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# taz.de -- Start ins Leben als Frau: Brief an meine Tochter
> Was hält diese Welt für ein Mädchen bereit, das jetzt geboren wird?
> Sieben Mütter haben aufgeschrieben, was sie ihren Töchtern mitgeben
> wollen.
Liebe XX,
es ist nicht mehr lange hin, da wirst du den ersten gewaltvollen Akt deines
Lebens erleben: die Geburt. Unter höllischen Schmerzen werde ich dich zur
Welt bringen, und auch für dich wird der Weg durch meine Organe nach allem,
was man weiß, weder einfach noch angenehm werden. Er kann sogar
traumatisierend sein. Gewissermaßen ist dieser brutale Akt eine
Vorbereitung auf die knallharte Realität des Lebens.
Natürlich werden wir es uns in den ersten Jahren kuschelig machen. Du wirst
bekümmert und bemuttert werden, auch bevatert und beschwestert. Du wirst
auf dem Boden herumkugeln, lachen, Milch trinken und mit Brei werfen,
Bücher vorgelesen bekommen und spielen. Es wird viele Jahre dauern, bis
Politik eine Rolle für dich spielen wird. Bis dir die Klimakrise bewusst
werden wird. Bis du deines Mädchen- und Frauseins gewahr werden wirst.
Wobei, Letzteres geht wahrscheinlich schneller, als mir lieb ist. Du wirst
ja deine Schwester in ihren Schneekönigin-Kleidern sehen, mit ihren
Glitzerschuhen und Haarspangen. Natürlich dürfen Jungs das auch alles
tragen, machen sie ja auch. Die meisten Jungs, die ich kenne,
identifizieren sich aber nicht so stark mit Disneyprinzessinnen.
Was bei den Disneyprinzessinnen halt nicht vorkommt, ist die Verantwortung
und teilweise auch Last, die es bedeutet, als Frau durchs Leben zu gehen.
Es wird sehr wahrscheinlich bedeuten, dass du, falls du Beziehungen mit
Männern eingehst, immer für die Beziehungsarbeit zuständig sein wirst. Für
die Kommunikation. Für das Soziale. Und falls du eine Familie gründen
solltest, für die Care-Arbeit. Du wirst diejenige sein, die den Mental Load
trägt, wirst Arzttermine machen und Verabredungen organisieren,
Geburtstagsgeschenke besorgen, Urlaube planen und Kontakte pflegen. Kann
gut sein, dass du nebenbei auch die Familie ernährst.
Falls noch ein paar Euro für die mickrige Rente deiner Mutter übrig
bleiben, wär natürlich toll, aber no pressure! Kleiner Scherz. Natürlich
wird der Druck hoch sein.
Liebe XX, ich will dich nicht verschrecken. Natürlich ist es auch toll,
eine Frau zu sein. Es fühlt sich sehr gut an, all das zu managen. Man
bekommt auch viel zurück. Ach so nein, nicht von der Gesellschaft, haha.
Anerkennung für Care-Arbeit, bitte erwarte das nicht, das ist zu
frustrierend. Wenn, dann streite und kämpfe dafür. Mit Wut. Mit Zähnen und
Fäusten.
Ich meinte, dass man viel zurückkriegt, was soziale Beziehungen angeht. Vor
allem die Beziehungen mit anderen Frauen werden dir viel geben. Im
Gegensatz zu denen zwischen Männern haben Frauenfreundschaften oft eine
ganz andere Verbindlichkeit und Tiefe. Daraus kann unglaubliche Kraft
hervorgehen. Aus den vielen starken Beziehungen kann ein Netz entstehen,
das dich auffängt und trägt. Es kann dir Mut machen, Dinge erleichtern,
kann dir Kraft und Leichtigkeit geben.
Die erste Beziehung dieser Art wird wahrscheinlich die zu mir sein. Ich
werde alles dafür geben, dass sie voller Wärme, Liebe und Vertrauen ist.
Ich freue mich so darauf. Deine Mama
Güzel kızım,
eigentlich wusste ich immer schon, dass ich ein Mädchen bekommen würde. Das
ist kein Kitsch, sondern einfach Ausdruck davon, dass wir beide untrennbar
zusammengehören. Ich habe dich erwartet, bevor greifbar war, ob es dich
jemals geben würde.
Du bist noch nicht ganz ein Jahr und schon jetzt eine richtige
Persönlichkeit, die mit Tonfall, Gesten und ganzen fünf Worten sehr
deutlich zum Ausdruck bringt, was ihre Vorstellung der Dinge ist. Ich
hoffe, du bleibst so unbekümmert abgrenzungsstark, so ausdrucksstark und
klar. Vor allem als Mädchen und Frau. Und ich wünsche mir, dass ich dich
darin bestärken kann.
Es ist nicht deine Aufgabe, lieb zu sein, gehorsam zu sein oder zu
gefallen. Aber wenn meine Erfahrung mit deiner vergleichbar ist, dann wird
dir noch öfters suggeriert werden, dass du dich mehr anpassen sollst –
nicht so aggressiv sein sollst – nicht so laut dein Wissen kundtun sollst.
Ich möchte dich davor schützen, dass du dir diese Einschränkungen zu eigen
machst.
Und du wirst vielleicht trotzdem gefallen wollen, für das Hübschsein
anstatt des Schlauseins Anerkennung bekommen wollen. Auch dieses Gefühl
kenne ich nur zu gut. Ich verurteile dich dafür nicht. Und weißt du was:
Mein persönliches Fazit wurde irgendwann, dass es genauso bescheuert ist,
Frauen auf ihr Aussehen zu reduzieren, wie andere Frauen dafür zu
verurteilen, dass sie im konventionellen Sinne hübsch sein möchten.
Jetzt denkst du vielleicht: Mama, verschwende deine Zeilen nicht auf solche
Banalitäten! Wo ist die Action, die Politik, das Eingemachte? Na ja, ich
habe die Erfahrung gemacht, dass in solchen Themen mehr Politik steckt, als
du vielleicht auf den ersten Blick annehmen magst.
Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, zu dem dir bewusst wird, dass du in
einer für Männer gemachten Welt lebst. Das ist eine unerträgliche
Ungerechtigkeit, die fast alle Bereiche deines Lebens berühren wird und
deren Auswirkungen du dich nicht entziehen kannst. Ich werde dich nicht
davor schützen können, und das macht mich furchtbar traurig und wütend. Ich
will versuchen, deinen Blick für die kleinen und großen Ungleichheiten zu
schärfen, wie es meine Mutter mir wiederum beigebracht hat. Lass dich nicht
täuschen und lass dir vor allem deine Wut nicht nehmen. Wütende Frauen sind
gefährlich, und das ist gut so.
Ich weiß nicht, was die Zeit bringt und wie die Welt aussehen wird, in der
du aufwächst. Wenn du in der Welt kämpfen willst, werde ich dich dabei
unterstützen. Aber kızım, deine Existenz als türkisch-deutsches Mädchen ist
bereits politisch. Du musst keine Heldin für andere sein. Die Kämpfe der
anderen werden auch so unaufgefordert an dich heran- und auf dir
ausgetragen werden.
Teil dir daher deine Kräfte ein. Such dir die Orte, an denen du mit allen
deinen Anteilen sein darfst. Such dir die Menschen, die dich verstehen und
weitertragen. Erstreite dir ein Leben, das dir erlaubt gesund und glücklich
zu sein. Das ist bereits politisch genug. Und vor allem: hab keine Angst.
Es lohnt sich, dem Leben mutig entgegenzutreten. Du bist das Kostbarste auf
der Welt für mich. Deine Mama
Meine liebe Mila,
wir haben Dich uns so sehr gewünscht, und wenn ich Dich und Deine
Schwestern sehe, bin ich voller Freude und Hoffnung. Ihr seid wunderschön,
einzigartig und genau richtig. Ich genieße das Bild unserer Familie und
noch mehr, wenn ich Dich und viele unserer Freunde, die genauso bunt sind
wie wir, gemeinsam sehe.
Dann denke ich, dass so die Zukunft aussieht: bunt, divers, fröhlich und
selbstbewusst! Und wir sind so Viele! Da kann ich mir oft gar nicht
erklären, wie eine so große Mehrheit politisch ganz anders denkt. Weil ich
Mutter von Euch zauberhaften vier Mädchen bin, denke ich auch oft, dass die
Zukunft weiblich ist! Das Ganze erinnert mich an Peter Fox, der seit zwei
Jahren von der „Zukunft Pink“ singt und den positiven vibe meiner Zeit zum
Ausdruck bringt.
Genau das wünsche ich mir für Dich: dass Du Du selbst sein darfst und
kannst – unapologetically – Glücklich sein, Schwarz sein, Weiß sein,
Sambisch sein, Deutsch sein, Frau sein und natürlich alles andere, was Du
sein möchtest, erreichst. Ich werde mein Bestes geben, Dich so stark zu
machen, dass Du Dich nicht einschüchtern oder einschränken lässt. Ich
denke, in Deiner Familie gibt es dafür starke Vorbilder.
Deine tschechischen Urgroßeltern überlebten den 2. Weltkrieg, den Kalten
Krieg und den Kommunismus. Das hat sie gezeichnet. Deine
deutsch-tschechischen Großeltern hatten große Angst vor dem
Wiederaufflammen des Antisemitismus und vor dem Nationalsozialismus. Ich
habe das Gefühl, dass meine Generation vom Schock über die Grausamkeit des
2. Weltkriegs und vom „Besser-Machen“ geprägt war, und ich sehe so Vieles,
was sich seit meiner Kindheit verbessert hat: zum Beispiel das Bewusstsein
über strukturellen Rassismus, die Anerkennung von Geschlechterrollen und
ihrem unterschiedlichen, oft negativen Einfluss auf Männer und Frauen, die
festgeschriebene sexuelle Selbstbestimmung … Das alles ist erst in den
letzten 30 Jahren im öffentlichen Diskurs gelandet.
Dein sambischer Vater lebt Dir und Deinen Schwestern das Ideal von Familie,
häuslicher Teamarbeit und der Verbundenheit mit Afrika – Deinen zweiten
Wurzeln und Vorfahren – vor. Seine Kindheit war vom Ende der britischen
Kolonialherrschaft und den Freiheitsbewegungen im südlichen Afrika
bestimmt. Auch seine Zeit war voll Hoffnung und Selbstbewusstsein.
Nun bist Du gerade jetzt in eine Zeit geboren und wirst 1 Jahr alt, in der
sich sich Fremdenhass und Rassismus wie ein Lauffeuer zu verbreiten und
gesellschaftlich durchzusetzen scheinen. Gerade hat der amerikanische
Präsident Diversity-Förderung beerdigt. Heute macht sich Angst breit, in
Deutschland, in Europa, in der Welt, und Angst treibt die Menschen in den
Egoismus. Rassismus und Fremdenhass werden leider auf jeden Fall Dein Thema
sein. Und etwas ganz Neues, noch verschwommen Bedrohliches, ist die
potenziell zukünftig falsche Nutzung von AI.
Trotz allem, ich bin nicht naiv, aber denke positiv, ich bin Idealistin,
auch wenn in diesen letzten Monaten und Wochen Vieles Angst macht. Die
Angst soll nicht unser Leben bestimmen, der Glaube an Menschenrechte und
die Gleichheit und Freiheit aller Menschen soll stärker sein. Ich wünsche
mir, dass ihr Schwestern zusammenhaltet und Euch gegen Hass und Populismus
stellt. Deine Mama, die Dich mehr liebt als alles auf der Welt
Mein Engel der siegreichen Schwester,
das bedeutet der Name, den ich dir gegeben habe. Du hast mich überrascht
mit deiner Empfängnis. Ich habe nicht erwartet, dass du zu mir kommst, auch
wenn ich mir sehnlichst gewünscht hatte, dich in mir zu tragen. An einem
schönen, sanften Donnerstag hast du das Licht der Welt erblickt. Mit dem
Schutz Gottes und den Segnungen deiner Mutter bist du auf diese Erde mit
all ihren Freuden und ihrem Leid gekommen. Der Moment des Glücks, als ich
dich in den Armen hielt, verwandelte sich sogleich in Schmerz, Traurigkeit
und Sorge. Denn ich war schutzlos dem Rassismus der Hebammen ausgeliefert.
Ich hätte gerne ermutigt, unterstützt und umarmt werden wollen, wie meine
weiße Zimmernachbarin. Doch während sie die Aufmerksamkeit des
Stationspersonals genoss, wurde ich ignoriert.
Du warst zu schwach, um an meiner Brust zu trinken. Auf der anderen Seite
waren meine Brüste durch die gesammelte Milch zu groß geworden und
schmerzten. Ich bat die Stationsschwestern um Hilfe, um mir eine Pumpe zu
besorgen. Mir wurde sie verweigert, während die Schwestern meiner
Zimmernachbarin ausführlich erklärten, wie sie die Pumpe benutzen könne.
Ich weinte, auch aus Sorge um meinen Gesundheitszustand, denn drei Tage
nach dem Kaiserschnitt hatte noch immer keine Ärztin meine Wunde überprüft.
Der Tag meiner Entlassung sollte ein Sonntag sein. Die Kinderärztin
besuchte uns ein letztes Mal, um dich zu untersuchen. Ich teilte der ihr
mit, dass es mir an Milch fehle, worauf sie die Schwester bat, mir einige
Dosen Milch zu besorgen, damit ich dich zu Hause ernähren könne. Doch die
Schwester erteilte der verwunderten Ärztin eine Absage mit der Begründung,
dass das Krankenhaus nicht mehr genug Milch habe. Im ganzen Krankenhaus
sollten nicht zwei, drei Milchdosen übrig sein, damit du am vierten Tag
deines Lebens nicht hungrig sein musst?
Zum Glück konnten wir das Krankenhaus am Sonntag noch nicht verlassen, du
solltest am Montag noch einmal untersucht werden. Als die Schwestern mich
auf die Entlassung vorbereiteten, erzählte ich einer von ihnen von meiner
Traurigkeit und Sorge. Zu meinem Glück befand sich genau in diesem Moment
eine Gynäkologin im Raum, die sich mit meiner privilegierten
Zimmernachbarin unterhielt. Sie hörte meine Verzweiflung und kam zu mir, um
sich nach meinem Befinden zu erkundigen, und ich berichtete ihr alles.
Verwundert war dann auch diese Ärztin, diesmal über den Krankenhausbericht,
in dem notiert war, dass meine Wunde bereits untersucht worden sei – eine
Lüge.
Was ich im Krankenhaus durchmachen musste, hat mit gezeigt, dass meine
Hautfarbe oder ganz einfach meine Herkunft mich zur Verstoßenen bei den
Hebammen machte. Es zeigt mir auch, dass der Rassismus und die
Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft von Tag zu Tag zunehmen.
Dieser Blick und die Ablehnung der Menschen um mich berühren mich sehr. Ja,
ich habe geweint, weil ich genauso viel verdiene wie meine Zimmernachbarin.
Ich war niedergeschlagen, aber nicht gebrochen. Was dich nicht umbringt,
macht dich stark, so sagt man es in meiner Heimat. Jeder Tag ist ein Kampf.
Die Menschen können dich zu Fall bringen, aber wir werden nicht fallen.
Mögen dir die Wege offenstehen, die für mich verschlossen waren. Mögest du
die Architektin, die Ärztin, die Ingenieurin sein, die ich nicht werden
konnte. Möge dein Weg von goldenen Blumen überschwemmt sein, denn du bist
Gold wert. Erleuchte weiterhin den Alltag deiner großen Schwester, den
meinen und den von allen anderen, die dir nahe stehen. So wie deine
Schwester unseren Alltag erleuchtet. Sei gesegnet. Mama, die dich liebt 💕.
Bat sheli, meine Tochter,
ich bin fast in der Mitte meiner Schwangerschaft mit dir. Genau jetzt sind
deine Gebärmutter, Eierstöcke und Eizellen voll entwickelt. Das bedeutet,
dass ich nicht nur dich, sondern auch meine etwaigen Enkelkinder in mir
trage. Es lässt mich an meine Großmutter denken, die mich auch schon in
sich trug, als sie nach der Vertreibung aus Deutschland durch die Nazis ein
neues Leben begonnen hatte; an meine Mutter, die dich in sich trug, während
sie unermüdlich daran arbeitete, in Israel eine gerechte Gesellschaft für
die kommenden Generationen aufzubauen. Du wirst in Berlin geboren, als Kind
einer israelischen Mutter und eines deutschen Vaters. Du bist ein Glied in
einer Kette.
Doch du hast mehr Möglichkeiten als jede Frau vor dir. Ich wünsche dir,
dass du die richtigen Entscheidungen für dich treffen wirst. Sie werden
nicht selbstverständlich sein. Die Welt ist nicht einfacher geworden für
Menschen wie uns. Aber wenn ich an unsere Kette denke – bin ich sicher,
dass deine Wahl die gerechte und die richtige sein wird. In Liebe, Ima
Meine kleine Edith,
auf deinem abenteuerlichen Weg von einem kleinen Mädchen zu einer
erwachsenen Frau wünsche ich dir eine riesengroße Portion Mut. Mut, dir
selbst, deinem Bauchgefühl und deinen Entscheidungen zu vertrauen.
Herauszufinden, was dir Freude bereitet, woran und womit du dich wirklich
begeistern kannst, wofür dein kleines Herz schlägt. Und dann dafür zu
kämpfen. Den Mut zu haben, dich zu äußern, dich zu behaupten, laut zu sein.
Für dich einzustehen, wenn es gerade wichtig für dich ist. Dich selbst
nicht klein zu halten und dich auch von keiner anderen Person klein halten
oder abbringen zu lassen.
Auch wenn es ein Weg sein sollte, der sich stark von anderen unterscheidet
oder der mit bestehenden Konventionen bricht, es wird dein Weg sein. Mit
deiner Entschlossenheit und Willensstärke auch über bestehende Grenzen
hinweg. Gleichzeitig wünsche ich dir den Mut, deine eigenen Grenzen spüren
zu lernen, sie achtsam wahrzunehmen und sie zu verteidigen. Dich nicht
hinreißen zu lassen, sondern deine Bedürfnisse klar zu artikulieren. Laut
und deutlich. Dein Körper ist Werkzeug deines Geistes und gehört ganz
allein dir. Ich hoffe, dass du ihn und somit auch dich selbst entsprechend
akzeptierst, wertschätzt und selbstfürsorglich behandelst.
Ich wünsche dir, dass du liebevolle Freund*innen findest, mit lachendem
Herzen, mit denen du dich austauschen, ausprobieren und wachsen kannst. Mit
denen du Banden bildest. Um gemeinsam gewappnet zu sein, gegen bestehende
Schönheitsideale, oberflächliche Fernsehformate, falsche Welten auf Social
Media und deren Vergleich, Materialismus, Konsum. Auch wenn das alles
andere als einfach ist. Gewappnet gegen die Erwartung, als Frau Familie zu
gründen, Kinder zu kriegen, Care-Arbeit leisten zu müssen. In Elternzeit zu
gehen, Haus und Hof zu hüten, allein verantwortlich zu sein, für den Mental
Load. Nach der Eingewöhnung der Kinder nur noch Teilzeit zu arbeiten.
Eigenes Wachsen im Job hintenanzustellen.
Du, meine Edith, wirst den Mut haben zu entscheiden, wen und wie du liebst.
Wie bunt dein Du, wie bunt dein Leben ist. Wie du dich kleidest, wie du
dich fortbewegst, wie du deine Freizeit gestaltest. So dass du dich auf
deinem Weg selbst findest. Mit Geduld und Nachsicht. Und du dir selbst
genug sein kannst. So wie du bist. Vollkommen. Deine Mama
Endlich bist du da, meine kleine Malou!
Die ganze Schwangerschaft haben wir gerätselt, ob du ein Mädchen oder ein
Junge werden wirst und uns immer wieder dazu entschieden, uns bei der
Geburt überraschen zu lassen. Vor allem aus Spannung, weil wir durch den
medizinischen Fortschritt so vieles vorhersehen können. Außerdem solltest
du unvoreingenommen angenommen werden und möglichst frei von
geschlechterspezifischen Erwartungen aufwachsen.
Als ich dich dann geboren habe, konnte ich das Glück in den Händen halten
und war überwältigt von deiner Vollkommenheit. Dein Geschlecht spielte
dabei keine Rolle. Ich habe sogar vergessen, zu gucken, welches Geschlecht
du tatsächlich hast.
Ich habe dich sofort geliebt – bedingungslos und echt. Diese Liebe ist
stetig gewachsen und ich wünsche dir, dass du sie nicht nur von mir,
sondern auch allen anderen Menschen, die dir wichtig sind, erfährst. Jetzt,
wo ich weiß, dass du ein Mädchen bist, haben wir aber doch eine ganz
besondere Beziehung: Mutter und Tochter.
Ich habe das Gefühl, nun vielmehr hineinfühlen zu können, was du brauchst.
Die Beziehung zu deinem Bruder kommt mir besonders eng vor, deine hingehen
kommt mir besonders vertraut vor. Und selbst wenn ich wollte, dass ich euch
vollkommen gleich behandle, so muss ich mir doch eingestehen, dass es für
mich einen Unterschied macht. Dabei gibt es kein besser oder schlechter!
Die Beziehung ist einfach anders.
Und jetzt, wo ich das weiß, will ich es nicht weiter ignorieren. Denn
authentisch zu sein, ist einer der wichtigsten Grundsätze für mich, die ich
in der Erziehung umsetzen möchte. Und deshalb werde ich es zelebrieren,
wenn ich dir dein erstes rosa Kleidchen kaufen kann. Vielleicht mag der ein
oder andere jetzt aufschrecken. Wie kann ich als junge Mama, moderne Frau,
so ein Rollendenken unterstützen? Ich jedoch bin überzeugt, dass sich deine
Identität nicht dadurch bestimmt.
Denn wer du bist, kann ich auch jetzt schon erkennen, ohne dass du deine
Kleidung bewusst wahrnehmen kannst. Du bist humorvoll, ausgeglichen,
musikalisch und glücklich. Und dein Name passt so unfassbar gut zu dir:
Malou, die mutige Kriegerin und zugleich die Friedliche. Genau das wünsche
ich dir auch fürs weitere Leben. Dass du für dich einstehst und kämpfst und
gleichzeitig die Welt ein Stückchen friedlicher machst.
Dass du deine Identität im Herzen trägst und dich von äußeren Umständen,
den Meinungen anderer und Aussehen nicht verunsichern oder blenden lässt.
Dass du die Fähigkeit besitzt hinter die Fassade zu blicken und dir selbst
eine Meinung zu bilden. Dass du deinen eigenen Weg gehst und die Welt
erkundest, ohne dich von Grenzen zurückhalten zu lassen.Du bist wunderbar,
genau so wie du bist! Ich liebe dich! Deine Mama
7 Mar 2025
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