# taz.de -- Hashtag #skinnytok gesperrt: Social-Media-Plattform handelt zu spät | |
> Tiktok hat einen Hashtag gesperrt, unter dem gefährliche Tipps für | |
> Menschen mit Essstörung gesammelt sind. Der Schritt ist wichtig, kommt | |
> aber zu spät. | |
Bild: Tiktok reagiert nicht schnell genug auf gesundheitsgefährdende Trends au… | |
Tiktok ist gegen den Hashtag #skinnytok vorgegangen. Endlich. Unter diesem | |
Begriff haben sich bis vor Kurzem Beiträge gesammelt, in denen es nicht | |
darum ging, dünn zu sein, sondern vor allem: immer dünner zu werden, | |
lebensbedrohlich dünn. Ein Hort voller Tipps für [1][Menschen mit | |
Essstörung], die nicht Hilfe beim Abnehmen bräuchten, sondern Hilfe beim | |
Genesen. | |
„Du bist nicht allein“ steht jetzt dort, wo davor Videos mit Ratschlägen | |
für herausstechende Hüftknochen zu sehen waren. Darunter wird auf | |
„Ressourcen“ hingewiesen, die gegen die Krankheit helfen können. Dass | |
TikTok so handelt, ist wichtig. Und viel zu spät. | |
Bereits Ende April, also einen Monat bevor TikTok aktiv geworden ist, | |
[2][haben mehrere EU-Staaten], darunter Frankreich und Belgien, bereits auf | |
den Hashtag hingewiesen und gefordert, dass TikTok eingreift. Staaten sind | |
keine Gebilde, die für ihre Schnelligkeit in Onlineangelegenheiten bekannt | |
sind. Und trotzdem schaffte es TikTok, erst mal nichts zu machen. | |
Stattdessen hatte TikTok faul argumentiert, dass Menschen, die nach | |
„Anorexie“ suchen, ja bereits an Beratungsstellen verwiesen würden. | |
Tatsächlich kann TikTok nicht alle Suchen, die zu schädlichen Inhalten | |
führen, mit Warnhinweisen versehen. Dafür ändert sich zu schnell, wie wir | |
im Internet welche Worte benutzen, welche Umwege wir gehen, um doch zu | |
unserem Ziel zu kommen. Die Menschen, die Beiträge mit dem Schlagwort | |
„skinnytok“ erzeugt haben, werden derlei Beiträge auch weiterhin erzeugen. | |
Nur eben mit einem anderen Schlagwort. | |
## Auch andere Social-Media-Plattformen haben Probleme | |
Das betrifft nicht nur Menschen mit Essstörungen oder anderem | |
selbstverletzenden Verhalten. Auch Kriminelle wechseln schnell die | |
Begriffe, um ihr Geschäft weiterführen zu können. Ebenso Ideolog*innen, die | |
Menschen in Extremismus ködern wollen. Diese Praxis hilft aber auch | |
Oppositionellen in repressiven Staaten und Menschen, die auf | |
Social-Media-Plattformen sexuelle Aufklärung betreiben. | |
Trotzdem: TikTok hätte schneller handeln müssen, nicht nur bei #skinnytok. | |
Auch andere Social-Media-Plattformen haben Probleme mit den sich schnell | |
ändernden Begriffen, kommen nicht hinterher, bei potenziell problematische | |
Suchanfragen auf Hilfsangebote zu verweisen – oder überschlagen sich, wie | |
Instagram, das sogar die Suche nach dem Wort „skinny“ behindert. Als wäre | |
das Thema an sich schon schädlich. | |
Ein Unternehmen, dessen Konzept darauf beruht, dass Menschen dort Zeit | |
verbringen, weiß ganz genau, womit sie Zeit verbringen. Hashtags kommen und | |
gehen, ebenso wie Trends. Doch wenn einer kommt, und das in einem sensiblen | |
Bereich wie Gesundheit, dann muss er genauer überprüft werden. Nicht, um | |
den Erfahrungsaustausch von Betroffenen zu zensieren, ihnen die Hilfe der | |
Community bei der Genesung zu erschweren. Sondern um Menschen zu schützen, | |
die nach Hilfe suchen. | |
Erst Ende Mai [3][veröffentlichte der Guardian] eine weitere Recherche, | |
die kein gutes Licht auf den Umgang von TikTok mit Gesundheit warf. Sie | |
nahmen die 100 erfolgreichsten TikToks unter dem Hashtag #mentalhealthtips | |
und reichten sie weiter an Expert*innen aus den jeweiligen | |
Gesundheitsgebieten, die zu dem Schluss kamen: 52 dieser Beiträge | |
enthielten Falschinformationen. | |
## Schädliche Fehlinformationen | |
TikTok war von der Recherche nicht begeistert und gab an, dass sie | |
„proaktiv“ mit Gesundheitsexpert*innen der | |
Weltgesundheitsorganisation und der NHS zusammenarbeiten würden, um | |
vertrauenswürdige Informationen auf der Plattform zu fördern und 98 Prozent | |
der schädlichen Fehlinformationen zu entfernen, bevor sie überhaupt | |
gemeldet würden. Aber trotzdem ging offensichtlich einiges an | |
Fehlinformationen durch. | |
Durchgegangen ist TikTok, dass auch andere Suchanfragen vielleicht zu | |
Hilfsangeboten führen sollten. Bei einigen, die darauf schließen, dass | |
Menschen gerade vielleicht Hilfe bräuchten wie „Depression“, oder die zu | |
Themen führen, bei denen besonders viele Fehlinformationen verbreitet | |
werden, etwa bei „ADHS“ und „bipolar“, wird bereits auf Hilfsangebote | |
verwiesen und auf die Seite des Gesundheitsministeriums verwiesen. Bei | |
anderen fehlt das noch, etwa bei „Burnout“. | |
Auch hier müssen Social-Media-Plattformen handeln. Wie bei vielen weiteren | |
Begriffen, nach denen Menschen suchen, die Hilfe brauchen. | |
6 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Kletterin-ueber-ihre-Essstoerung/!6010101 | |
[2] https://www.spiegel.de/netzwelt/skinnytok-eu-laender-fordern-massnahmen-geg… | |
[3] https://www.theguardian.com/society/2025/may/31/more-than-half-of-top-100-m… | |
## AUTOREN | |
Johannes Drosdowski | |
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