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# taz.de -- Müllmuseum in Berlin: Abfallentsorgung als Frage an die Kunst
> Im Berliner Müllmuseum ist zu sehen, wie aus Abfall Kunst wird.
> Gleichzeitig will man hier auch dem Müllproblem der Hauptstadt ganz
> generell beikommen.
Bild: Müll kann Kunst sein. Halt auch eine Frage, wie man ihn verpackt
Berlin taz | Um zu Beginn eines vorwegzunehmen: Nein, in dem Müllmuseum
stinkt es nicht. Hier schimmelt auch nichts, es ist weder dreckig noch
chaotisch.
Ganz im Gegenteil: Das [1][Berliner Müllmuseum] ist übersichtlich und
gepflegt, ein wenig duftet es sogar nach Putzmittel. Von außen ist die
Einrichtung fast zu übersehen, wie sie unscheinbar im Ortsteil Wedding im
Seitenflügel der Stephanuskirche untergebracht ist.
Schon seit 2019 ist das auch kurz MüMu genannte Museum hier beheimatet.
Viele der ausgestellten Objekte bestehen aus weggeworfenen Gegenständen.
Müll dient als Material für Skulpturen, ist das Motiv für Fotografien. Das
MüMu will also dem Großstadtmüll gewissermaßen ein Zuhause geben.
## An Müll gibt es in Berlin genug
Das MüMu ist aber nicht nur Kunstmuseum, sondern auch ein Ort, an dem über
die Vermüllung geredet wird. Denn: Die Berliner:innen produzieren alle
je für sich etwa 400 Kilogramm Müll im Jahr, und nicht selten landet der
dann auch dort, wo er gar nicht hingehört. In Hinterhöfen und auf der
Straße, überall Kaffeebecher, Zigarettenkippen, Pizzakartons, Klamotten,
Sperrmüll – die Hauptstadt hat ein Müllproblem, daran zweifelt niemand.
Allein im Tiergarten, Berlins zweitgrößtem Park, fällt im Jahr genug Müll
an, um gleich zwei mittelgroße Berliner Seen wie den Schlachtensee und dazu
die Krumme Lanke einmal mit Müll vollzugießen.
Doch in seinen drei Ausstellungsräumen macht das Müllmuseum aus Scheiße
einfach Gold. In einer Ecke in der Dauerausstellung ist so eine schwarze
Hundekottüte mit einem modellierten Häufchen darin zu sehen. „Doggybag“
heißt die Arbeit des Künstlers Thomas Kilian. Sofort der naheliegende
Gedanke: „Ist das Kunst oder kann das weg?“ Was einen an das Schicksal von
[2][Joseph Beuys’ Werk] „Fettecke“ erinnern mag, das ein wohlmeinender
Hausmeister 1986 fälschlicherweise wegwischte. 40.000 D-Mark Schadensersatz
musste das Land Nordrhein-Westfalen damals zahlen. Aber auch erst kürzlich
wieder hatte ein Mitarbeiter eines [3][niederländischen Kunstmuseums]
unbeabsichtigt ein Kunstwerk weggeworfen. Er hielt es für zusammengeknüllte
Bierdosen. Abfall. Hier im Müllmuseum aber wird die Trennung zwischen Kunst
und Müll vollends aufgehoben: Müll kann Kunst sein, Kunst kann Müll sein.
Wie ein Mahnmal prangt unweit des Hundehaufens eine überlebensgroße
Zigarettenkippe an der Wand. Auf einem kleinen Podest wird ein Kaugummi
präsentiert, natürlich durchgekaut. Blickfang im Raum der Dauerausstellung
ist die Skulptur „Digital Jesus“ von Oliver Breitengraser und Ron Gerlach,
die Computer- und Handyschrott zu einer letzten Ruhestätte für eine kleine
Jesusfigur im Anzug zusammenmontiert haben. Konsum als Ersatzreligion, mag
man hier sehen.
Wer von den vielen Fotos, Collagen und Figuren noch nicht genug hat, kann
im Nebenraum auf dem Sofa mit einem Controller in der Hand in das
„3D-City/Trash-Modell“ eintauchen. Der Künstler Benjamin Reuter hat
mithilfe von Fotos ein dreidimensionales Müll-Universum geschaffen, in dem
Müll auf unterschiedlichen Levels erfahrbar wird. Beim Spielen trifft man
auf vermüllte Einkaufswagen, gleitet an Bauschutt vorbei und taucht in die
verpixelte Welt einer Mülltonne ein.
„Es gibt kein Entkommen aus dem Müll“, konstatiert der Künstler.
## Ein Gipfel rund ums Müllproblem
Er ist ja auch überall, der Müll, und über die künstlerische
Auseinandersetzung mit dem Abfall hinaus will das Müllmuseum auch ganz
praktisch die Auseinandersetzung mit dem Müllproblem voranbringen. Vor
wenigen Wochen fand so [4][ein Müllgipfel im Museum statt]. Auf Einladung
des Bezirks kamen an zwei Tagen verzweifelte Anwohner:innen, die Berliner
Stadtreinigung, Ehrenamtliche und die Bezirksbürgermeisterin zusammen, um
Lösungen für diverse Facetten des Müllproblems zu finden: Braucht das
Ordnungsamt eine Soko Müll? Helfen selbst organisierte Tauschbörsen?
Das Müllmuseum selber setzt auf Bildungsarbeit und Workshops und fängt
dafür bei den Kleinsten an. „Vor allem wollen wir Kinder für die Folgen der
Wegwerfgesellschaft sensibilisieren“, sagt Silvia Witte, die im Müllmuseum
das Theater- und Kunstprojekt „Lauter Müll“ veranstaltet. Dabei nutzt sie
Abfall von der Straße, gereinigtes Plastik zum Beispiel, das bei
Müllsammelaktionen zusammengekommen ist. Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft
entstehen dann aus dem Müll Masken oder Figuren. „Kinder gehen ganz kreativ
mit Müll um“, sagt Witte.
Und das Berliner Müllproblem? Bleibt die Hoffnung, dass auch hier bald eine
kreative Lösung gefunden wird.
8 Dec 2024
## LINKS
[1] https://muell-museum.de/
[2] https://beuysart.org/kunstwerke/fettecke
[3] https://www.lammuseum.nl/en/lift-technician-mistakes-lam-museum-artwork-for…
[4] /Muellgipfel-in-Berlin/!6049434
## AUTOREN
Katharina Wulff
## TAGS
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