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# taz.de -- Buch über Tour de France: Es geht auch ohne Fantum
> 15 Mal hat Reporter Stephan Klemm das Radsportereignis begleitet. Mit
> „Tour de France“ veröffentlicht er nun eine sehr gründliche Analyse.
Bild: Strampeln auf Frankreichs Straßen: auch der Belgier Remco Evenepoel mach…
Stephan Klemm ist ein vielseitiger Sportjournalist, er schreibt über
Handball und Skispringen, Sportpolitik und Doping und hat zuletzt dem
epischen Match im Halbfinale der Fußball-WM 1982 zwischen Deutschland und
Frankreich ein Buch gewidmet. Doch die große Leidenschaft des studierten
Historikers gehört ganz eindeutig dem Radsport.
[1][15 Mal hat Klemm die Tour als Reporter begleitet], von den Tagen der
großen deutschen Euphorie um Jan Ullrich und das Team Telekom bis ins Jahr
2024, in dem ein übermenschlich radelnder Tadej Pogačar so viel Bewunderung
wie Skepsis hervorrief.
Über all die Jahre gärte in ihm der Wunsch, das Phänomen Tour de France,
das er so intim kennengelernt hatte, wie kaum ein anderer, einem deutschen
Publikum so gründlich nahezubringen, wie das nur irgend geht. [2][Nun hat
Klemm ein mehr als 600 Seiten starkes Werk] über das drittgrößte
Sportereignis der Welt vorgelegt, umfassender und gründlicher als alles,
was es zur Tour in deutscher Sprache bislang zu lesen gab.
Langatmig oder gar langweilig ist die Lektüre jedoch trotz des beachtlichen
Volumens nicht eine Seite lang. Klemm schafft es, dem Leser jene Tour zu
zeigen, die er kennt und die ihn über die Jahre um so mehr fasziniert hat,
je mehr Aspekte des Spektakels er zu verstehen gelernt hat. Dabei gleitet
Klemm niemals in das Fantum ab, das Sportjournalisten häufig vorgeworfen
wird.
## Stelldichein großer Figuren
Heldenverehrung interessiert ihn nicht, auch nicht in den Kapiteln, die den
bedeutsamsten Persönlichkeiten gewidmet sind, welche die Tour in ihrer 121
Jahre langen Geschichte hervorgebracht hat. Klemm bleibt Chronist und
Analytiker, er beschreibt, warum die großen Figuren der Tour von
[3][Jacques Anquetil] über Eddy Merckx bis hin zu Lance Armstrong eine so
große Anziehungskraft entfaltet haben und was sie ausgemacht hat, ohne
selbst die Distanz zu verlieren.
Am stärksten ist das Buch jedoch, wenn es vom Geschehen auf der Landstraße
weggeht, auch wenn sich gerade die Nacherzählung der Rundfahrten in den
abenteuerlichen frühen Jahren des Rennens überaus unterhaltsam lesen. Noch
spannender ist jedoch der Blick hinter die Kulissen, bei dem man von Klemm
vieles erfährt, was selbst dem aufmerksamen Radsportbeobachter so nicht
bekannt war.
So weiß man im Allgemeinen, dass die Tour de France als auflagenfördernder
Werbegag einer Zeitung entstanden ist. Die Details des damaligen
Verlegerkrieges von L’Auto und Le Vélo gab es so jedoch auf Deutsch so noch
nicht zu lesen. Klemm rekonstruiert nicht nur bis zum Dialog zwischen dem
Journalisten Géo Lefèvre und seinem Chef Henri Desgrange den Lunch, bei dem
im Jahr 1902 die Idee zur Tour geboren wurde. Er breitet auch den
soziokulturellen Kontext der Entstehung von der Fahrrad- und
Technikeuphorie jener Zeit bis hin zum politischen Klima aus.
Ebenso spannend ist die Erfolgsgeschichte der heutigen Ausrichtefirma
Amaury Sports (A.S.O), die über 70 Jahre ein Mischimperium als
Medienunternehmen und Sportveranstalter aufgebaut hat – einer Maschinerie,
von der die Tour de France nur ein kleiner Teil ist.
Dabei wird auch nicht ausgespart, wie die A.S.O sich immer wieder in
Machtkämpfe mit den Radsportverbänden verstricken musste, um ihre
Interessen zu wahren, die auch vor Sabotageakten nicht haltmachten. Nun hat
sie es, wie viele Sportorganisationen, mit finanzstarken Investoren aus dem
Nahen Osten zu tun, die große Pläne für die Gesamtvermarktung des Radsports
hegen. Dabei tritt die A.S.O als eiserne Behüterin von Tradition und
europäischer Radsportkultur auf.
Stephan Klemm bereitet all das journalistisch und mit erzählerischem
Geschick auf. Dabei weitet sich, Story für Story, der Blick auf die Tour
als – man verzeihe das Klischee – viel mehr als ein Radrennen. Sie wird als
wirtschaftliches, kulturelles, politisches und soziales Phänomen greifbar
und damit um einiges faszinierender, als alleine der allsommerliche
Heldenkampf an den Hängen der Alpen und Pyrenäen.
30 Jan 2025
## LINKS
[1] https://www.letour.fr/de/
[2] https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1071197895?msockid=1bd675bb…
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Jacques_Anquetil
## AUTOREN
Sebastian Moll
## TAGS
Tour de France
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