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# taz.de -- Suche nach Long-Covid-Therapie: Stochern im Ungewissen
> Sogenannte Autoantikörper sollen Long Covid mitverursachen.
> Forscher*innen wollen nun verhindern, dass sie entstehen – oder sie
> unschädlich machen.
Bild: Wenn die Behandlung von Long Covid doch bloß so einfach wäre wie ein Co…
Berlin taz | Zwei Tierversuche nähren die Hoffnung, das Rätsel um die
Krankheitsmechanismen [1][von Long Covid zu lösen]. Vor einigen Monaten
hatten zunächst Wissenschaftler aus Amsterdam Autoantikörper aus dem Blut
von Patienten auf Mäuse übertragen.
Kurz darauf veröffentlichten US-Forscher ein ganz ähnliches Experiment,
ebenfalls als Preprint, also noch nicht unabhängig begutachtet. In beiden
Studien lösten die Autoantikörper in den Mäusen dieselben Symptome aus wie
bei Long-Covid-Patienten – etwa Konzentrationsmängel,
Gleichgewichtsprobleme oder ein erhöhtes Schmerzempfinden.
Autoantikörper sind fehlgeleitete Proteinstrukturen, die sich gegen
körpereigenes Gewebe richten. Bei Autoimmunerkrankungen [2][wie Multipler
Sklerose] spielen sie eine große Rolle, und auch als Ursache für einen Teil
der Long-Covid-Beschwerden sind sie im Gespräch. Die Mäusestudien stützen
diese Hypothese – und die wissenschaftlich dominante Auffassung, dass
postvirale Syndrome organisch und nicht psychisch bedingt sind.
Für Carmen Scheibenbogen, Professorin für Immunologie an der Berliner
Charité, sind die Studien „richtungsweisend“. Scheibenbogen leitet die
Nationale Klinische Studiengruppe, einen Verbund von Universitäten, der
Therapien für Betroffene von Long Covid und der Multisystemerkrankung
ME/CFS entwickeln soll.
Ein Therapieansatz ist es, die aggressiven Autoantikörper unschädlich zu
machen. Positive Resultate zeigte eine Vorstudie mit Menschen, die nach
einer Coronainfektion ME/CFS entwickelten. Ihnen wurde per Immunadsorption
– einer Blutfiltration – Autoantikörper entfernt.
Bei 14 der 20 Teilnehmer verbesserte sich so der Zustand deutlich.
Allerdings fehlte der Studie eine Kontrollgruppe. Belastbare Ergebnisse
wird daher erst eine kontrollierte Folgestudie liefern. Scheibenbogens Team
will sie Ende des Jahres vorlegen.
## BC007: Status ungewiss
Wenig zurückhaltend hatte bereits im Sommer 2021 die Uniklinik Erlangen
erfolgreiche Heilversuche mit einem neuen Wirkstoff öffentlich gemacht und
gewaltige Hoffnungen unter Betroffenen ausgelöst: Das DNA-Fragment BC007
sollte schädliche Autoantikörper nicht entfernen, sondern neutralisieren.
Im November 2024 aber räumte der Entwickler, das Start-up Berlin Cures,
sein Scheitern auf dem Weg zur Medikamentenzulassung ein. In seiner
klinischen Studie hatten Long-Covid-Patienten mit BC007 keinen stärkeren
Effekt erzielt als mit einem Placebo.
Die Daten sind bisher nicht publiziert. Beteiligte sahen jedoch große
Mängel am Studiendesign, zudem könnte die fast irrationale
Erwartungshaltung den Placebo-Effekt in die Höhe getrieben und die
Ergebnisse verzerrt haben. Ob BC007 wirkt, lässt sich abschließend wohl
noch gar nicht sagen. Der Weg zu einer Zulassung aber scheint erst einmal
verbaut.
Neben der Immunadsorption setzt die Nationale Klinische Studiengruppe auf
Medikamente, die bereits für andere Erkrankungen zugelassen sind – etwa
solche, die bereits die Produktion von Autoantikörpern verhindern. Vor
Weihnachten hatte das [3][Bundesforschungsministerium] jedoch eine in
Aussicht gestellte Förderung für eine Studie zurückgezogen.
Bei einem Teil der Long-Covid-Fälle vermutet man andere Auslöser wie
anhaltende Entzündungen – hochdosiertes Cortison soll nun getestet werden.
Weitere Studien laufen mit einem durchblutungsfördernden Medikament und der
Sauerstoffhochdruckbehandlung.
## Warten auf die „Off-Label-Liste“
Wie in der Therapieforschung verhält es sich bei der Versorgung der
Betroffenen. Es gibt viele kleine Schritte, während die ganz großen Sprünge
fehlen. So sind ärztliche Hausbesuche für bettlägerige Patient:innen
weiterhin eher die Ausnahme als die Regel.
Dafür setzt sich in den ärztlichen Empfehlungen, etwa in der Leitlinie für
die Long-Covid-Reha und in der Richtlinie des Gemeinsamen
Bundesausschusses, durch, wie wichtig ein Beachten der Post-Exertionellen
Malaise ist.
Bei dem Symptom, das vor allem ME/CFS-Erkrankte betrifft, führt ein
Überschreiten der individuellen Belastungsgrenze zu einer teils erheblichen
und anhaltenden Zustandsverschlechterung. Je nach Ausprägung bedeutet das:
Die sonst gängigen, aktivierenden Trainings können sogar schaden.
Was sich medikamentös machen lässt, fasste im September eine von
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach einberufene Expertengruppe
erstmals zusammen. Auf 27 Seiten enthält ihr „Therapiekompass“
Arzneimittel, die Arztpraxen bei bestimmten Symptomen bereits heute auf
Kassenrezept verschreiben dürfen. Es handelt sich ausnahmslos um lindernde,
nicht um heilende Ansätze.
Noch auf sich warten lässt die längst angekündigte „Off-Label-Liste“. Auf
ihr sollen Medikamente stehen, die sich bei Long-Covid-Heilversuchen als
hilfreich erwiesen haben, die bisher aber nur für andere Krankheiten
zulässig sind. Künftig sollen dennoch Krankenkassen dafür aufkommen.
Österreich ist da schon weiter. Eine Liste, welche Off-Label-Medikamente
die Gesundheitskasse für Long-Covid-Betroffene bezahlt, liegt seit diesem
Januar vor.
26 Jan 2025
## LINKS
[1] /Long-Covid-Erkrankung/!6025603
[2] /Forschungsteam-ueber-Behandlung-von-MS/!5968045
[3] /Rauswurf-von-Staatssekretaerin/!6014583
## AUTOREN
Martin Rücker
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