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# taz.de -- Skandal um Sevillas Marienstatue: Die entstellte Jungfrau
> Die Macarena ist Spaniens bekannteste Kirchenstatue. Ihre Renovierung hat
> sie entstellt. Man habe ihr das Leben genommen, meinen selbst Ungläubige.
Bild: Die Statue der Macarena vor ihrer Restaurierung
Madrid taz | Endlich ist sie in guten Händen. Am Mittwoch wurde die wohl
bekannteste Kirchenstatue Spaniens, die María Santísima de la Esperanza
Macarena Coronada aus [1][Sevilla], an das Andalusische Institut für
Historisches Erbe überstellt. Hinter ihr liegen zwei Wochen voller
Unsicherheit, Pfusch und Skandalen.
Alles begann am 21. Juni mit einer Ankündigung der Bruderschaft der
Macarena, dem 17.000 Mitglieder zählenden Verein, der die [2][Prozessionen
am Karfreitag] organisiert, bei der die Heilige Jungfrau, Jahr für Jahr
unter den Augen von Zehntausenden Gläubigen durch die Straßen der
andalusischen Stadt getragen wird. Stolz erklärte die Bruderschaft in einem
Kommuniqué, dass die Statue nach drei-tägiger „Konservierungsarbeiten“
wieder in ihrer Kirche am Hochaltar zur Schau gestellt werde. Die
Erwartungen waren groß.
Und dann das: Die Gläubigen staunten nicht schlecht, als sie das Ergebnis
des Eingriffes sahen. Der Teint war deutlich aufgehellt, die Augen
strahlten, wie nie zuvor. Statt mit Trauer im Gesicht wirkte die
Muttergottes trotz Tränen unter den Augen fast schon heiter. Riesige
Wimpern ließen sie ausschauen, als habe sie sich für einen Diskothekbesuch
aufgebrezelt. Die Bilder gingen wie ein Lauffeuer durch die Netzwerke. Der
Aufschrei ließ nicht auf sich warten.
„Als ich die Fotos sah, glaubte ich, es handle sich um einen mit
Künstlicher Intelligenz hergestellter Spaß“, war auf dem
Kurznachrichtendienst X zu lesen. Von Pfusch, Ungeheuerlichkeit und
Zumutung war die Rede. „Guapa, guapa y guapa“ – „hübsch, hübsch und h…
rufen sie ihr auf der Prozession zu, aber das, was der Restaurator gemacht
hatte, war dann doch zu viel.
Es ist ein Skandal für die frommen und auch nicht so frommen Anhänger der
Macarena – einer Figur, die nicht nur für den Glauben steht, sondern für
auch Regionalpatriotismus und Verbundenheit zu Sevilla. „Die Bruderschaft
versteht und teilt die Sorgen der Brüder und der Gläubigen. Deshalb hat sie
mit Sorgfalt und von technischem Kriterien geleitet gehandelt, um die nicht
gewollten ästhetischen Beeinträchtigungen zu beheben“, entschuldigte sich
die Bruderschaft in einem Kommuniqué und schickte die Marienstatue –
förmlich über Nacht – zu zwei weitere Schnelleingriffe in der Werkstatt.
Kurz darauf wurde sie mit kürzeren Wimpern wieder ausgestellt.
Die kritischen Stimmen jedoch brachten auch diese Notoperationen nicht zum
Verstummen. Ganz im Gegenteil: „Sie sagen, das alles wegen ein paar
Wimpern. Nein, es liegt nicht an einem Paar Wimpern, sondern an dem Blick,
in dem die Gebete deiner Eltern, deine intimsten Erinnerungen, deine
Gefühle und deine Kindheit ruhen“, erklärt die Charo Padilla, Journalistin
und einzige Frau, die bisher die Eröffnungsrede zur Karwoche in Sevilla
gehalten hat, was viele in Sevilla beim Anblick der Macarena empfinden.
## Spontane Kundgebung
„Sie haben das beschädigt, was wir am meisten lieben. Jetzt müssen wir mehr
denn je diese Liebe zeigen und verlangen, dass sie Verantwortung
übernehmen“, wurde in den sozialen Medien zu einer spontanen Kundgebung vor
der Kirche aufgerufen wurde. Hunderte fanden sich ein und verlangten den
Rücktritt des Vorstandes der Bruderschaft.
Die Statue der Macarena ist eine Schnitzerei aus dem 17. Jahrhundert
unbekannter Herkunft. Sie wurde 1964 kanonisch gekrönt und in Anwesenheit
des spanischen Diktators, des „Generalissimus“ Francisco Franco, seiner
Frau und Tochter dort in im Hauptaltar aufgestellt, wo sie sich bis heute
befindet. Es war eines der letzten zeremoniellen Großereignisse des
spanischen Nationalkatholizismus der Francozeit. 1971 verlieh ihr der
franquistische Bürgermeister der Stadt, Juan Fernández Rodríguez, die
Goldmedaille von Sevilla, und 2024 ehrte sie Papst Franziskus.
„Ein Eingriff an der Jungfrau Macarena vorzunehmen, ist wie ein Eingriff am
Wesen Sevillas“, erklärt María Fidalgo, Doktorin der Kunstgeschichte an der
Universität Sevilla und Mitglied der Andalusischen Akademie für Geschichte
gegenüber der spanischen Presse. „Sie haben ihr Gesicht völlig verändert�…
fügt sie hinzu. „Der Vorsitzende der Bruderschaft muss Harakiri begehen und
zurücktreten“, urteilt die Wissenschaftlerin. Doch dieser harrt aus. Nur
der für die Bewahrung des kulturellen Erbes zuständige Bruder hängte bisher
Soutane und Spitzhut an den Nagel.
Das, was die Bruderschaft „Konservierung und Instandhaltung nennt, begann
im Mai 2024. Damals beauftragte der Verein den 85-jährigen Professor
Francisco Arquillo Torres, der in jüngeren Jahren wichtige Kunstwerke
bekannter spanischer Maler wie Goya und Picasso restaurierte mit einer
Studie über den Zustand ihrer der Macarena. Er kündigte die Entfernung
eines Flecks auf dem Gewand der Heiligen Jungfrau sowie Reinigungsarbeiten
an Gesicht und Händen, an. Und genau hier liegt für die Fachwelt das
Problem.
„Die Reinigung des polychromen Anstrichs ist viel mehr als nur eine
Konservierung“, kritisiert Pedro Manzano die Arbeiten an der Staue. „Wenn
man ein Bild reinigt, ist das gleichzeitig auch Restaurierung, und das
erfordert mehr als eine Woche Arbeit“, fügt der Spezialist für
Konservierung und Restaurierung von Kirchenkunst hinzu. Wie die meisten
seiner Kollegen kann er nicht verstehen, wie so etwas in drei Tagen gemacht
wird. Normal seien für solche Arbeiten Monate.
Dazu hätte eine ausführliche Untersuchung vorgenommen werden müsse. Es
bedarf außerdem einer Genehmigung durch die Denkmalbehörde und das
Erzbistum sowie die Bildung eines technischen Fachausschusses zur
Überwachung des gesamten Restaurierungsprozesses. Genau das steht jetzt
wohl bevor. Nach einer ersten Untersuchung im Andalusischen Institut für
Historisches Erbe ist die María Santísima de la Esperanza Macarena Coronada
wieder zurück in ihrer Kirche und wartet dort auf eine endgültige
langwierige – und hoffentlich bessere – Restaurierung. Der Statue stehen
bewegte Zeiten bevor.
4 Jul 2025
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## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Katholische Kirche
Spanien
Spanien
Stierkampf
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