# taz.de -- Wasserstoffvorkommen: Geologen entdecken immer mehr natürlichen Wa… | |
> Ein Fund in Mali galt einst nur als wissenschaftliches Kuriosum. Doch | |
> inzwischen suchen Forscher weltweit nach dem Energieträger. | |
Bild: Das Carreau Wendel Industriemuseum in Lothringen – dort wo einst Kohle … | |
Natürliche Wasserstoffvorkommen im Untergrund fanden selbst in der | |
Wissenschaft lange Zeit wenig Beachtung. Doch angesichts der politischen | |
Debatte über eine Wasserstoffwirtschaft und nach der Entdeckung mehrerer | |
Lagerstätten steigt das Interesse der Geologen rapide. Zwar sind die | |
bislang nachgewiesenen Mengen an den meisten Fundorten gering, gleichwohl | |
keimt plötzlich Hoffnung auf, dass auch der [1][natürliche Wasserstoff] | |
künftig einen gewissen Beitrag zur Energieversorgung leisten könnte. Das | |
weltgrößte Vorkommen wird derzeit im französischen Lothringen vermutet, | |
aber auch in Deutschland könnte es nach Einschätzung von Geologen | |
theoretisch natürlichen Wasserstoff geben. | |
Einen umfassenden Überblick über mögliche Wasserstoff-Lagerstätten hat | |
bisher niemand. Man habe eben „bisher nicht gezielt danach gesucht“, heißt | |
es in einer aktuellen [2][Publikation von Wissenschaftlern der | |
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)]. Auch bei anderen | |
Explorationen habe man „Wasserstoffkonzentrationen nicht mitgemessen“. | |
## Global immer neue Funde | |
In Italien haben Forscher aber genau das jüngst getan. Geologen der | |
Universität Lausanne entdeckten bei Bohrungen in Megolo südlich von | |
Domodossola plötzlich Blasen im Wasser, das aus dem Bohrloch strömte. Sie | |
fingen das Gas auf und untersuchten es im Labor – es war Wasserstoff, der | |
im Untergrund entstanden war. | |
Dass es in den Tiefen der Erde mancherorts Wasserstoff gibt, weiß man zwar | |
grundsätzlich seit Jahrzehnten, doch praktische Relevanz hatte diese | |
Erkenntnis nie. Das bekannteste Beispiel stammt aus Mali. Dort hatte man | |
bereits 1987 bei einer Grundwasserbohrung zufällig ein Wasserstoffvorkommen | |
entdeckt, das man fortan als geologisches Kuriosum betrachtete. Erst 2012 | |
öffnete man das Bohrloch wieder und schaute genauer hin. So stellte man | |
fest, dass dort pro Jahr 50 Tonnen natürlich entstandener Wasserstoff mit | |
einer Reinheit von 98 Prozent ausströmen. | |
Eine Flussrate von sogar 200 Tonnen pro Jahr ermittelten Forscher in 2024 | |
in einer Mine in Albanien. Dort war man früher bei Grubenexplosionen stets | |
davon ausgegangen, dass Methan die Schuld hatte – bis man jüngst | |
nachforschte und ein Gas mit einer Wasserstoffkonzentration von 84 Prozent | |
vorfand. | |
Inzwischen berichten Geologen auch von Wasserstofffunden in der Türkei und | |
in Frankreich. In einigen Ländern wurden bereits Lizenzen für die | |
Exploration vergeben, etwa in den USA, in Spanien, Australien und | |
Frankreich. | |
Besonders der Fund in Frankreich sorgt für Aufsehen: In Folschviller im | |
Lothringer Becken wurden unter Steinkohlevorkommen Wasserstoffreservoire | |
entdeckt, die aktuell als die größten weltweit gelten. Geologen schätzen, | |
dass dort bis zu 46 Millionen Tonnen Wasserstoff lagern könnten – das wären | |
ganz neue Dimensionen und erstmals Mengen von energiewirtschaftlicher | |
Relevanz. | |
Dazu die Vergleichszahlen: Bundesweit liegt der Wasserstoffverbrauch | |
aktuell bei 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr; er soll laut der [3][Nationalen | |
Wasserstoffstrategie] bis auf rund 10 Millionen Tonnen im Jahr 2045 | |
steigen. Weltweit nutzt die Industrie heute 95 Millionen Tonnen Wasserstoff | |
jährlich, überwiegend als Rohstoff in der Chemiebranche. So braucht zum | |
Beispiel die Firma Evonik in Rheinfelden im Jahr rund 8.000 Tonnen | |
Wasserstoff – was bereits ein Vielfaches der Mengen ist, die bisher aus | |
Mali oder Albanien bekannt waren. Nun aber blickt die Welt nach Lothringen | |
und es stellt sich die Frage, ob es auch auf deutscher Seite relevante | |
Lagerstätten geben könnte. Doch zu Vorkommen in Baden-Württemberg, so lässt | |
das dortige Landesamt für Geologie, Bergbau und Rohstoffe auf Anfrage | |
wissen, lägen bisher „keine Informationen“ vor. Entsprechend seien „auch | |
keine potenziellen Standorte bekannt“. Gleichwohl will Peter Klitzke, | |
Geologe bei der BGR, auch im Rheingraben Vorkommen nicht ausschließen – die | |
Gesteine ließen eine Entstehung und Ansammlung von Wasserstoff nämlich | |
grundsätzlich möglich erscheinen. | |
Unter welchen geologischen Bedingungen sich natürlicher Wasserstoff | |
überhaupt bilden kann, glauben Geologen nämlich recht gut verstanden zu | |
haben. Es kommen mehrere Optionen infrage. Zum einen gibt es biologische | |
Prozesse, bei denen Mikroorganismen organische Stoffe derart zersetzen, | |
dass Wasserstoff entsteht. | |
## Entstanden tief unter der Erde | |
Aber auch abiotische Prozesse – also solche, an denen keine Lebewesen | |
beteiligt sind – können das begehrte Gas hervorbringen. Einer davon ist die | |
Radiolyse: Natürlich vorkommende radioaktive Elemente im Gestein können im | |
Zuge ihres Zerfalls durch ihre Strahlung Wassermoleküle in ihre | |
Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegen. | |
Komplexer noch ist der Vorgang der sogenannten Serpentinisierung. In | |
Gesteinen mit einem hohen Anteil von Magnesium und Eisen kann bei der | |
Oxidation des Eisens der Wasserstoff als Nebenprodukt entstehen. Ob der | |
Prozess an einem Standort tatsächlich stattfindet, hänge von der | |
Gesteinszusammensetzung, dem Wassergehalt, Druck und Temperatur ab, erklärt | |
BGR-Wissenschaftler Klitzke. Als optimal gelten Temperaturen zwischen 200 | |
und 300 Grad, weshalb Schichten zwischen 7 und 10 Kilometer Tiefe zur | |
Wasserstoffbildung prädestiniert sind. | |
Während die Entstehung von natürlichem Wasserstoff relativ gut verstanden | |
ist, sind hingegen die parallelen Abbauprozesse von Wasserstoff, die es im | |
Untergrund ebenfalls gibt, noch wenig erforscht. Ebenso ist die Frage, | |
welche geologischen Formationen tatsächlich eine Ansammlung ermöglichen, | |
nur in Teilen beantwortet. | |
Doch in dieser Hinsicht dürften in den nächsten Jahren weitere Erkenntnisse | |
zu erwarten sein. An vielen Orten bilden sich nämlich inzwischen | |
Arbeitsgruppen, die das Thema erforschen. Das GeoZentrum Nordbayern der | |
Universität Erlangen-Nürnberg hat ein Forschungsprojekt „Natürlicher | |
Wasserstoff in Nordbayern“ gestartet. Das GeoForschungsZentrum Potsdam | |
unterdessen untersucht Gebirgsketten im Mittelmeerraum. Für die Experten | |
der Lagerstättenkunde ist die Suche nach Wasserstoff übrigens in einem | |
Punkt ein eher untypisches Thema: Es geht hierbei – verglichen mit Öl und | |
Gas – um kurzfristige Bildungsprozesse. Während die fossilen Energien in | |
Zeiträumen von Jahrmillionen entstanden sind, kann die Bildung von | |
Wasserstoffansammlungen schon in Tausenden von Jahren erfolgen – für | |
Geologen nur ein Wimpernschlag der Geschichte. | |
6 Feb 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Natuerlicher-Wasserstoff-unter-der-Erde/!5921085 | |
[2] https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Downloads/wasserstoff_EEK.pdf?__b… | |
[3] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Wasserstoff/Dossiers/wasserstoffstrategie.… | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
## TAGS | |
Wasserstoff | |
Energie | |
Wissenschaft | |
Wasserstoff | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wasserstoff aus Irland: Der Traum vom grünen Gold | |
Irland will günstigen Wasserstoff exportieren. Doch das Land hinkt im | |
Ausbau der nötigen Infrastruktur und Erneuerbaren hinterher. |