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# taz.de -- Opfer einer mutmaßlichen Brandstiftung: Moussa wurde nur vier Jahr…
> In Wilhelmshaven trauert die Schwarze Community, nachdem ein Junge bei
> einem Brand getötet wurde. Die Staatsanwaltschaft geht von Brandstiftung
> aus.
Bild: Unterstützen die Familie des gestorbenen Jungen: Jessica Obame Angoue, I…
Wilhelmshaven taz | Das Video zeigt vier Kinder, die sich mit Genuss
Sahnetorte in den Mund schieben, zwei sitzen auf dem Fußboden, zwei auf dem
Sofa, eine Frau singt auf Französisch ein Geburtstagslied. Jessica Obame
Angoue beugt sich mit Issouf Touré* über sein Handy. „Wessen Geburtstag war
das?“ Sie überlegen. Dann nimmt sie erschrocken eine Hand vor den Mund.
„Der von Moussa.“
Am 6. Mai ist er vier Jahre alt geworden. [1][Er starb vor einer Woche in
der Nacht zum Montag] bei einem Brand im leerstehenden Erdgeschoss eines
Wohnhauses in Wilhelmshavens Fußgängerzone. Er lebte dort im Dachgeschoss
mit seiner Mutter und fünf älteren Geschwistern. Die Staatsanwaltschaft
geht von Brandstiftung aus. Am Mittwoch teilte die Polizei mit, einen
Tatverdächtigen für ein Tötungsdelikt ermittelt zu haben.
[2][Jessica Obame Angoue] kennt die Familie aus ihrer Arbeit für die Afrika
Union in Wilhelmshaven, die sie gegründet hat. Sie hat der 37-jährigen
Mutter bei Problemen mit Behörden und dem Vermieter geholfen und für sie
übersetzt. Der 34-jährige Issouf Touré ist ein enger Freund der Mutter und
schon die ganze Woche bei ihr und ihren 16 und 18 Jahre alten Töchtern im
Krankenhaus. Die taz trifft ihn und Jessica Obame Angoue am Donnerstag in
einem Café an der Brücke über den Ems-Jade-Kanal. Issouf Touré sagt, er
schlafe kaum, am Vorabend habe er nur geweint. Oft wisse er nicht, wo er
gerade sei. „Ich bin völlig durcheinander.“
Immer gibt es etwas zu tun, Telefonate zu erledigen, Mails zu beantworten.
Während des Gesprächs im Café meldet sich die Botschaft der Elfenbeinküste,
sie will mit der Mutter sprechen. Vor dem Treffen mit der taz war er mit
zwei Polizist:innen in der Wohnung, um Dokumente zu holen. Er kommt mit
mehreren Taschen und einem Koffer zurück, die nicht viel enthalten. „Es ist
alles verrußt und riecht nach Rauch“, sagt er.
Bei einer [3][Spendenaktion für die Familie] sind bis Sonntagabend fast
33.000 Euro zusammengekommen. Jessica Obame Angoue hat sie initiiert,
zusammen mit [4][Wilma Nyari], einer Wilhelmshavener
Dekolonalisierungsaktivistin, die bei dem Treffen dabei ist. Auch sie
unterstützt die Familie. Die beiden Frauen haben zudem eine Gedenkstunde
organisiert, die am Freitagabend vor dem unbewohnbaren Haus in der
Marktstraße stattfand, laut Wilhelmshavener Zeitung kamen 100 Menschen.
Nebenan, vor einer ehemaligen Spielhalle, liegen Kuscheltiere, Blumen und
Kerzen.
## Keine Wohnung
Am Montag sollten die Mutter und die großen Töchter aus der Klinik
entlassen werden. Eigentlich wollten sie zwei Tage vorher in eine neue
Wohnung in der Nähe von Bremen ziehen. Jetzt ist unklar, wo sie schlafen
werden und wer für die Kosten aufkommt. Die Pressesprecherin der Stadt sagt
zunächst, sie würden in einer Notunterkunft untergebracht. Doch am Freitag
schreibt sie in einer Mail, der Vermieter sei zuständig, er sei darauf
hingewiesen worden. Sollte er „wider Erwarten nicht tätig werden, werden
wir uns um eine angemessene Unterbringung (zum Beispiel in einer
Ferienwohnung) bemühen und ihm die Kosten in Rechnung stellen.“
Im Übrigen werde das Jugendamt der Familie „Angebote zur
traumapädagogischen Begleitung unterbreiten“. In einer Pressemitteilung
nach der Brandnacht hatte der parteilose Bürgermeister Carsten Feist erst
den Einsatzkräften gedankt, bevor er Bedauern über den Tod des Kindes
ausdrückte, um dann zu den Einsatzkräften zurückzukehren. Diesen seien
„unmittelbar nach dem Einsatzende Kriseninterventionsteams zur Seite
gestellt, um das Erlebte zu verarbeiten“. Und weiter: „Diese psychosoziale
Unterstützung können sie je nach Bedarf auch in den kommenden Tagen und
Wochen in Anspruch nehmen.“ Kein Wort über Hilfen für die Familie.
Solange sie selbst nicht entlassen ist, kann die Mutter ihre jüngsten drei
überlebenden Kinder aus Versicherungsgründen nicht besuchen. Die sind
sechs, sieben und neun Jahre alt und verteilt auf Kliniken in Bremen und
Oldenburg. Nur der getrennt lebende Vater war bisher bei ihnen. Die drei
wissen am Donnerstag noch nicht, dass ihr Bruder tot ist.
Issouf Touré erzählt, die Mutter habe erst gedacht, alle vier seien tot. Er
wendet sich kurz ab, um seine Fassung wieder zu gewinnen. Die Feuerwehr
habe lange gebraucht, um die bewusstlosen Kinder in der völlig verqualmten
Wohnung zu finden. Die Mutter und die beiden großen Töchter hatten sich nur
ohne die Kleinen aufs Dach retten können.
## Struktureller Rassismus
Am Freitag korrigierte die Sprecherin die zuvor von der Stadt verbreitete
Angabe, die Feuerwehr habe vier Erwachsene aus dem Dachgeschoss gerettet.
Tatsächlich handelte es sich um die Mutter und ihre zwei Teenagertöchter,
eine vierte Person gab es nie.
Wilma Nyari und Jessica Obame Angoue ist wichtig, dass im Zusammenhang mit
dem Brand über Rassismus gesprochen wird. Ob es ein rassistischer Anschlag
war, ist unklar. Der Verdacht liegt nahe, weil im Haus zwei große Familien
mit Zuwanderungsgeschichte leben: Eine aus Vietnam stammende Familie mit
sechs Kindern, wie eine weitere Hausbewohnerin [5][auf Tiktok erzählt]. Und
im Dachgeschoss die Mutter des toten Jungen mit sechs Kindern. Sie stammt
von der Elfenbeinküste und ist Schwarz.
An dieser Stelle eine Anmerkung: Die taz schreibt „Schwarz“ groß, „um zu
verdeutlichen, dass es sich um ein konstruiertes Zuordnungsmuster handelt,
und keine reelle ‚Eigenschaft‘, die auf die Farbe der Haut zurückzuführen
ist“, wie es in einem [6][Beitrag der Initiative Schwarze Menschen in
Deutschland] heißt. Und: „Schwarz-sein ist auch mit der Erfahrung
verbunden, auf eine bestimmte Art und Weise wahrgenommen zu werden.“
Diese Wahrnehmung ist in Deutschland mit Abwertung verknüpft. Deshalb, sagt
Wilma Nyari, ist es nicht entscheidend, ob jemand gezielt dieses Haus
angezündet hat. Es reiche, dass dies überhaupt vorstellbar ist: Ein Kind
stirbt, seine Eltern und Geschwister werden schwer traumatisiert – weil
ihre Haut stärker pigmentiert ist als die von einigen anderen Menschen.
Erst vor zwei Monaten hat die Polizei in Oldenburg [7][einen 21-jährigen
Schwarze]n erschossen.
## Angst um die Kinder
Ja, sie habe Angst, sagt Jessica Obame Angoue, vor allem um ihre Kinder.
Auch anderen aus der Schwarzen Community gehe es so. Schon vor Montag sei
das so gewesen, aber jetzt würden sich besonders viele mit ihren Sorgen bei
ihr melden. Sie selbst habe nach dem Brand ihrer Hausmeisterin Blumen
geschenkt und sich bei ihr bedankt. „Sie sorgt immer dafür, dass abends die
Türen verschlossen sind.“ Und auch sonst mache sie ihren Job und sei
freundlich.
Moussas Mutter habe andere Erfahrungen gemacht, berichtet Issouf Touré. „In
der Wohnung war Schimmel, abends kamen die Kakerlaken heraus, zwei Monate
gab es kein heißes Wasser.“ Wenn sie um Hilfe bat, habe der mittlerweile
abgelöste Hausmeister sie beschimpft. „Du verdienst es nicht, hier zu
leben“, habe er zu ihr gesagt. Und wenn es Rauchmelder in der Wohnung gab,
dann schlugen sie gar nicht an oder viel zu spät, wie die Nachbarin in
ihrem Tiktok-Video sagt.
Issouf Touré fragt zum Abschied: „Warum ist das passiert? Warum?“
*Nachname geändert
Transparenzhinweis: In einer vorherigen Version wurden Aussagen zum so
genannten [8][Cross Race Bias] von Wilma Nyari verkürzt wieder gegeben. So
entstand ein falscher Eindruck dessen, was sie zum Ausdruck bringen wollte.
Wir haben die Passage entfernt.
1 Jul 2025
## LINKS
[1] /Feuer-in-Wilhelmshaven/!6092993
[2] /Diskriminierung-an-Grundschule/!5977579
[3] https://www.gofundme.com/f/unterstutzung-fur-familie-conde-nach-verheerende…
[4] /Aktivistin-ueber-ihren-Antrieb/!6078741
[5] https://www.tiktok.com/@morlinrose.official/video/7519998771007081750
[6] https://isdonline.de/uber-schwarze-menschen-in-deutschland-berichten/
[7] /Ermittlungen-im-Fall-Lorenz-A/!6092527
[8] https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/cross-race-effect
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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Initiative Schwarze Menschen in Deutschland
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