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# taz.de -- Machtmissbrauch an der HU Berlin: Düsteres Lernumfeld
> Wie verbreitet ist Machtmissbrauch durch Dozent*innen? Eine Umfrage an
> der Humboldt-Uni zeigt, dass fast die Hälfte der Studierenden betroffen
> ist.
Bild: Unter wissenschaftlicher Beobachtung: Helmholtz-Denkmal an der HU
Berlin taz | Dozent*innen, die Studierende in ihren Seminaren
bloßstellen, die ausfallend und beleidigend werden, andere
Uni-Beschäftigte, die sich über Deutschfehler ausländischer
Kommiliton*innen lustig machen – [1][und immer wieder
Machtmissbrauch]: Es ist ein düsteres Bild von den Lernbedingungen an der
Humboldt-Universität, das eine aktuelle Umfrage unter Studierenden und
ehemaligen Studierenden zeichnet.
Demnach hat knapp die Hälfte der rund 850 Befragten mindestens einmal
mitbekommen, dass Dozent*innen ihre Macht missbrauchten. 14 Prozent
gaben an, oft Machtmissbrauch zu erleben. Durchgeführt wurde die Umfrage ab
November 2023 von der Studierendenvertretung der HU, dem Referent*innenrat.
Die nun erstellte Auswertung liegt der taz vor.
Als Machtmissbrauch gilt, wenn Dozent*innen ihre institutionelle Macht –
etwa über Prüfungen, die Gestaltung von Lehrinhalten oder die Entscheidung
über Anträge in Gremien – nutzen, um anderen Personen
ungerechtfertigterweise zu schaden oder egoistische Ziele durchzusetzen.
16 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen berichten dabei von
„diskriminierendem Machtmissbruch“. Vor allem sexistische und misogyne
Vorfälle spielen hier eine Rolle. Der Bericht zitiert anonyme Studentinnen,
die von unangenehmen Blicken oder dem Gefühl schreiben, nicht ernst
genommen zu werden. Das sei klassischer Sexismus, der „sich im Einzelfall
immer weiter steigert und bis zu körperlichen Übergriffen und Gewalt
eskaliert“, so der Bericht.
## Der Fall Andreas K.
So wie am Institut für Geschichte der HU: Im Frühjahr 2023 hatten
Studierende auf den Machtmissbrauch durch den Geschichtsdozenten Andreas K.
aufmerksam gemacht. [2][Vorwürfe jahrelanger sexualisierter Gewalt wurden
laut.] Der Referent*innenrat unterstützte Betroffene bei der
Aufarbeitung, der Fall ging durch die Presse. [3][Im Frühjahr 2024 wurde K.
schließlich gekündigt.]
„Als das Ganze öffentlich geworden ist, haben wir festgestellt, dass das
ein flächendeckendes Problem an der HU ist und sich eben nicht nur auf ein
Institut begrenzt“, berichtet Ray Babajew vom Referent*innenrat. Der
Jura-Student hatte selbst eine Aufklärungskampagne zum Thema
Machtmissbrauch mitorganisiert. „Dann sind immer mehr Studierende auf uns
zugekommen, von immer mehr Instituten.“
Die Studierendenvertretung will zeigen: Andreas K. ist kein Einzelfall. „Es
gibt immer mal wieder einen besonders schlimmen Fall an irgendeiner Uni,
aber es ist ein strukturelles Problem“, sagt Eske Woldmer. Auch er ist
Mitglied des Referent*innenrats.
Ihnen sei bei der Gelegenheit aufgefallen, „dass es keine aktuellen
Erhebungen gibt, in welchem Umfang Machtmissbrauch an Universitäten
existiert“, sagt Woldmer. Auch deshalb habe man eine eigene Umfrage
initiiert.
## Queerfeindlichkeit und Rassismus
Der Bericht lenkt den Blick auch auf [4][Queerfeindlichkeit] in Verbindung
mit Machtmissbrauch und kommt zu erschreckenden Ergebnissen. So gaben 53
Prozent der queeren Teilnehmer*innen an, sich nicht sicher an der
Universität zu fühlen.
Hinzu kommt das Thema Rassismus, die Diskriminierung ausländischer
Studierender, rassistische Lehrinhalte. „Da geht es dann um Begriffe und
Bilder, die in Vorlesungen immer wieder reproduziert werden“, sagt Babajew.
Aus der Beratungspraxis wisse er, was solche Erlebnisse zur Folge haben
können. Betroffenen falle es oft schwer, die Erfahrung als Machtmissbrauch
zu begreifen. „Nach dieser Erkenntnis sehen wir oft, dass Studierende
anfangen, Ausweichmechanismen zu entwickeln, also zum Beispiel die
Vorlesung wechseln oder sogar den Studiengang.“ Im schlimmsten Fall würden
sie ihr Studium komplett abbrechen.
Bislang fänden betroffene Studierende kaum angemessene Unterstützung,
kritisiert der Referent*innenrat. Die Rede ist von unklaren Zuständigkeiten
und einem intransparenten Netz verschiedener Anlaufstellen.
## HU verweist auf Zentrum Chancengerechtigkeit
Die HU selbst verweist auf Nachfrage auf das Zentrum Chancengerechtigkeit,
das seit Juli 2024 das zentrale Büro der Frauen- und
Gleichstellungsbeauftragten, das Familienbüro und zwei neue Bereiche gegen
Diskriminierung und Antisemitismus bündelt. „Auf diese Weise sind wichtige
Akteur*innen der Antidiskriminierungsarbeit an der HU nun unter einem
Dach vereint“, so eine Sprecherin der HU.
„Aber es fehlt weiterhin eine Stelle, die alle Machtmissbrauchsfälle
aufnimmt, erfasst und sich dann darum kümmert“, sagt Eske Woldmer.
Langfristig fordert der Referent*innenrat einen Umbau des
Hochschulsystems. „Wir müssen überlegen, ob wir tatsächlich weiterhin
dieses Feudalsystem behalten wollen, mit einer Professur und vielen
Angestellten in Abhängigkeitsverhältnissen darunter.“
13 Feb 2025
## LINKS
[1] /Machtmissbrauch-an-Universitaeten/!5946448
[2] /Sexualisierte-Gewalt-an-der-HU-Berlin/!5984516
[3] /Mutmasslicher-Machtmissbrauch-in-Berlin/!6018125
[4] /LSVD-Sprecherin-zu-Queerfeindlichkeit/!6011215
## AUTOREN
Nora Noll
## TAGS
Machtmissbrauch
Humboldt-Universität
Berliner Hochschulen
Diskriminierung
Umfrage
Studierende
Sexualisierte Gewalt
Deutsche Universitäten
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