# taz.de -- Vor der Wahl in Australien: Wenn der „australische Traum“ zum A… | |
> Am Samstag wird in Australien gewählt. Ein Thema überragt im Wahlkampf | |
> alle anderen: steigende Immobilienpreise und Lebensmittelkosten. | |
Bild: Der amtierende Premier Anthony Albanese ist auch nicht mehr unbeschädigt | |
Canberra taz | Peta Collins (Name geändert) ist den Tränen nah. „Kein | |
Chance, absolut keine Chance“ habe sie, „je ein eigenes Haus kaufen zu | |
können“, sagt die 24-Jährige aus der Kleinstadt Goulburn südlich von | |
Sydney. Was noch vor einer Generation Teil des „australischen Traums“ | |
gewesen war – ein Eigenheim mit Garten, weißem Zaun und Hund –, ist heute | |
für viele, vor allem jüngere Menschen zum Albtraum geworden. | |
Eskalierende Immobilienpreise in den letzten fünf Jahren – im Schnitt um | |
fast 40 Prozent – und ein Anstieg der Lebenshaltungskosten von 20 Prozent | |
in vier Jahren machen es für Durchschnittsverdienerinnen wie der | |
Zahnarztassistentin fast unmöglich, die notwendige Anzahlung für eine | |
Hypothek anzusparen. Denn gleichzeitig blieben die Gehälter oft | |
unverändert. | |
Obwohl der landesweite Durchschnittslohn offiziell bei rund 6.500 | |
australischen Dollar (3.650 Euro) pro Monat liegt, müssen viele | |
Australier:innen mit deutlich weniger auskommen. In Sydney kostet ein | |
Haus im Schnitt fast 1,2 Millionen australische Dollar (670.000 Euro). | |
Selbst für eine Zweizimmerwohnung legt man schon mal eine Million Dollar | |
auf den Tisch. In ländlichen Gegenden ist eine Immobilie kaum noch unter | |
400.000 Dollar zu haben. | |
Der Verzicht auf ein eigenes Haus wird für immer mehr Menschen Realität in | |
einem Land, das bis vor wenigen Jahren eine der höchsten Raten an | |
Eigenheimbesitz hatte. Selbst Mieten ist eine Herausforderung. Die | |
Durchschnittspreise kletterten in den letzten fünf Jahren um 36 Prozent auf | |
773 Dollar pro Woche in Sydney, etwas weniger in anderen Städten. Es sind | |
deshalb nicht zuletzt junge Menschen, um deren Stimme Politiker:innen | |
im Vorfeld der Wahlen an diesem Samstag buhlen. | |
## Es wurden schlicht zu wenige Wohnungen gebaut | |
Sowohl die regierende Labor-Partei unter [1][Premierminister Anthony | |
Albanese] als auch die oppositionelle konservative Koalition unter Peter | |
Dutton bieten Lösungen an. Albanese verspricht die Erstellung von 1,2 | |
Millionen Wohnungen bis 2029, Dutton will 500.000 Wohnungen bauen. Labor | |
möchte Erstkäufern von Wohneigentum eine Anzahlung von nur 5 statt der | |
üblichen 20 Prozent erlauben. Die Konservativen wollen, dass Kaufwillige | |
bis zu 50.000 Dollar aus ihrer Altersvorsorge für eine Anzahlung verwenden | |
können. | |
Doch Expert:innen sind kritisch: Beide Maßnahmen könnten den | |
Immobilienmarkt weiter anheizen, solange das Grundproblem nicht gelöst | |
werde. Es seien in den letzten Jahrzehnten schlicht zu wenige Häuser und | |
Wohnungen gebaut worden. Komplexe Planungsgesetze und ein chronischer | |
Mangel an Sozialwohnungen hätten die Situation noch verschlimmert. | |
Gleichzeitig wuchs die Bevölkerung auf inzwischen über 26 Millionen. | |
Während Premier Albanese auf Fortschritte hinweist, die seine Regierung | |
seit ihrer Wahl 2022 im Bereich Wohnungsbau gemacht habe, will | |
Oppositionsführer Dutton im Falle eines Wahlsieges die Zuwanderung | |
drastisch beschneiden. Einwanderer erhöhten den Druck auf den | |
Immobilienmarkt – eine Behauptung, die unter Experten umstritten ist. | |
Kritiker werfen Dutton Polemik und [2][rassistische Rhetorik] vor. | |
So will der bis vor Kurzem begeisterte Anhänger des US-amerikanischen | |
Präsidenten Donald Trump ein zweijähriges Verbot des Verkaufs bestehender | |
Immobilen an Ausländer einführen. Auch argumentiert er für weniger zahlende | |
Studierende – allen voran aus Asien, obwohl diese in der Regel in | |
Universitätsunterkünften leben und maßgeblich zum Exporteinkommen | |
Australiens beitragen. Auch sind ausländische Investoren für weniger als | |
ein Prozent der Immobilienkäufe verantwortlich. | |
## Armut: Kinder gehen ohne Frühstück in die Schule | |
Für viele Australier:innen eine noch größere Belastung sind die | |
steigenden Lebenshaltungskosten. Die bis heute anhaltenden Folgen des | |
wirtschaftlichen Einbruchs während der [3][Covidpandemie] sowie hohe | |
Lebensmittelpreise in einem Land, in dem zwei Großhändler den Markt fast | |
monopolartig dominieren, führen laut Experten sogar zu Hunger. Laut einer | |
Studie leiden in Australien etwa 3,4 Millionen Haushalte unter | |
Lebensmittelunsicherheit. Sie lassen regelmäßig Mahlzeiten aus oder müssen | |
ganze Tage ohne Essen verbringen, weil sie sich nicht genügend Lebensmittel | |
leisten können. | |
Schulen melden, dass Kinder ohne Frühstück in den Unterricht kommen. | |
Karitative Organisationen wie Foodbank arbeiten mit der Lebensmittel- und | |
Einzelhandelsbranche zusammen, um überschüssige Produkte zu sammeln. | |
Foodbank versorgt so über eine Million Australier mit kostenlosen | |
Lebensmitteln. | |
Ronny Kahn, Vorsitzende der Organisation OzHarvest, berichtet von immer | |
mehr „Familien mit zwei verdienenden Elternteilen“, die in immer länger | |
werdenden Warteschlangen stünden, „weil das Geld einfach nicht reicht“. | |
Wenn es darum gehe, „eine Rechnung zu bezahlen oder Lebensmittel zu kaufen, | |
ist es für die Leute einfacher, nichts zu essen“, so Kahn. Weder | |
Premierminister Anthony Albanese noch Peter Dutton haben im Wahlkampf | |
bisher wesentliche Maßnahmen vorgeschlagen, um dem Problem der wachsenden | |
Armut zu begegnen. | |
2 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
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