# taz.de -- Ende der Frist für Abkommen im Libanon: Brüchige Waffenruhe läuf… | |
> Am Sonntag endet die temporäre Waffenruhe zwischen Hisbollah und Israel | |
> im Libanon. Doch Israel möchte seine Truppen nicht abziehen. | |
Bild: Libanesische Soldaten fahren in den Südlibanon, nachdem eine Waffenruhe … | |
Beirut taz | „Der Krieg ist für uns nicht vorbei“, sagt [1][Sara Rammal]. | |
Die Innenarchitektin kommt aus einem Dorf im Südlibanon. Trotz vereinbarter | |
Waffenruhe zwischen der Hisbollah und Israel kann sie nicht in ihr Zuhause | |
zurück. | |
Am 26.1. endet die Frist innerhalb der die Konfliktparteien die Bedingungen | |
des [2][Abkommens zur Waffenruhe] erfüllen sollten. Vorgesehen war, dass | |
Israels Armee sich bis Sonntag aus dem Libanon zurückzieht. Regierungschef | |
Benjamin Netanjahu hatte jedoch am Samstag erklärt, dass die Truppen in | |
Teilen des Südlibanon bleiben würden. | |
Die Hisbollah sollte sich derweil hinter den Litani-Fluss, etwa 30 | |
Kilometer nördlich der Landesgrenze, zurückziehen. Lediglich die | |
libanesische Armee und Soldaten der UN-Friedensmission im Libanon (Unifil) | |
sollten laut dem Abkommen vor Ort bleiben. Wie viele Hisbollah-Kämpfer sich | |
noch vor dem Litani aufhalten blieb vorerst unklar. Weder Unifil noch die | |
libanesische Armee haben den Rückzug bislang bestätigt. | |
Israel beschuldigt die Hisbollah und die libanesische Armee, ihren | |
Verpflichtungen nicht nachgekommen zu sein, während der Libanon der | |
israelischen Armee vorwirft, das libanesische Militär an der Übernahme zu | |
hindern. | |
## Blauhelme räumen Straßensperren | |
Bisher hat sich Israel nur aus zwei libanesischen Dörfern zurückgezogen. In | |
rund 60 Dörfern waren am Sonntag noch Truppen stationiert. Das israelische | |
Militär verweigert der libanesischen Zivilbevölkerung die Rückkehr. Die | |
Armee blockiere Straßen durch aufgeschüttete Erde und Sand oder zerstöre | |
und blockiere Zufahrtsstraßen mit Baggern, berichten libanesische Medien | |
sowie die staatliche Nachrichtenagentur NNA. Videos von Anwohnenden zeigen | |
israelische Panzer hinter Zufahrtsstraßen. Obwohl die libanesische Armee | |
vor Angriffen warnte, sagten verschiedene Anwohnende der Armee und lokalen | |
Medien, dass sie trotzdem zurückkehren wollen. | |
Auch Rammal kehrt trotz Gefahr von Angriffen zurück. Sie erinnert in einem | |
Video in den sozialen Medien daran, dass die israelische Armee den | |
Südlibanon zwischen 1982 und 2000 besetzt hielt. Damals, am 25. Mai 2000, | |
habe die Armee die Straße mit Holz und Erde blockiert. Der Anwohner Salim | |
Rammal habe die Blockade mit einem Bulldozer geräumt – und sei daraufhin | |
von Israes Armee getötet worden. Der Tag wird von den Libanes*innen als | |
Tag der Befreiung gefeiert. | |
Die UN-Mission Unifil berichtete am Donnerstag, dass die Blauhelme | |
[3][Straßensperren räumen], um den Menschen zu helfen, sicher nach Hause | |
zurückzukehren, und die libanesische Armee unterstütze, ihre Soldaten in | |
den Südlibanon zu verlegen. | |
Hunderttausende von Vertriebenen konnten mit der temporären Waffenruhe in | |
den Südlibanon, Südbeirut, das Bekaa-Tal im Osten und andere Gebiete | |
zurückkehren. Doch viele fanden ihre Häuser in Trümmern. | |
## Häufige Verstöße gegen Waffenruhe | |
[4][Von einer Waffenruhe konnte in den vergangenen Wochen kaum die Rede | |
sein]. Zwar beruhigte sich die Lage in der libanesischen Hauptstadt Beirut | |
und die Hisbollah stellte ihren Raketenbeschuss ein. Doch nach der ersten | |
Woche [5][meldete Frankreich] bereits über 50 Verstöße Israels. Anfang | |
Dezember schoss die Miliz der Hisbollah Raketen auf eine israelische | |
Stellung in den Schebaa-Farmen, ein von Israel seit 1967 völkerrechtswidrig | |
besetztes Gebiet an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon im Norden | |
der Golanhöhen. | |
Die libanesischen Behörden haben insgesamt mehr als 470 israelische | |
Verstöße gegen die Waffenruhe gemeldet, bei denen mindestens 32 Menschen | |
getötet und 39 verletzt wurden. Die Konfliktbeobachtungsgruppe ACLED zählt | |
mehr als 400 israelischen Luft-, Raketen-, Granaten- und | |
Artillerieangriffen im gesamten Libanon seit Beginn des Abkommens bis zum | |
6. Januar. | |
Die israelische Armee habe zwischen dem 5. Dezember und dem 6. Januar im | |
Südlibanon über 800 Gebäude zerstört oder beschädigt, analysiert die | |
Washington Post durch Satellitenbilder. Die Streitkräfte haben ihre | |
Angriffe auf die Grenzdörfer Wadi Al-Slouqi, Maroun Al-Ras, Al-Dhahira und | |
dem Umland von Houla intensiviert, Razzien in verlassenen Häusern in Bint | |
Jbeil durchgeführt und Überwachungskameras entlang der Grenze installiert, | |
berichtet die Zeitung The New Arab am Sonntag. | |
## Abkommen sieht vollständigen Rückzug Isreals vor | |
Unifil meldete am 4. Januar, ein israelischer Bulldozer habe in Labbouneh | |
ein blaues Fass zerstört, das die Rückzugslinie zwischen Libanon und Israel | |
markierte außerdem einen Beobachtungsturm der libanesischen Streitkräfte, | |
unmittelbar neben einer Unifil-Stellung. | |
Das Abkommen vom 27. November 2024 sieht vor, dass Israel den Einmarsch im | |
Libanon beendet und sich vollständigen zurückzieht. Die Kämpfer der | |
Hisbollah müssen sich ihrerseits von der Grenze zurückziehen, das | |
libanesische Militär soll die Kampfstellungen auflösen und die Region | |
sichern. Dabei helfen soll die UN-Friedensmission Unifil. Die Frist von 60 | |
Tagen endete am Sonntag. | |
Aus dem Libanon kamen in der Zeit positive politische Signale – auch, weil | |
das Land durch den Einfluss der USA, Frankreichs und Saudi-Arabiens unter | |
Druck steht, sich innenpolitisch zu stabilisieren. Zwei Jahre lang | |
herrschte politischer Stillstand. Am 9. Januar wählte das [6][Parlament den | |
neuen Präsidenten Joseph Aoun], am 13. Januar folgte ein Ministerpräsident: | |
Der ehemalige Chef des Internationalen Gerichtshofs, Nawaf Salam. Die | |
beiden gelten als unabhängig vom konfessionellen Klientelismus, der das | |
Land in eine tiefe Wirtschaftskrise gestürzt hat. Sie betonten: Nur | |
staatliche Institutionen sollen Waffen besitzen. | |
Die Besetzungen bedeuten Hoffnung für den Libanon, den politischen und | |
militärischen Einfluss der Hisbollah einzudämmen. Durch israelische | |
Angriffe wurden rund 4.000 Menschen im Libanon getötet und mehr als 16.000 | |
verwundet. Es braucht 3,3 Milliarden Euro für den Wiederaufbau, schätzt die | |
Weltbank. Mit einer technokratischen Regierung wären internationale | |
Geldgeber bereit, beim Wiederaufbau zu helfen. | |
## Schwierige politische Lage im Libanon | |
Doch die Regierungsbildung ist schwer. Sunnitische Fraktionen hätten das | |
Gefühl, übergangen zu werden, meldet der Fernsehsender LBCI. Die Hisbollah | |
wiederum fühlte sich bei der Ernennung des Staats- und Regierungschefs | |
übergangen und hat angekündigt, sich nun bei der Besetzung von | |
Ministerposten durchsetzen zu wollen. Im Libanon wird die Macht | |
übereinkommend unter konfessionell-geprägten Parteien aufgeteilt. Das soll | |
einen Bürgerkrieg verhindern, führt aber auch zu Klientelismus. | |
Von dem hat auch die Hisbollah profitiert. Ihre Popularität als | |
„Widerstand“ gegen Israel besteht auch darin, der schiitischen Gemeinschaft | |
beim Wiederaufbau zu helfen. Nun braucht sie dafür den Staat. | |
Die Hisbollah ist so schwach wie nie. Israel hat die gesamte Führungsriege | |
getötet und wohl ein Großteil der Waffenarsenale zerstört. Außerdem hat die | |
Hisbollah mit Assads Sturz in Syrien hat eine wichtige Route für den | |
Waffenschmuggel aus dem Iran verloren. | |
Die selbsternannte Übergangsregierung in Syrien meldete, mehrere | |
Lieferungen an die Hisbollah auf syrischem Boden gestoppt zu haben. | |
Darunter am 18. Januar ein Lastwagen mit Komponenten für Drohnen und | |
anderen Waffen am Grenzübergang Tartus. Syriens neuer Generalstabschef | |
hatte sich vergangene Woche mit dem Leiter des Koordinationsbüros der | |
libanesischen Armee in Damaskus getroffen, um die Kontrolle der Grenze zu | |
besprechen. | |
26 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.instagram.com/reel/DFIjp18i_gi/?igsh=eGhwNGc4aGE4bzk0 | |
[2] /Waffenruhe-im-Libanon/!6049676 | |
[3] https://x.com/UNIFIL_/status/1882436965989331421 | |
[4] /Waffenruhe-Israel-und-Hisbollah/!6050065 | |
[5] https://x.com/UNIFIL_/status/1882436965989331421 | |
[6] /Politische-Krise-im-Libanon/!6061156 | |
## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
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