# taz.de -- Reden auf Preisverleihungen: Ich danke mir | |
> Schauspieler Timothée Chalamet wagte es, einen Preis ohne falsche | |
> Bescheidenheit entgegenzunehmen. Das sollten noch viel mehr Menschen so | |
> handhaben. | |
Bild: Keine falsche Schaue und sich selbst fest im Blick zu haben kann auch ein… | |
Berlin taz | Deutschland hat den Karneval, die USA haben Award Season. Von | |
November bis März hüllen sich Stars und die, die es werden wollen, in | |
extravagante Kostüme und halten ihre Designerhandtaschen auf, um so viel | |
goldglänzende Kamelle wie nur möglich aufzufangen: Golden Globe Awards, | |
Grammy Awards, Critics’ Choice Awards, Kids’ Choice Awards, Independent | |
Spirit Awards, Gotham Awards. Hier wie dort kommt die fünfte Jahreszeit nun | |
zu ihrem Höhepunkt: Rosenmontagszug in Köln, [1][Oscars] in Los Angeles. | |
Bei den Academy Awards nominiert als bester Hauptdarsteller für seine | |
Performance [2][als Bob Dylan in „Like a Complete Unknown“] ist unter | |
anderem der 29-jährige Timothée Chalamet. Sollte er gewinnen, darf man | |
gespannt sein, ob er auf der Bühne, wie auch schon vor ein paar Tagen bei | |
den Screen Actors Guild Awards, etwas ganz und gar Unnärrisches tut: | |
nämlich sich selbst ernst zu nehmen. Bei seiner Acceptance Speech am | |
Sonntag wirkte er weder überrascht noch überwältigt, dankte kurz seiner | |
Mutter und dann in erster Linie der eigenen Ambition. Mehr als fünf Jahre | |
habe er sich auf Dylan vorbereitet, generell strebe er an, einer der ganz | |
Großen zu werden. So wie Marlon Brando, Michael Jordan oder Michael Phelps. | |
Na hoppla. Welch Hybris! Wer diese Rede so richtig fühlen dürfte, ist die | |
deutsche Bestseller-Autorin Caroline Wahl, die vergangenes Jahr erst wagte, | |
öffentlich auszusprechen, dass sie mal Deutschlands bekannteste | |
Schriftstellerin sein will, um dann auch noch einen beleidigten | |
Instagram-Post darüber zu verfassen, [3][nicht für den Deutschen Buchpreis | |
nominiert] worden zu sein. | |
Das Feuilleton stritt, ob das erfrischend, peinlich oder beides ist. Und | |
weil wir Um-die-dreißig-Jährigen hier schon alle dabei sind, uns irgendwas | |
anzumaßen, mache ich, als Deutschlands führende Meinungsmacherin in spe, | |
das auch und bestimme ein für alle Mal: JA! Ja, bitte mehr davon, denn es | |
ist echt, es ist roh, und Bescheidenheit dauert einfach zu lang. | |
## Danke Meryl, danke Beyoncé | |
Insbesondere bei den Oscars, wo auf der Bühne geschrien und geschluchzt und | |
in Schockstarre kein Wort herausgebracht wird, als sei die Chance, dort | |
oben zu stehen, nicht 1:5 gewesen. Nein, keine Rede vorbereitet, einfach | |
nicht damit gerechnet, danke Meryl, danke Beyoncé, danke Klassenlehrer, der | |
schon lange tot ist, danke allen, die etwas in MIR, diesem wandelnden | |
Haufen Inkompetenz, gesehen haben. Neinneinneinneinnein, sage ich da, genug | |
damit. DU warst es, der jeden Tag am Set die schwere Ritterrüstung trug, DU | |
hast die Kuss-Szenen mit dem Kollegen mit dem Knoblauchatem durchgestanden, | |
DU hast extra Klavierstunden genommen für diese Rolle! Own it! | |
Aber im Ernst: Ich rate allen, die am Sonntag oder irgendwann anders auf | |
die Bühne müssen, um geehrt zu werden, sich noch mal die Dankesrede von | |
Shirley MacLaine (beste Hauptdarstellerin 1984) anzuschauen. „Ich fang | |
gleich an zu heulen, weil diese Veranstaltung so lange dauert wie meine | |
Karriere“, sagte sie und pries das Potenzial, das wir ihrer Meinung nach | |
alle in uns tragen, wenn wir überzeugt sind, etwas wirklich zu verdienen. | |
„Ich verdiene das hier“, sagte sie dann, hielt den Oscar in die Höhe und | |
verschwand. | |
Von Reden wie diesen profitieren wir alle, denn sie sorgen dafür, dass | |
Award Shows, die natürlich grundsätzlich völlig albern sind, schneller | |
enden. Und vielleicht, ganz vielleicht hinterlassen sie in der ein oder | |
anderen Künstlerin der Zukunft das Bewusstsein, dass sie ihren Erfolg nicht | |
immer allem und jedem schuldet – sondern besonders sich selbst. | |
1 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Leonie Gubela | |
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