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# taz.de -- Kommentar zur Altersarmut in Deutschland: Es trifft vor allem alte …
> Es gibt eine simple Lösung für die Rentenfrage: Die Jungen müssen mehr
> zahlen und die Alten müssen länger arbeiten. Doch die Politik traut sich
> nicht.
Bild: Ein alltägliches Bild: Senior*innen sind im Alter mitunter auf das Pfand…
[1][taz FUTURZWEI] | Immer weniger Junge und zugleich immer mehr Alte
müssen gemeinsam den sozialen Zusammenhalt zwischen den Generationen leben,
strukturieren, organisieren und vor allem auch finanzieren. Diese
ungünstige Verteilung gilt bis etwa 2070 und daran ist nichts zu ändern. Im
Gegenteil.
Allein um die gegenwärtige Verteilung zwischen den Generationen wenigstens
zu stabilisieren, müsste jede Frau ab sofort 2,1 Kinder bekommen.
Tatsächlich aber sinkt die Geburtenrate immer weiter, aus nachvollziehbaren
Gründen. Heute beträgt sie 1,35 Kinder pro Frau.
Heute zahlen alle Erwerbstätigen für diese Aufgaben 41,9 Prozent von ihrem
Bruttoeinkommen. Der Betrag setzt sich aus 14,5 Prozent für die
Krankenversicherung, 3,6 Prozent für die Pflegeversicherung, 18,6 Prozent
für die Rentenversicherung und 12,6 Prozent für die
Arbeitslosenversicherung zusammen.
Wenn das aktuelle Niveau der Versorgung gehalten werden soll, muss der
Betrag kontinuierlich auf etwa 50 Prozent vom Bruttoentgelt ansteigen.
Schon heute reichen die Sozialbeiträge zur Finanzierung aller
[2][Sozialleistungen] nicht aus. Damit deren Versorgungsanspruch erfüllt
werden kann, sind Zuschüsse aus dem allgemeinen Haushalt des Bundes und der
Länder zwingend.
So kommen etwa 135 Milliarden Euro für die Renten und jeweils 14,5
Milliarden für die Kranken- beziehungsweise die Pflegeversicherung aus dem
Bundeshaushalt aus den Steuern aller Bürger noch obendrauf.
## Renten als unbeantwortete Frage
Es ist offen, ob die Höhe dieser Zuschüsse bei dem wachsenden
Finanzierungsdruck durch neue Ausgaben, etwa zur Verteidigungsfähigkeit der
[3][Bundeswehr], gehalten werden wird. Strategische Überlegungen der
Politik, wie unser Sozialversicherungsstaat insgesamt durch Reformen,
Innovationen und eine Effektivitätsrevolution zukunftsfest gemacht werden
könnte, gibt es nicht.
Wie etwa die [4][Renten] - bedarfs- und generationsgerecht finanziert - an
die wirtschaftliche Entwicklung, die Inflation und Lohnsteigerungen
angepasst werden könnten, bleibt unklar. Das ist wohl deshalb so, weil das
Anpassen der Leistungen des [5][Sozialstaates] an die demographischen
Tatsachen ohne Leistungskürzungen, Steuererhöhungen und höhere
Sozialabgaben nicht möglich ist. Das aber will niemand dem Elektorat
zumuten.
Zusätzlich wird in allen sozialen Versorgungssystemen eine
Effizienzrevolution gebraucht, die zwar Einsparungen generieren könnte,
aber erst einmal Milliarden-Investitionen braucht. Die von der neuen
Bundesregierung schon halb wieder abgesagte Effizienzrevolution in der
Krankenhausversorgung durch [6][Karl Lauterbach] ist dafür ein
überzeugendes Beispiel.
## Das Rentenniveau ist unterirdisch
Das Rentenpaket II, ein vorsichtiger Einstieg in eine grundsätzliche
Reform, wurde von der [7][Ampel] nicht mehr beschlossen. Übrig geblieben
davon sind die 48 Prozent des letzten Bruttogehalts als Zielgröße für alle
Renten unter den Bedingungen der Erfüllung vieler anderer Voraussetzungen,
die aber längst nicht alle schaffen, etwa einer durchgehenden
Lebensarbeitszeit von 45 Jahren.
Die Durchschnittsrenten für Frauen liegen deshalb heute bei etwa 900 Euro,
für Männer bei 1.350 Euro.
Weil diese Renten bei den steigenden Mietkosten, der [8][Inflation], sowie
den immer höheren Lebenshaltungskosten, nicht ausreichen, sind immer mehr
Rentner auf [9][Grundrenten], [10][Wohngeld] und andere Sozialleistungen
angewiesen, wie etwa die Übernahme der Pflegekosten durch die Sozialämter.
Kombirenten aus erworbenen Rentenansprüchen und zusätzlichen öffentlichen
Versorgungsleistungen werden zur Normalität, Altersarmut wird bitterer
Lebensalltag. Bei 900 Euro Altersrente, vielleicht noch einer kleinen
Witwenrente obendrauf, sind vor allem alte Frauen davon betroffen.
## Generationenvertrag statt Populismuskeule
Anstatt hier gegenzusteuern, greifen Politiker lieber zur Populismuskeule:
Sie befeuern einen Krieg der Jungen gegen die Alten, nach dem Motto: Wir
Jungen sind nicht bereit, die Versorgungslücken der Konsum-besoffenen
Boomer auf Kosten unserer Lebenschancen zu schließen. So argumentiert etwa
der Chef der Jungen Union, der Bundestagsabgeordnete Johannes Winkel, der
gerade einen Kampf gegen die Ausweitung der Mütterrente führt.
Dabei sind Eckpunkte einer Demographie-festen Rentenreform gar nicht
schwierig zu identifizieren. Grundsatz eines solchen zukünftigen
Rentensystems bliebe der Leitgedanke direkter Verantwortung der Jungen für
die Renten der Alten aus dem Generationenvertrag von 1957.
In seiner ersten Säule würden die Jungen mit ihren Abgaben direkt die
Renten der je Alten finanzieren. Arbeitnehmer und Arbeitgeber würden
hälftig so hohe Sozialabgaben und zusätzlich Steuererhöhungen leisten, dass
eine Grundrente in Höhe von 1800 Euro für alle daraus finanziert werden
könnte.
Als Gegenleistung der Alten für diese Grundrente würde deren
Renteneinstiegsalter auf etwa 70 bis 72 Jahre erhöht. Die Rente mit 63
würde abgeschafft.
Als zweite Säule würden Betriebsrenten und ähnliche Sicherungssysteme für
andere Berufsgruppen gesetzlich verpflichtend eingerichtet und steuerlich
gefördert.
In einer dritten Säule könnten alle Arbeitnehmer freiwillig in einem
Staatsfond zusätzlich für ihre Alterssicherung am Kapitalmarkt sparen. Ein
solcher Umbau des heutigen Rentensystems würde mehrere Generationen
brauchen, bis er seine Wirkung entfalten könnte.
Er hätte aber den politischen Vorteil, dass alle Jungen und Alten gemeinsam
durch die demographisch so schwierigen Jahre reisen könnten und auf diesem
Weg zu neuer Gemeinsamkeit der ganzen Gesellschaft finden.
Verantwortung von Jung und Alt für einander und die Gesellschaft, ein
erneuerter Zusammenhalt der Generationen, das könnte zu einer politischen
Botschaft werden, die breite Zustimmung bei künftigen Wahlen gewinnt.
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23 Jun 2025
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## AUTOREN
Udo Knapp
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