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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Andere Traditionen
> Wer von den reaktionären Überbleibseln der Feiertage genug hat, kann sich
> beim Weihnachtsfilmfestival mit Queerem und Animiertem Luft verschaffen.
Bild: Queer ist die Family: Aurélien Heilbronns Kurzfilm „House of Xmas“ (…
Weihnachten: Die Familie ist ein paar Tage lang glücklich vereint, alle
haben sich gern, das Essen könnte besser nicht sein, die kollektive Freude
über die wunderbaren Geschenke riesig. In Wahrheit läuft es nirgends so,
aber das Versprechen von Weihnachten als glückselig machendes Fest
wiederholt sich dennoch jedes Jahr aufs Neue, da kann man machen, was man
will. Für so manche Angehörige der queeren New Yorker Voguing-Szene könnte
sich dieses besonders schal anfühlen, weil beispielsweise der Onkel oder
Opa auch unterm Weihnachtsbaum die homophoben Sprüche nicht sein lassen
kann.
Aber diese Angst vor unangenehmen Erfahrungen beim Fest der Liebe muss
nicht sein, so die heile Botschaft in „House of Xmas“ (2017), einem
Kurzfilm von Aurélien Heilbronn, der eine Gruppe junger Vogue-Tänzer und
-tänzerinnen porträtiert. Leckeres Essen, familiäre Gemeinschaft, das
organisieren sie sich in dieser Szene an Heiligabend einfach selbst. Und
die Musik, die dann läuft, wird auch besser sein, als wenn der Onkel oder
der Opa „Jingle Bells“ singt.
„House of Xmas“ läuft im Rahmen der [1][„Queer Xmas Shorts“]-Specials …
21. Dezember beim Weihnachtsfilmfestival im [2][Kino Moviemento], das dort
bereits zur Tradition geworden ist. An Heiligabend und am zweiten
Weihnachtsfeiertag gibt es außerdem ein [3][„Xmas Animation Special“], bei
dem animierte Kurzfilme gezeigt werden, die irgendetwas mit Weihnachten zu
tun haben. Für alle, die an den Weihnachtstagen und sogar an Heiligabend
lieber ihre Ruhe bei einem Kinobesuch suchen, aber der Thematik Weihnachten
trotzdem etwas abgewinnen können, ist letzteres Special also eine sehr gute
Wahl.
Ausgehend von Matthew Saltons Kurzfilm „Santa is a psychedelic mushroom“
(2017) kann man sich auch nach der Vorführung daheim noch weiter ausgiebig
mit der Frage beschäftigen, ob der historische Weihnachtsmann in Wahrheit
ein Schamane auf einem wirklich schrägen Trip war. Einer Legende nach kommt
der ja von irgendwo ganz weit im Norden Skandinaviens und war ursprünglich
ein Angehöriger der indigenen Samen. Und deren Schamanen haben früher viel
mit Fliegenpilzen herumprobiert. Dass einer davon die Vision gehabt haben
könnte, er könne fliegen auf seinem Rentierschlitten, und sich fortan
rot-weiß kleidete, als wäre er ein Mensch gewordener Fliegenpilz, diese
Theorie gibt es wirklich. „Santa is a psychedelic mushroom“ erläutert sie
noch einmal in all ihren Facetten und das mit einem Augenzwinkern.
Es weihnachtet also oft auf sehr spezielle Weise bei diesem
Weihnachtsfilmfestival. Wobei ein Animationsfilm wie „Departure“ (2017) von
Aoífe Doyle auch ganz in der Tradition von „Der kleine Lord“ einfach nur
goldig und rührend sein darf. Wenn Oma Alma sich die Reise von Irland nach
Australien mal wieder nicht leisten kann, ihre geliebte Familie also nicht
sehen wird und dann durch eine wundersame Fügung des Schicksals alles ganz
anders kommt, bleibt kein Auge trocken.
An „Wren Boys“ (2017) von Harry Lighton dagegen ist im eigentliche Sinne
wenig weihnachtlich, außer dass die Handlung einen Tag nach dem Fest spielt
und ein katholischer Pfarrer darin vorkommt. Der fährt seinen Neffen ins
Gefängnis, damit der seinen inhaftierten Partner umarmen und diesem die
ewige Liebe schwören kann. Was einem Mitglied der Kirchengemeinde freilich
überhaupt nicht gefällt, wie es unmissverständlich klarmacht.
Weihnachten ist das größte aller christlichen Feste. Doch da die
christlichen Kirchen und ihre Ideologie immer noch so ihre Probleme mit
queeren Menschen haben, kann es für diese und ihre Sympathisanten auch ganz
schnell zum schlimmsten aller Feste werden. Daran erinnern gleich ein paar
dieser Queer Xmas Shorts, die im Moviemento gezeigt werden.
17 Dec 2024
## LINKS
[1] https://weihnachtsfilmfestival.de/wff2024/queerxmasshorts2
[2] https://moviemento.de/
[3] https://weihnachtsfilmfestival.de/wff2024/xmasanimation
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
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Filmgeschichte
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