| # taz.de -- Teleskope: Von der Wüste bis ins All | |
| > Ständig werden neue Teleskope gebaut. Aber warum stehen so viele in der | |
| > chilenischen Wüste? Und gibt es nicht schon zu viel Lichtverschmutzung? | |
| Bild: Eine Grafik zeigt, wie das größte optische Teleskop der Welt – das s… | |
| In der chilenischen Atacama-Wüste stehen die leistungsstärksten Teleskope | |
| der Welt, und ständig kommen neue hinzu. Etwa das [1][Extremely Large | |
| Telescope] (ELT) der Europäischen Südsternwarte (ESO). Es soll 2028 | |
| fertiggestellt und das weltweit größte optische Teleskop werden. Oder das | |
| Fred Young Submillimeter Telescope (FYST). Es wurde in Deutschland gebaut | |
| und Ende März an seinen Aufstellungsort im Norden Chiles transportiert. Auf | |
| mehr als 5.600 Metern soll es zusammen mit dem University of Tokyo Atacama | |
| Observatory (TAO) das höchstgelegene Teleskop der Erde werden. | |
| ## Warum werden ständig neue Teleskope gebaut? | |
| Unterschiedliche Teleskope beobachten unterschiedliche Dinge, das heißt, | |
| Strahlungen unterschiedlicher Wellenlängen entlang des elektromagnetischen | |
| Spektrums. Es gibt zum Beispiel Teleskope, die sehr große Radiowellen | |
| empfangen, Teleskope, die auf sichtbares Licht ausgelegt sind, und | |
| Teleskope, die Infrarot- oder Terahertzstrahlung untersuchen. Das ist | |
| Strahlung im sogenannten Submillimeter-Wellenlängenbereich, zwischen 3,1 | |
| und 0,2 Millimeter. | |
| Zu dieser Art Teleskop zählt auch das FYST. „Die Gase und der Staub, in dem | |
| Sterne entstehen, das sogenannte interstellare Medium, können wir im | |
| visuellen Bereich nicht beobachten“, erklärt Dominik Riechers, | |
| Astrophysiker an der Uni Köln. Aber: „In längeren Wellenlängen strahlen | |
| diese plötzlich extrem hell.“ Das FYST ist dabei das erste Teleskop, dass | |
| Terahertzstrahlung im gesamten südlichen Himmel wird beobachten können, da | |
| es wie ein Weitwinkelobjektiv funktioniert. Es ist ein gutes Beispiel | |
| dafür, warum es immer wieder neue Teleskope gibt: verbesserte Technik, | |
| andere Wellenlängenbereiche oder unterschiedliche Bereiche des Himmels, | |
| die beobachtet werden. | |
| ## Warum stehen so viele Teleskope in der chilenischen Atacama-Wüste? | |
| „Chile ist einfach der beste Standort der Welt für Teleskope“, sagt der | |
| chilenische Astrophysiker Pablo Garcia Fuentes. Im Terahertz- und | |
| Infrarotbereich spielt vor allem die Luftfeuchtigkeit eine wichtige Rolle. | |
| Die Wassermoleküle in der Atmosphäre absorbieren die Strahlung. Da die | |
| Durchlässigkeit der Atmosphäre mit der Höhe zunimmt, gilt: je höher und | |
| trockener der Standort, desto besser für die Submillimeter-Astronomie. | |
| Im optischen Bereich wird die Strahlung nicht so stark absorbiert, aber | |
| Turbulenzen in der Luft führen zu Verzerrungen, die korrigiert werden | |
| müssen, damit die Sterne nicht flackern. Dafür genügt es, wenn das Teleskop | |
| in 2.000 bis 3.000 Metern Höhe steht. Radioteleskope wiederum brauchen | |
| einen Standort, der möglichst weit weg von menschengemachter Störstrahlung | |
| ist. Die Atacama-Wüste als besonders trockene, vom Menschen ungestörte | |
| Region mit Bergen bis zu 6.000 Metern Höhe ist wie geschaffen für | |
| Teleskope. | |
| Der Standort auf der Südhalbkugel hat noch einen Vorteil: Von hier aus kann | |
| man ins Innere der Milchstraße blicken, auch in das schwarze Loch im | |
| Zentrum. Von der Nordhalbkugel aus lassen sich dafür weit entfernte | |
| Galaxien wie die Magellanschen Wolken beobachten. | |
| ## Wenn gilt: je höher, desto besser, warum baut man dann nicht einfach | |
| mehr Weltraumteleskope? | |
| Das ist eine Kosten-Nutzen-Frage. Weltraumteleskope haben einige Vorteile: | |
| Sie werden nicht von der strahlungsabsorbierenden Atmosphäre oder von | |
| Lichtverschmutzung auf der Erde beeinflusst. Sie können also direkt | |
| unverzerrte Bilder mit viel höherer Auflösung erzeugen. Außerdem können sie | |
| sehr schwache, weit entfernte Strahlung einfangen, die auf der Erde nicht | |
| ankommen würde. Bestimmte Strahlungen im Gamma-, Röntgen- oder | |
| Mikrowellenbereich können von der Erde aus sogar gar nicht beobachtet | |
| werden. Zudem ist ihr Blick nicht auf eine Erdhalbkugel beschränkt. | |
| Allerdings sind Weltraumteleskope deutlich teurer, da die benötigten | |
| Materialien und der Transport ins All viel Geld kosten. Während sich die | |
| Kosten des FYST laut Astrophysiker Riechers auf einige zehn Millionen Euro | |
| belaufen werden, lag das Budget für das Weltraumteleskop Herschel Space | |
| Observatory, das die ESA 2009 ins All schickte, bei 1,4 Milliarden | |
| US-Dollar, das des James-Webb-Teleskops sogar bei 9,7 Milliarden US-Dollar. | |
| Hinzu kommen weitere Nachteile bei der Nutzung: Weltraumteleskope müssen | |
| sehr klein sein. Das James-Webb-Teleskop zum Beispiel wurde wegen seiner | |
| Größe in der Rakete gefaltet, Teleskope wie das FYST wären zu groß, um mit | |
| den heutigen Raketen ins All gebracht zu werden. Das | |
| Herschel-Weltraumteleskop wurde mit flüssigem Helium gekühlt. Nach vier | |
| Jahren war das aufgebraucht, das Teleskop erblindete und musste 2013 | |
| abgeschaltet werden. | |
| Denn: Einmal ins All geschossen, ist eine Reparatur oder Wartung nur noch | |
| sehr aufwendig oder – je nach Position im All – gar nicht mehr möglich. | |
| Wenn die Bedingungen auf der Erde nah genug an denen im Weltall sind, wie | |
| in der Atacama-Wüste, entscheidet man sich daher lieber gegen das | |
| Weltraumteleskop. | |
| ## Teleskope auf der Erde wie im All kosten viel Geld. Rechtfertigt der | |
| Nutzen den Aufwand? | |
| Mit sehr rudimentären Beobachtungen konnte der Astronom Nikolaus Kopernikus | |
| im 16. Jahrhundert zeigen, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht | |
| umgekehrt. Das heliozentrische Weltbild war ein Schritt in Richtung | |
| Aufklärung und führte zu einem Umdenken in der Astronomie und der | |
| Wissenschaft allgemein. Seitdem haben sich Teleskope und Astronomie enorm | |
| weiterentwickelt und den menschlichen Wissensschatz erweitert. | |
| Heutzutage geht es eher darum, die Entstehung von Sternen und Galaxien zu | |
| verstehen. So können beispielsweise Vorhersagen über die Zukunft des | |
| Sonnensystems getroffen werden: In etwa 5 Milliarden Jahren wird die Sonne | |
| ihren Brennstoff verbraucht haben, sich zu einem Roten Riesen aufblähen und | |
| die Erde verschlingen. Für die nähere Zukunft können Teleskopdaten helfen, | |
| die Wahrscheinlichkeiten von Meteoriteneinschlägen einzuschätzen. | |
| Ein bewusst in Kauf genommener Nebeneffekt astronomischer Forschung ist | |
| auch die Entwicklung neuer Technologien. Ein bekanntes Beispiel ist das | |
| Wlan, das an einem australischen Teleskopstandort so weiterentwickelt | |
| wurde, dass es schnell und zuverlässig funktioniert. Oder Kameras und | |
| Nachtsichtgeräte. | |
| ## Wie stark beeinflusst Lichtverschmutzung schon heute die Arbeit von | |
| Astronom*innen? | |
| Laut einer Studie aus dem Jahr 2022 sind fast alle Teleskope auf der Erde | |
| von [2][Lichtverschmutzung] betroffen. Das Licht naheliegender Städte, aber | |
| auch das durch Satelliten und Weltraumschrott reflektierte Licht können die | |
| Messdaten erheblich beeinflussen. Schwache Lichtquellen – zum Beispiel die | |
| [3][weit entfernter oder schwach leuchtender Sterne] – werden eventuell gar | |
| nicht mehr wahrgenommen. Bei nur noch 6 der 28 großen Observatorien der | |
| Welt ist ein fast völlig dunkler Himmel sichtbar. | |
| Dazu zählt die Beobachtungsstation auf dem Paranal-Berg in Chile. Doch auch | |
| dort könnte die Arbeit bald bedroht sein. Eine Tochtergesellschaft des | |
| US-amerikanischen Energieversorgers AES Corporation plant einen riesigen | |
| Industriekomplex – nur 5 bis 11 Kilometer entfernt. Das könnte einen der | |
| dunkelsten und klarsten Himmel der Erde zerstören. Noch ist der | |
| Industriepark nicht gebaut und Astronom:innen setzen sich vor Ort für | |
| eine Alternativlösung ein. | |
| In der Submillimeter-Astronomie beeinflusst das sichtbare Licht die | |
| Ergebnisse nicht, hier ist vor allem die Atmosphäre das Problem. Aber auch | |
| Satellitenkonstellationen wie Starlink werden zunehmend zum Störfaktor, da | |
| sie in unterschiedlichen Wellenlängen strahlen und so die Messdaten | |
| verfälschen. Die Anzahl der Satelliten wird in Zukunft zunehmen. | |
| 16 May 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Plan-fuer-Riesenteleskop-in-Chile/!5983741 | |
| [2] /Studie-zum-Effekt-von-Lichtverschmutzung/!6011577 | |
| [3] https://academic.oup.com/mnras/article/519/1/26/6936422?login=false | |
| ## AUTOREN | |
| Ruth Lang Fuentes | |
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