# taz.de -- Frauenmord vor Berliner Gericht: Für die Anklage nur Routine | |
> Nach einem mutmaßlichen Femizid wollen Staatswanwaltschaft und | |
> Verteidigung sich über das Strafmaß einigen. Von patriarchaler Gewalt ist | |
> keine Rede. | |
Bild: Nach dem Projekt „Zapatos Rojos“ der Künstlerin Chauvet, sind rote S… | |
BERLIN taz | Die Zuschauerbänke sind spärlich gefüllt, als im Berliner | |
Landgericht die Verhandlung über einen mutmaßlichen Femizid, der sich im | |
Oktober letzten Jahres in Köpenick ereignete, startet. Am Dienstag ist der | |
Prozessauftakt gegen einen 33-jährigen Mann, der seine Partnerin mit einer | |
Eisenstange erschlagen haben soll. Erst 9 Tage später fand man ihre Leiche, | |
vergraben in einem Sandhaufen in der Nähe des Güterbahnhofs Köpenick. Dort | |
soll das obdachlose Paar in einem gemeinsamen Wohnverschlag gelebt haben, | |
in dem sich die Tat ereignete. | |
Der Täter, der im Anschluss der Tat nach Rumänien floh, wurde dort mittels | |
eines internationalen Haftbefehls festgenommen. Der Vater des Mannes hatte | |
sich mit einem Hinweis an die Polizei gewandt. Die Behörden überstellten | |
ihn zurück nach Deutschland, seit dem 9. November 2024 sitzt der Mann in | |
Untersuchungshaft in Moabit. | |
Die Initiative „Femizide stoppen“, die Morde an Frauen aufgrund ihres | |
Geschlechts deutschlandweit dokumentiert, listet die Tötung der Frau in | |
Köpenick als 81. Femizid im Jahr 2024. Sie weist auf die [1][strukturelle | |
Dimension von Frauenmorden] hin und sieht Femizide nicht als Einzelfälle, | |
sondern als Spitze von patriarchaler Gewalt gegen Frauen. Allein in diesem | |
Jahr zählt die Initiative bereits 44 Morde an Frauen, weil sie Frauen | |
waren. | |
Die Staatsanwaltschaft sieht das im Falle der getöteten Frau in Köpenick | |
offenbar anders. Sie erhebt Anklage wegen „Tötung, ohne Mörder zu sein“. | |
Eine Nebenklage, die etwas anderes einwenden könnte, gibt es nicht, auch | |
keine geladenen Zeug:innen. | |
## Keine Lobby vor Gericht | |
„Man sieht bei dieser Prozesseröffnung deutlich, dass bei Femiziden oft | |
intersektionale Benachteiligungen zusammen kommen“, sagt Delia vom Netzwerk | |
gegen Femizide, die den Prozessauftakt mitverfolgt. „Die Frau wurde aus | |
patriarchalen Gründen getötet. Nun kommt dazu, dass sie aufgrund ihrer | |
prekären Situation vermutlich weder vor noch nach ihrem Tod ein soziales | |
Netz hatte, dass den Prozess begleiten und für Gerechtigkeit kämpfen | |
könnte.“ | |
Die Rechtsprechung verkenne die patriarchale Dimension von Frauenmorde in | |
den meisten Fällen und verwische die geschlechtsspezifische Gewalt unter | |
dem Totschlag-Delikt, so Delia. | |
## Kein Ende in Sicht | |
Das Netzwerk gegen Femizide hat bereits mehrere Prozesse begleitet, in | |
denen Frauenmorde verhandelt wurden. Meistens kämen Angehörige oder | |
Freund:innen der getöteten Frauen auf das Netzwerk zu, weil sie keine | |
andere Stelle fänden, an die sie sich wenden könnten, erzählt Delia. | |
Im Fall der getöteten Frau in Köpenick gibt es dieses Umfeld offenbar | |
nicht. Delia ist trotzdem da, damit ihr Fall nicht unsichtbar ist. | |
Angesichts der schieren Zahl an Femiziden ist eine solche Prozessbegleitung | |
für das Netzwerk aber nur für einen Bruchteil der Fälle möglich: „Wir sind | |
ein Lückenfüller, und wir werden mit unserer Arbeit nie fertig. Wer soll | |
diese Menge an Prozessen begleiten?“ | |
Die Strafverteidigung und die Staatsanwaltschaft einigen sich in der kurzen | |
Eröffnungssitzung darauf, einen „Verständigungsvorschlag“ zu erarbeiten, … | |
den Prozess einvernehmlich zu beenden. Dazu gehört üblicherweise eine | |
Einigung über das Strafmaß, wenn der Angeklagte bestimmte Bedingungen | |
erfüllt. Die Verteidigung pocht auf die Berücksichtigung einer verminderten | |
Schuldfähigkeit des Täters. Routinetermin abgehakt. | |
25 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Femizide-in-Berlin/!6079238 | |
## AUTOREN | |
Lea Kleinsorge | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Femizide | |
Patriarchat | |
Schwerpunkt Iran | |
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
Schwerpunkt Femizide | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Familie und Flüchtlingsrat protestieren: Abschiebung in den Femizid? | |
Bayern will am Mittwoch eine 67-Jährige in den Iran abschieben. Dabei | |
wartet dort ihr Ex-Mann, der ihr nach Familienangaben mit dem Tod droht. | |
Gewalt gegen Frauen: Von der Witch zur Bitch | |
Die Hexenverfolgung ist in Europa vorbei, doch der Hass auf selbstbestimmte | |
Flinta* ist geblieben. Sie kämpfen durch emanzipatorische Aneignung zurück. | |
Femizide in Berlin: Aufschrei der Initiativen | |
Antigewaltprojekte gedenken einer getöteten Frau in Spandau. Ab jetzt | |
wollen sie nach jedem Femizid rote Schuhe vor die jeweiligen Rathäuser | |
tragen. |