzen, sondern ergänzen. Die benötigten | |
Finanzmittel dazu werden vom Land Niedersachsen bereitgestellt. | |
Das Anmeldeverfahren für die Therapieplätze soll im September starten und | |
die ersten Therapien können frühestens im November beginnen. Diesen Prozess | |
würde man sich gerne noch schneller Wünschen, so die Justizministerin. | |
Der Aufbau der FORA in Niedersachsen kommt spät: Mit Ausnahme des | |
Saarlandes ist Niedersachsen das letzte Bundesland gewesen, welches keine | |
vergleichbare Einrichtung unterhält. „Sehr lange hat es gedauert“, sagt der | |
zukünftige Leiter der Ambulanz, Rainer Meyer-Kelling. | |
Konkret gibt es derzeitig rund 250 Fälle in denen sich Personen durch | |
gerichtliche Weisung einer therapeutischen Behandlung unterziehen müssen. | |
Um diesen Bedarf zu decken, müssten um die 100 neue Therapieplätze | |
geschaffen werden. Mit der Eröffnung der FORA werden 60 Plätze geschaffen, | |
[4][so der NDR]. Der Mangel wird also nur verringert und nicht beseitigt. | |
## Weitere Standorte sind gepant | |
Zukünftig sollen noch weitere Standorte in Niedersachsen eröffnet werden, | |
um auch den ländlichen Raum abdecken zu können. Wo die neuen Standorte sein | |
werden, ist noch nicht klar. Nach der Aufnahme der ersten Klient:innen | |
im Herbst soll das Angebot auf Basis der ersten Erfahrungen angepasst | |
werden, heißt es vom Justizministerium. | |
Ein Grund für die hohe Nachfrage an Therapieplätzen ist, dass Suchtprobleme | |
im Maßregelvollzug oftmals nicht abschließend behandelt werden können. Laut | |
Rainer Meyer-Kelling, ist die [5][weite Verbreitung und einfache | |
Beschaffung von synthetischen Drogen] einer der Hauptgründe, der in den | |
letzten Jahren dazu geführt hat, dass viele Sexual- und | |
Gewaltstraftäter:innen nach der Verbüßung ihrer Strafe wieder Taten | |
begehen. | |
Laut der Opferhilfsorganisation Weißer Ring ist es nicht hinnehmbar, dass | |
über die Hälfte der Haftentlassenen nicht therapiert werden können. „Wenn | |
solche Menschen einen verpflichtenden Therapieplatz wahrnehmen können“, so | |
ein Sprecher des Weißen Rings, „müssten sich Opfer und Hinterbliebene | |
weniger Sorgen machen müssen.“ | |
24 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://ajsd.niedersachsen.de/startseite/ | |
[2] /Gewalt-und-psychische-Krankheiten/!6093945 | |
[3] /Anschlag-auf-Magdeburger-Weihnachsmarkt-/!6108293 | |
[4] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/neues-angebot-soll-therapiepla… | |
[5] /Fentanyl-in-Berlin/!6080164 | |
## AUTOREN | |
Krischan Meyer | |
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