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# taz.de -- BVB entlässt Trainer Nuri Sahin: Offenbarungseid mit Folgen
> Viertes Spiel des Jahres, vierte Niederlage: Dem BVB aus Dortmund bleibt
> nichts anderes, als den Trainer zu entlassen. Schuld sind aber auch
> andere.
Bild: Nuri Sahin in Bologna
Ähnlich wild wie die Spieler von Borussia Dortmund am Dienstagabend vom FC
Bologna überrollt wurden, sind anschließend die Verantwortlichen des Klubs
in eine rasende Dynamik hineingeraten, die kaum noch zu kontrollieren war.
[1][Auf der Internetseite des Klubs] stand am Morgen als Topmeldung ein
Zitat von Sportgeschäftsführer Lars Ricken aus der Nacht, demzufolge man
„morgen besprechen“ wolle, „was das Beste ist“.
Ein Stück weiter unten wurde aber längst das Hauptergebnis verkündet: „BVB
stellt Nuri Sahin frei.“ Wenige Stunden nach der entblößenden
1:2-Niederlage in Norditalien war diese Entscheidung gefallen, noch in der
Nacht wurde die Mannschaft informiert, und am späten Vormittag gab der Klub
bekannt, dass der U19-Trainer Mike Tullberg das Team am Samstag gegen
Werder Bremen „übergangsweise“ betreuen wird. Es ist der Höhepunkt eines
sagenhaften Zusammenbruchs.
Ricken beschrieb die Trennung als Vorgang, der ihm „auch persönlich weh“
tue, die Klubführung habe jedoch „leider den Glauben daran verloren, in der
gegenwärtigen Konstellation noch die sportlichen Ziele erreichen zu
können“. Alle vier Spiele des Jahres 2025 hat der BVB verloren, eine derart
finstere Serie von Pflichtspielniederlagen gab es zuletzt vor einem
Vierteljahrhundert. Vor allen Dingen aber sind die zarten
Verbesserungsansätze, auf die Optimisten im Herbst hinweisen konnten, in
einem Prozess des Zerfalls ausgelöscht worden.
Matthias Sammer, der an diesem Abend wieder seine Doppelrolle als
TV-Experte einerseits und Mitverantwortlicher andererseits spielen musste,
urteilte hart: „Die Grundlage ist schon mal nicht da. Leider kann die
Mannschaft nicht verteidigen, aber angreifen kann sie auch nicht.“
Rhetorisch fragte der einflussreiche Berater der Geschäftsführung in
Richtung Team: „Sind die zusammen oder sind die nicht zusammen?“ Die
Antwort lieferte er gleich mit. „Neben dem, dass wir auch hierarchisch
nicht geordnet sind, haben wir keine klare Struktur in der Mannschaft. Die
fällt dann auseinander.“
In Bologna hatte das Team sogar das Glück gehabt, durch einen Foulelfmeter
von Serhou Guirassy in Führung zu gehen, aber der klar formulierte Vorsatz,
auch ein Kombinationsspiel zu entwickeln, statt nur lange Bälle zu
schlagen, blieb unerfüllt. Stattdessen luden die Dortmunder den Gegner zu
leichten Toren ein: Nach zwei langen Bällen der Italiener, die der
eingewechselte Karim Adeyemi durch sein inkonsequentes Pressingspiel
möglich machte, fielen in Kombination mit zwei Stellungsfehlern in der
Abwehr das 1:1 und das 2:1. „Diese Mannschaft ist körperlich und geistig in
einer Nichtverfassung“, sagte Sammer.
## Totale Hilflosigkeit
Das war eine Zustandsbeschreibung, die in dieser Offenheit und aus dieser
Quelle einen krachenden Nachhall haben wird. Denn er beschreibt nicht nur
Sahins totale Hilflosigkeit; Sammer deutete auch an, dass das Team
körperlich nicht austrainiert und innerlich von Konflikten zersetzt ist.
Der Kader ist voller fußballerischem Potenzial, aber – auch diesen Begriff
verwendete Sammer – es fehlen „Persönlichkeiten“, die als tragende Stüt…
eines funktionierenden Gefüges taugen.
Längst richtet sich die Kritik daher auch an den technischen Direktor Sven
Mislintat und den Sportdirektor Sebastian Kehl, die für die Kaderplanung
zuständig sind. Leider harmonieren die beiden nicht besonders gut, und dass
Sammer Kehl kritisch sieht, ist ein offenes Geheimnis. „Wenn ich das
Problem bin und ein Trainerwechsel all die Nebenkriegsschauplätze löst,
dann ist das überhaupt kein Problem“, sagte Sahin noch in Bologna, womit er
einen klaren Hinweis auf die internen Konflikte gab. Die Verantwortlichen
behaupten zwar immer, dass die aus dieser komplizierten Konstellation
entstehenden Reibungen sogar hilfreich seien, weil kluge Experten
kontrovers fundierte Meinungen austauschen und damit am Ende gute
Entscheidungen wahrscheinlicher machen. Die Realität deutet jedoch darauf
hin, dass es sich [2][um einen kolossalen Trugschluss] handelt.
Kehl und Mislintat wurden zwar im Sommer für die Transfers von Maximilian
Beier, Serhou Guirassy, Pascal Groß, Yan Couto und Waldemar Anton gelobt.
Eine funktionierende Idee, wie nach den Abgängen der Anführer Marco Reus
und Mats Hummels eine krisenfeste Hierarchie entstehen könnte, fehlte.
Die Entscheidung, den schon in der vergangenen Saison mit seiner Rolle
völlig überforderten Emre Can abermals zum Kapitän zu machen, hat sich als
grober Fehler entpuppt. Den viel zu sorglosen, manchmal sogar naiv
wirkenden Julian Brandt für die Stellvertreterposition auszuwählen, war
ebenfalls schlecht durchdacht. Genau wie die Idee, der unerfahrene Sahin
könne die schwierige Kabine in den Griff bekommen und als ausgleichende
Kraft auf die sportliche Leitung einwirken.
Dieses schwache Gespür für Gruppendynamiken und passende Persönlichkeiten
ist ein Dauerproblem in diesem Klub, die nun auch die Suche nach einem
Nachfolger für Sahin erschweren wird. Angeblich soll der zuletzt in
München, Monaco und Wolfsburg nur mäßig erfolgreiche Niko Kovac zum engsten
Kreis der Kandidaten zählen. Spekuliert wird auch über Roger Schmidt, Urs
Fischer und Erik ten Hag. Wobei die Dortmunder [3][erst mal jemanden finden
müssen], der daran glaubt, dass sich dieses auf verschiedenen Ebenen
zerrüttete Gebilde wieder in einen funktionierenden Fußballverein
verwandeln lässt.
22 Jan 2025
## LINKS
[1] https://www.bvb.de/
[2] /Fussball-und-Oekonomie/!6059800
[3] /Muenchner-Trainersuche/!6004818
## AUTOREN
Daniel Theweleit
## TAGS
Fußball-Bundesliga
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