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# taz.de -- Totschlag von William Chedjou: Gericht erkennt keinen Rassismus
> Im Fall William Chedjou verhängt das Berliner Landgericht eine
> Haftstrafe. Unterstützer:innen protestieren gegen die Milde des
> Urteils.
Bild: Aktivist:innen auf der Suche nach Gerechtigkeit vor dem Berliner Strafger…
Berlin taz | Im Prozess um die Tötung von William Chedjou hat das Berliner
Strafgericht am Montagmittag den Angeklagten Tolga E. wegen Totschlages zu
einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt. E., ein 30-jähriger Deutscher
mit türkischem Hintergrund, hatte Chedjou, einen 37-jährigen Kameruner, am
11. Juli 2024 in Berlin-Gesundbrunnen auf offener Straße erstochen. Der Tat
war ein Streit um eine Parklücke vorausgegangen. Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig.
Das Gericht stellte keine niederen Motive fest und schloss deshalb Mord als
Tatbestand aus. Auch [1][Rassismus gegen Chedjou] soll nach Ansicht des
Vorsitzenden Richters Thomas Groß für die Tat keine Rolle gespielt haben.
Im Gerichtssaal und vor dem Gerichtsgebäude protestierten Angehörige,
Freund*innen und Unterstützer*innen gegen das Urteil.
Während der Urteilsbegründung hielt der Richter immer wieder die Tatwaffe
hoch: ein 11,5 Zentimeter langes Jagdmesser. „Damit stach Tolga E. durch
bis zur Wirbelsäule. Diesen Stich konnte niemand überleben“, sagte Groß.
Dementsprechend seien sich alle am Prozess beteiligten Jurist*innen
einig gewesen, dass es sich um einen Totschlag handele, der Verurteilte
also vorsätzlich getötet hatte.
## Empathie mit dem Täter
Das Mindeststrafmaß für Totschlag liegt bei 5 Jahren Freiheitsstrafe. Groß
betonte zwei Aspekte, die zu dem vergleichsweise milden Urteil von 6 Jahren
geführt haben: Am Tatort habe E. nur halbherzig versucht zu fliehen und
sich dann widerstandslos festnehmen lassen. Vor Gericht habe er seine Tat
gleich zu Beginn gestanden und nicht versucht, sich etwa mit Verweis auf
Notwehr herauszureden. Außerdem habe E. keine Vorstrafen.
Rassistische Motive erkannte Groß nicht. „Die Ursache war nicht, dass
William Chedjou Schwarz war, sondern dass E. es für notwendig hielt, sich
mit einem Messer zu bewaffnen und dass keiner der Beteiligten die Banalität
der Situation erkannte und deeskalierte.“ Damit sprach er der Opferseite
Verantwortung für den Streit und seine tödlichen Folgen zu.
Zum Ende der Urteilsbegründung wurden Stimmen aus dem Publikum laut. „Das
war Mord“ und „Wir wollen Gerechtigkeit“ riefen Zuschauer*innen dem
Richter entgegen. Die Empörung über das Urteil setzte sich vor dem
Gerichtsgebäude fort. Dort versammelten sich rund 30 Personen zu einer
Kundgebung und riefen Slogans wie „Shame on you“ oder „No Justice no
Peace“.
## Rassistische Stereotype?
Sista Oloruntoyin unterstützt die Mutter und die Partnerin von Chejdou. Sie
empfindet das Urteil als Ausdruck eines systematischen Justiz-Versagens.
„Es gab so viel Empathie mit dem Täter. Dabei ist vollkommen klar, dass er
aus anti-Schwarzem Rassismus handelte. Warum sonst solltest du so ein
großes Messer mitnehmen“, sagte sie zur taz.
Brother Mweyemudza, ebenfalls ein Unterstützer, erinnert daran, wie E. im
Prozess den Streit geschildert hatte: „Der Täter sprach von einer Übermacht
Schwarzer Männer, dabei standen da nur zwei oder drei am Straßenrand, er
sagte, sie seien so laut und aggressiv gewesen – das sind typische
rassistische Stereotype.“ Doch das Gericht habe gar nicht versucht,
rassistische Gedankengänge des Täters nachzuvollziehen.
Tolga E. [2][tötete William Chedjou am 11. Juli in der Böttgerstraße in
Gesundbrunnen]. Chedjou hatte dort seinen neu gekauften Kleintransporter
abgestellt, den er seinem Freund Cyrille F. zeigen wollte. Es entwickelte
sich zuerst ein Streit zwischen E.s Bruder, der in der Nähe arbeitet – wohl
wegen einer Parklücke. Als E. selbst mit seinem Vater als Beifahrer
vorbeifuhr, stieg zuerst der Vater aus, angeblich, um den Streit zu
schlichten. Dann kam E. dazu, wurde handgreiflich und erstach Chedjou.
17 Feb 2025
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## AUTOREN
Nora Noll
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Berlin-Wedding
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Totschlag
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