# taz.de -- Fans bei der Flandernrundfahrt: Frietjes, Campinghocker, Kopfsteinp… | |
> Die Flandernrundfahrt ist ein Volksfest. Dass Tadej Pogačar und Lotte | |
> Kopecky siegten, war fast Nebensache. Ebenso wie die dunklen Seiten des | |
> Sports. | |
Bild: Ein bisschen Chillen, ein bisschen Picknick, ein bisschen Radsport: bei d… | |
Oudenaarde taz | Da stehen sie wieder, diese drollig gekleideten | |
Radsportfanatiker. Zwei Stunden nach dem Ende der [1][Flandernrundfahrt] | |
kommt der Bahnsteig des schmucken Örtchens Oudenaarde an seine Grenzen. Ein | |
langer Tag liegt hinter den Männern und den paar Frauen, die sich nun auf | |
den Heimweg machen nach Kortrijk, Gent oder Brüssel. Ein paar Gesichter | |
sind verbrannt. Kein einziges Wölkchen hat diesen Tag getrübt, den sie | |
irgendwo an der Strecke verbracht haben. Schon um 10 Uhr morgens sind viele | |
angekommen, um sich mit Pendelbussen zu den gefürchteten | |
Kopfsteinpflasteranstiegen am Paterberg oder zum Kwaremont bringen zu | |
lassen. Da waren Fanzonen eingerichtet, sodass die Versorgung mit Bier, | |
Würsten und Frietjes sichergestellt war. | |
Erschöpft wirkten die Radsportfans nach ihrem Tag an der Strecke. Ob sie | |
ihre Ziele erreicht haben? Einen Blick auf die Stars erhaschen konnten? | |
Leicht war das gewiss nicht. Schon am frühen Nachmittag gab es nur noch | |
Plätze in der fünften Reihe an den Schlüsselstellen dieses Rennens. | |
Und die Tausenden, die sich kurz vor der erwarteten Zielankunft der Männer | |
vor den Toren von Oudenaarde aufgemacht haben, dürften weder viel noch | |
lange etwas von den Fahrern gesehen haben, die trotz strammen Gegenwindes | |
die Zielgerade entlanggerast sind. Das ist vielleicht auch gar nicht so | |
wichtig bei diesem Volksfest des Radsports, bei dem es den Fans auch darum | |
geht, ihre Liebe zu diesem Sport öffentlich zur Schau zu tragen. | |
Trikots aus längst vergangenen Radsportepochen werden da noch einmal über | |
die mit den Jahren prall gewordenen Bäuche gespannt. Und niemand hat ein | |
Problem damit, wenn jemand in einer Trainingsjacke [2][des einst im | |
Dopingsumpf untergegangenen Teams Festina] an der Strecke steht. So wie es | |
an diesem Sonntag niemanden gestört hat, wenn er nicht viel vom | |
Renngeschehen mitbekommen konnte. Und so richtig vom mitgebrachten | |
Campinghocker wird es wohl niemanden gerissen haben, dass der Slowene Tadej | |
Pogačar, [3][der ja fast immer auf gespenstische Weise gewinnt], am Ende | |
Erster wurde. | |
## Belgische Momente | |
Auch über den Sieg von Lotte Kopecky im Frauenrennen, die vor der Französin | |
Pauline Ferrand-Prévot und der bärinnenstarken Deutschen Liane Lippert über | |
die Linie fuhr, wird niemand gestaunt haben. Es war ja schon ihr dritter | |
bei der Flandernrundfahrt. Der Jubel über den Sieg der Belgierin war | |
natürlich dennoch groß, laut und für all diejenigen, die ungünstig unter | |
einem in die Höhe geworfenen Bierbecher standen, auch feucht. | |
Während des Männerrennens gab es schon einmal so einen belgischen Moment. | |
Pogačar und Mathieu van der Poel, der andere Überflieger der | |
Klassikergilde, hatten sich abgesetzt, und es war Belgiens Wout van Aert, | |
der die Lücke, die die beiden gerissen hatten, wieder zugefahren ist. Wie | |
ein Torschrei hörte sich das an, als der Anschluss gefeiert wurde. | |
## Frauenrennen geschickt eingewebt | |
Später wurde viel geredet über die Wiederauferstehung des guten alten van | |
Aert, der mit seinen zermürbenden Attacken mal als wahrer Showstar der | |
Szene galt. Jüngst war er beinahe zur Lachnummer verkommen. Als er in der | |
Woche vor der Flandernrundfahrt beim Halbklassiker Dwars door Flanderen | |
nicht gegen den US-Amerikaner Neilson Powless gewinnen konnte, obwohl er in | |
einer Vierergruppe zwei Teamkameraden an seiner Seite hatte, lachte halb | |
Belgien über ihn. So lauthals, dass Weltmeister Pogačar den Belgier in | |
Schutz genommen und die Grausamkeit der Radsportszene kritisiert hat. Nun, | |
jetzt haben die Belgier van Aert ja wieder lieb, auch wenn er am Ende | |
hinter Pogačar, der als Solist ins Ziel kam, dem Dänen Mads Pedersen und | |
Mathieu van der Poel als Vierter ins Ziel kam. | |
Von [4][Lotte Kopecky] wurde natürlich auch geschwärmt. Vielleicht hätten | |
ihr nicht ganz so viele Menschen zugejubelt, hätten die Veranstalter das | |
Frauenrennen nicht so geschickt mit dem der Männer verwoben. Als die Frauen | |
gegen Mittag ihr Rennen in Oudenaarde starteten, waren die Männer schon gut | |
100 Kilometer unterwegs. Kurz nach dem Start der Frauen passierte der | |
Männerpulk den Ort und machte sich auf zu den schmalen | |
Kopfsteinpflasteranstiegen, dann rasten die Frauen noch einmal durch | |
Oudenaarde. | |
## Stürze und Tote kein Thema | |
Und als beim vierten Anstieg auf den Kwaremont Pogačar allen davonfuhr, da | |
wussten die Fans an der Strecke, dass jetzt gleich die Frauen über den | |
Hügel müssen – und blieben. Als das Männerrennen schon entschieden war, | |
verließen nur wenige die Fanzone am Zielraum, weil nun ja gleich die Frauen | |
kommen würden. Am Ende gab es das gemeinsame Siegerbild von Pogačar und | |
Kopecky in ihren Weltmeisterinnentrikots. | |
Ein schönes Bild zum Ausklang des Volksfests, zu dem viele auch mit dem | |
Rennrad gekommen waren. Um so manchen Radlerhals hing noch die Medaille der | |
Flandernrundfahrt für alle, die am Samstag stattgefunden hatte. Dass sich | |
dabei zwei Freizeitsportler übernommen haben und an Herzversagen gestorben | |
sind, war kein Thema am Tag des Profirennens. Auch über die zahlreichen | |
Stürze – auch Mathieu van der Poel war in einen davon verwickelt – wurde | |
nur kurz geklagt. | |
Der Radsport ist eben eine harte Sache. Die galt es zu feiern mit Bier, | |
Wurst und Frietjes. | |
7 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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