# taz.de -- EU verschleppt Prüfverfahren: Pestizide in Endlosschleife | |
> Europäische Risikobewertungen für Pestizide sind in vielen Fällen seit | |
> Jahren abgelaufen. Genehmigt werden sie weiterhin. Das zeigt eine Studie. | |
Bild: Auch im Obstanbau werden Pestizide eingesetzt | |
Berlin taz | Die EU verschleppt systematisch die Prüfung von möglicherweise | |
schädlichen Pestiziden und erteilt Genehmigungen in Fällen, die rechtlich | |
erneuter Risikobewertungen bedürften. Zu diesem Schluss kommt eine | |
[1][Studie] im Auftrag des Umweltinstituts München. Mittels sogenannter | |
„technischer Verlängerungen“ wurde demnach der Einsatz von 70 Prozent aller | |
Pestizide allein im Jahr 2024 ohne vormalige Prüfung gestattet. In | |
Deutschland ist der Anteil verschütteter Pestizide, die keine aktuelle | |
Risikobewertung haben, sogar noch höher und liegt bei 88 Prozent. | |
Unter den eingesetzten Substanzen befindet sich unter anderem Flufenacet, | |
das im Gemüse- und Obstanbau zum Einsatz kommt. Über die Böden gelangt der | |
Stoff ins Grundwasser und bildet einen Abbaustoff, der den menschlichen | |
Hormonhaushalt stört. Er gilt aus diesem Grund als | |
fortpflanzungsgefährdend, wird aber trotz eigentlich ausgelaufener | |
Genehmigung seit 2016 weiterhin verwendet. | |
Grund dafür ist der Artikel 17 der europäischen Pestizidverordnung. Er | |
erlaubt die vorübergehende Verlängerung einer Genehmigung, wenn die | |
notwendige Neubewertung nicht fristgerecht vorgenommen werden konnte. Laut | |
Studie interpretiert die EU diese Regelung in ihrer Rechtsprechung aktuell | |
als Verpflichtung, Genehmigungen endlos weiter zu verlängern. Fragen der | |
taz dazu blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet. | |
## Grenzwerte steigen | |
Das hat erhebliche Folgen für alle Mitgliedsstaaten, die | |
Pflanzenschutzmittel auf veralteter Datenbasis zulassen müssen. Allein in | |
Deutschland belasteten im letzten Jahr 6.700 Tonnen des genannten | |
Pflanzenschutzmittels Flufenacet den Boden. Die Grenzwerte für | |
Flufacenet-Abbaustoffe musste das [2][Umweltbundesamt] bereits 2020 ohne | |
erneute Prüfung erhöhen. Auf diese Weise verhinderte es die Schließung | |
einiger Grundwasserbrunnen, in denen gestiegene Werte festgestellt worden | |
waren. | |
Die Autor:innen der Studie fordern, dass die EU dem Vorsorgeprinzip – | |
einer Leitlinie der europäischen Umweltpolitik – in Zukunft besser | |
nachkomme. Dafür müsse sie in ihrer Rechtsauslegung die fortlaufende | |
Zulassung ohne aktuelle Risikobewertung unterbinden. Zugleich müsse sie | |
finanziell und personell gestärkt werden, um eine schnelle Evaluation der | |
Pestizide zu gewährleisten. | |
Einzelne europäische Mitgliedsstaaten versuchten in der Vergangenheit | |
bereits, Pflanzenschutzmittel auf nationaler Ebene zu verbieten. Nachdem | |
die Umweltschutzorganisation [3][PAN Europe] gegen die niederländische | |
Regierung wegen der Genehmigung eines Fungizids geklagt hatte, wanderte der | |
Fall vor den Europäischen Gerichtshof. Dieser entschied, dass die | |
Mitgliedsstaaten, die in ihrer Rechtsprechung eigentlich auf die | |
europäische Pestizidbewertung angewiesen sind, „technische Verlängerungen“ | |
aussetzen dürften, wenn ihnen aktuellere Daten und Studien vorliegen. | |
Das Umweltbundesamt teilte der taz mit, dass die EU jederzeit bestehende | |
Genehmigungen überprüfen könne, wenn es begründete Hinweise auf eine | |
Gesundheitsgefährdung gebe. Insofern könne „keine Rede davon sein, dass das | |
EU-Wirkstoffgenehmigungsverfahren systematisch umgangen“ werde. | |
6 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://umweltinstitut.org/wp-content/uploads/2025/06/20250605_Analyse_Tech… | |
[2] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/362/dokumente/202… | |
[3] https://www.pan-europe.info/press-releases/2025/01/pan-successfully-challen… | |
## AUTOREN | |
Eva Kaiser | |
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