Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Deal zwischen Hamas und Israel: Das Schweigen der Waffen
> Erste Geiseln werden freigelassen, während Israel palästinensische
> Gefangene entlässt. Politische Spannungen in Netanjahus Regierung spitzen
> sich zu.
Bild: Menschen in Tel Aviv verfolgen die Freilassung der Geiseln
Tel Aviv taz | 470 Tage, vier Stunden, 45 Minuten zeigt die Uhr auf dem in
Platz der Geiseln umbenannten Vorplatz des Tel Aviver Kunstmuseums am
Sonntagmorgen. Mehr als 15 Monate sind zwischen dem Beginn des
Hamas-Überfalls am Morgen des 7. Oktober 2023 und dem Eintreten der
Waffenruhe an diesem 19. Januar vergangen. Bis zum letzten Augenblick und
fast drei Stunden darüber hinaus sorgten Israels Regierung und die Hamas
für Zweifel, ob die Waffen im Gazastreifen wirklich schweigen werden.
[1][Bereits vor der Verkündung der Waffenruhe] durch Israel waren in den
sozialen Medien zahlreiche Videos von feiernden Palästinensern zu sehen,
darunter eine Parade von Fahrzeugen und Mitarbeitern des Zivilschutzes. Es
folgte ein makaberes Ringen beider Seiten um die letzten Minuten vor der
Waffenruhe. Ein Hamas-naher X-Kanal bezeichnete die Waffenruhe bereits um
08.43 Uhr als in Kraft und veröffentlichte ein nicht verifiziertes Video
von Menschen auf dem Weg von Gaza-Stadt in Richtung der bisher von der
Armee abgeriegelten Gebiete im Norden. Andere Bilder zeigten eine Parade
von vermummten und mit Maschinengewehren bewaffneten militanten
Palästinensern auf Pick-ups in einer Menschenmenge.
Israels Armee warnte die Bevölkerung hingegen in ihrem arabischsprachigen
Telegram-Kanal, sich nicht vor dem Eintreten der Waffenruhe zuvor
gesperrten Gebieten zu nähern. Das Büro von Regierungschef [2][Benjamin
Netanjahu verschob den Beginn der Waffenruhe am Morgen kurzfristig] um fast
drei Stunden und warf der Hamas vor, nicht rechtzeitig die Namen der am
Nachmittag freizulassenden Geiseln übermittelt zu haben. Die Gruppe machte
„technische Probleme“ verantwortlich, versicherte aber, zu dem am Mittwoch
in Doha verkündeten Abkommen zu stehen. Alleine in diesen Stunden tötete
die israelische Armee laut palästinensischen Rettungskräften 13 Menschen
bei Angriffen an mehreren Orten des Küstenstreifens.
Auf dem Tel Aviver Geiselplatz verdrängen all diese Entwicklungen am
Sonntag jede Spur von Erleichterung. „Mit jedem Funken Hoffnung kommt die
Angst“, sagt Shivon Lev, eine ehemalige Bewohnerin der am 7. Oktober
überfallenen Kibbutzsiedlung Nahal Oz. Es sei unbeschreiblich, was die
Angehörigen der Geiseln bis zum letzten Augenblick durchmachen müssten. Sie
deutet auf ein Portrait von Emily Damari an einer Zeltwand. Die 28-Jährige
mit schwarzen Locken soll am Nachmittag zusammen mit zwei anderen jungen
Frauen freikommen. Damaris Mutter Mandy wisse nicht, in welchem Zustand
ihre Tochter zurückkomme, wusste über weite Strecken nicht einmal, ob sie
noch am Leben war. „Hoffnung ist grausam“, sagt Lev. „Sich auf sie
einzulassen, bedeutet jedes Mal, sich wieder zu öffnen und zu riskieren,
daran zu zerbrechen“, sagt Lev.
## Nach 470 Tagen kommen erste Geiseln frei
Auf dem Platz haben zahlreiche Installationen im vergangenen Jahr diese
Ungewissheit festgehalten: etwa die lange Tafel, gedeckt mit einem Teller
für jede der noch immer knapp einhundert in Gaza festgehaltenen Geiseln.
Mindestens ein Drittel soll nicht mehr am Leben sein. „Wir werden die
Zweifel wegdrücken und hoffen, dass die Waffenruhe nicht zerbricht, bevor
alle wieder frei sind“, sagt Lev.
[3][Neben Damari hat der bewaffnete Arm der Hamas mitgeteilt, die
24-jährige Romi Gonen] und die 31-jährige Doron Steinbrecher freizulassen.
Damari und Steinbrecher waren aus dem Kibbutz Kfar Aza entführt worden,
Gonen von dem Nova-Festival. Videos vom 7. Oktober zeigen, dass Damari bei
ihrer Entführung in die Hand und ins Bein geschossen wurde. Lediglich von
Steinbrecher tauchte im Januar vor einem Jahr ein Video auf, auf dem sie
scheinbar in einem Tunnel zu sehen war und abgemagert aussah. Um kurz nach
17 Uhr Ortszeit meldete die israelische Armee die Übergabe der drei Frauen
an das Rote Kreuz. Sie sollten nach ihrer Freilassung ins Tel
Haschomer-Krankenhaus nahe Tel Aviv gebracht werden.
Während der ersten von drei Phasen der Waffenruhe sollen über 42 Tage nach
und nach insgesamt 33 Geiseln zurückkehren, vor allem Frauen, Kinder,
Verletzte und Männer über 50. Im Gegenzug würden rund 1.700 Palästinenser
aus israelischen Gefängnissen freikommen, die ersten 95 noch am
Sonntagabend. Die israelische Armee muss sich in eine Pufferzone entlang
der Grenze zu Israel zurückziehen. Nach 16 Tagen sollen die Verhandlungen
über die zweite Phase der Waffenruhe starten, während der die übrigen noch
lebenden Geiseln freikommen könnten.
Am Sonntag begann die israelische Armee Medienberichten zufolge, Truppen im
Gazastreifen abzuziehen, etwa aus Rafah und dem Philadelphi-Korridor
entlang der ägyptischen Grenze. Das Welternährungsprogramm meldete, dass
Lastwagen über die israelischen Grenzübergänge Kerem Schalom und Zikim mit
dem Transport von Lebensmittelhilfe in den Küstenstreifen begonnen hätten.
## „Eine Kapitulation vor der Hamas“
In einer Woche sollen erneut vier Geiseln im Austausch für weitere
palästinensische Gefangene freikommen. Zusammen mit einem weiteren
Austausch in 14 Tagen folgt ein weiterer Rückzug der israelischen Armee. An
Tag 22 sollen Hilfslieferungen wieder über die Salah al-Din Straße
erfolgen, die den Süden mit dem Norden des Gazastreifens verbindet.
Israels rechtsextremistischer Polizeiminister Itamar Ben Gvir erklärte als
Reaktion auf den Beginn der Waffenruhe den Austritt seiner
national-religiösen Partei Jüdische Kraft aus der Regierung. Er nannte das
Abkommen eine „Kapitulation vor der Hamas“. Netanjahus Koalition verfügt
weiterhin über eine knappe Mehrheit.
Finanzminister Bezalel Smotrich, ebenfalls ein rechts-nationalistischer
Siedler, hat jedoch bereits angedroht, Ben Gvir zu folgen, wenn Israel den
Krieg nicht nach der ersten Phase der Waffenruhe fortsetze. Die
Oppositionsführer Benny Gantz und Jair Lapid haben angeboten, Netanjahus
Regierung im Falle eines Austritts der rechts-religiösen Parteien zu
stützen, wenn im Gegenzug der Waffenstillstand eingehalten werde.
19 Jan 2025
## LINKS
[1] /Waffenstillstand-im-Gazastreifen/!6062999
[2] /Waffenstillstand-im-Gazastreifen/!6059551
[3] /Deal-zwischen-Hamas-und-Israel/!6062898
## AUTOREN
Felix Wellisch
## TAGS
Frieden und Krieg
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Israel
Hamas
GNS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Friedensaktivistin aus Berlin: „Mit 19 bin ich zurück nach Israel, um meine …
Vered Berman unterstützt aus Berlin mit ihrem Verein Friedensarbeit in
Israel/Palästina. Sie sagt: Frieden braucht andere Erzählungen. Und mehr
Geld.
Waffenstillstand im Gazastreifen: Israel stimmt Abkommen endgültig zu
Nach dem Sicherheitskabinett hat sich auch die gesamte Regierung von
Premier Netanjahu für den Deal mit der Hamas ausgesprochen. In der ersten
Phase sollen 737 palästinensische Gefangene freikommen.
Waffenstillstand im Gazastreifen: Verhärtete Fronten
Das seit 15 Monaten andauernde Blutvergießen kommt zum Ende. Vorerst. Nicht
vorbei sind Trauer und Hass im Gazastreifen und in Israel.
Deal zwischen Hamas und Israel: Erste Geiseln sollen Sonntag freikommen
Premier Netanjahu geht von einer baldigen Geiselfreilassung aus. Das
Kabinett will noch heute über den Waffenstillstand abstimmen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.