# taz.de -- Abkommen zwischen Israel und Hamas: Letzte Ausfahrt vor der Hölle | |
> Das Abkommen zwischen Israel und Hamas hat bislang gehalten – trotz | |
> gegenseitiger Vorwürfe des Bruchs. Nun könnte es zerbrechen | |
Bild: Wo ist Alon Ohel? Proteste für die Freilassung der in Gaza verbliebenen … | |
Knapp drei Wochen vor Beginn der zweiten Phase droht die fragile Waffenruhe | |
im Gazastreifen zu zerbrechen. Nach einer mehrstündigen Sitzung des | |
israelischen Sicherheitskabinetts ließ Regierungschef Benjamin Netanjahu am | |
Dienstagabend eine Mitteilung veröffentlichen, in der er der Hamas mit | |
einer Fortsetzung des Gazakriegs drohte. Die IDF werde die Kämpfe „bis zur | |
endgültigen Niederlage der Hamas“ wieder aufnehmen, wenn die Hamas die | |
Geiseln nicht bis Samstagnachmittag zurückgebe. | |
Zuvor hatte [1][die Hamas gedroht], die Freilassung weiterer Geiseln | |
auszusetzen, und mutmaßliche Verstöße Israels gegen die Waffenruhe | |
angeführt. Israels Verteidigungsminister Israel Katz hatte die Armee in | |
Alarmbereitschaft versetzt und angeordnet, sich „auf jedes Szenario in | |
Gaza“ vorzubereiten. | |
US-Präsident Donald Trump setzte der Hamas bereits am Montagabend ein | |
Ultimatum, das es in sich hatte: Wenn nicht alle Geiseln bis kommenden | |
Samstag um 12 Uhr freigelassen würden, würde die Waffenruhe beendet werden | |
und „die Hölle losbrechen“. | |
Die Maximalforderung Trumps mag eine harte Verhandlungsführung sein, doch | |
der Einsatz ist enorm: Zerbricht die seit Mitte Januar gültige Waffenruhe, | |
droht eine Fortsetzung des Krieges und damit des Leids im Gazastreifen. | |
Diesmal aber unter den Vorzeichen einer Vertreibung der zwei Millionen | |
palästinensischen Bewohner, wie es Trump und die israelische Führung seit | |
Tagen vorschlagen. | |
Die Hamas ruderte noch am Montagabend zurück und versicherte auf Telegram, | |
die Türe für eine Freilassung am Samstag „bleibt offen“. Man habe den | |
Vermittlern Zeit gegeben, Israel „zur Erfüllung seiner Verpflichtungen zu | |
drängen“. Doch was werfen sich Israel und die Hamas überhaupt vor? Und | |
wieso setzen beide Seiten die Waffenruhe gerade jetzt aufs Spiel? | |
## Vorwürfe von beiden Seiten | |
Laut Hamas soll Israel die Rückkehr der Palästinenser in den Norden | |
verzögert, weiterhin Menschen aus der Luft und durch Scharfschützen getötet | |
und die Lieferung von Hilfsgütern in den Küstenstreifen verzögert haben. | |
Israel hingegen wirft der Organisation vor, mehrfach Listen von Geiseln | |
nicht rechtzeitig übermittelt zu haben und deren [2][Freilassung für | |
Propaganda-Inszenierungen] zu missbrauchen. Zudem hat [3][der schlechte | |
Gesundheitszustand] der am vergangenen Samstag freigelassenen drei | |
männlichen Geiseln viele in Israel schockiert. | |
Trotzdem hielt die Waffenruhe. So verzögerte die israelische Armee Ende | |
Januar ihren [4][Rückzug aus dem Netzarim-Korridor] zwar, nachdem die Hamas | |
entgegen der Vereinbarung die Zivilistin Arbel Yehud zurückgehalten und mit | |
der Freilassung von Soldatinnen begonnen hatte. Doch 48 Stunden später zog | |
sie sich zurück. Seitdem sind laut Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA mehr | |
als eine halbe Million Menschen in den Norden Gazas zurückgekehrt. | |
Auch die Hilfslieferungen in den Küstenstreifen sind in den Wochen seit dem | |
Inkrafttreten der Waffenruhe massiv gestiegen. Laut OCHA sinken die Preise | |
für Nahrungsmittel merklich, liegen aber noch immer deutlich über | |
Vorkriegsniveau. UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher gab am Sonntag | |
Teilentwarnung: Die Gefahr einer Hungersnot sei gesunken, könne aber bei | |
weiteren Kämpfen schnell zurückkehren. | |
Mehrfach hat die Hamas die israelische Armee beschuldigt, trotz der | |
Waffenruhe Menschen getötet zu haben. Die Vereinten Nationen meldeten in | |
den vergangenen Wochen wiederholt erschossene Zivilisten. Die israelische | |
Armee sprach in Stellungnahmen von „Warnschüssen“ oder „Schüssen zur | |
Beseitigung von Bedrohungen“ auf Menschen, die sich Soldaten genähert | |
hätten. | |
## Hamas ist noch da | |
In Israel haben die Inszenierungen der Freilassung und zuletzt der Zustand | |
der Geiseln für Empörung gesorgt. Teils wurden die Entführten in | |
chaotischen Szenen durch Menschenansammlungen in Gaza geführt. Teils | |
mussten sie sich in Propagandashows bei ihren Entführern bedanken. Die | |
Präsenz der Hamas-Kämpfer in den Straßen ist für viele Israelis zudem ein | |
Beweis, dass die Gruppe weiterhin eine Bedrohung darstellt. | |
Bisher kamen 21 Geiseln frei, ebenso 566 palästinensische Gefangene. In | |
Israel sind laut Umfragen rund 70 Prozent für eine Fortsetzung des Deals. | |
Die Hamas verkauft das Abkommen ihrerseits als Sieg. Nun aber könnte die | |
Vereinbarung zusammenbrechen. In israelischen Medien äußern Kommentatoren | |
die Befürchtung, die Hamas halte die nächsten Geiseln zurück, weil sie in | |
noch schlimmerem Zustand sein könnten als die drei Männer am Wochenende. | |
Andererseits zögerte die israelische Regierung bereits zuvor mit der | |
Fortsetzung der Gespräche zum vereinbarten Termin vergangene Woche: Bisher | |
wurde lediglich eine Delegation ohne ein Mandat für Verhandlungen nach Doha | |
entsandt. Die Hamas besteht auf einem endgültigen Ende der Kämpfe in der | |
zweiten Phase. Netanjahu und mehrere seiner Minister lehnen das ab. | |
Für die israelische Koalition, in der sich viele offen für eine Besetzung | |
des Gazastreifens aussprechen, dürfte die vergangene Woche ohnehin die | |
Vorzeichen verändert haben. Denn Trump beharrt trotz weltweiter Kritik auf | |
dem Plan, die Bevölkerung des Gazastreifens ohne ein Recht auf Rückkehr zu | |
vertreiben. Netanjahu begrüßte dieses Vorhaben am Montag vor dem | |
israelischen Parlament und sprach von einer „revolutionären Vision“. In | |
einem Interview mit dem US-Sender Fox News hatte er zuvor gesagt. „Wir | |
werden diesen Job erledigen.“ | |
## Keine Zurück | |
Für die Hamasführung dürfte sich damit die Frage stellen: Wozu noch | |
Gespräche über eine zweite Phase führen? Laut Netanjahu soll nach der | |
ethnischen Säuberung des Gazastreifens eine Rückkehr „deradikalisierter“ | |
Palästinenser erlaubt sein. In Gaza dürfte dem niemand Glauben schenken: | |
Die Mehrheit der Menschen dort sind Nachkommen von 1948 aus dem heutigen | |
Israel Vertriebenen. Trump schloss eine Rückkehr zudem ganz aus. | |
Der Hamas-Sprecher Hazem Qasem sagte dem saudi-arabischen TV-Sender al | |
Hadath: „Wir sind offen für Ideen für eine neue palästinensische | |
Regierungsform in Gaza, nicht aber für Deportationen.“ | |
11 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Felix Wellisch | |
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