| # taz.de -- Fußballimperium Red Bull: Bullen statt Eichhörnchen | |
| > Red Bull kauft den japanischen Klub Omiya Ardija. Es deutet sich an, wie | |
| > rücksichtslos der Konzern vorgeht. Klub-Identität zählt wenig. | |
| Bild: Makoto Aida, Fan des japanischen Fußballklubs Omiya Ardija – noch spie… | |
| Saitama taz | Als Shinnosuke zum ersten Mal davon hörte, dass dieser große | |
| Investor in seinen Klub einsteige, dachte er: „Super! Endlich werden wir | |
| wieder gut!“ Denn in der dritten Liga, wo der Verein vom Nordrand Tokios | |
| zurzeit herumdümpelt, fühlt sich bei Omiya Ardija niemand richtig | |
| aufgehoben. 2016 war man noch Sechster in der J-League, Japans höchster | |
| Spielklasse. Dann begann der freie Fall. „Aber jetzt werden wir ein | |
| Topklub“, kündigt Shinnosuke an und streichelt das Wappen auf seiner Brust. | |
| „Ganz bestimmt!“ | |
| An einem Sonntag Ende Oktober marschieren er und sein Freund Naonari, beide | |
| 21, voll triumphaler Gewissheit zum Nack5 Stadium in Omiya. Den Weg dorthin | |
| findet hier jeder. Die Stromkästen, Laternen und Schaufensterläden sind | |
| überall orange angemalt – die Farbe von Omiya Ardija. „Wenn wir heute einen | |
| Punkt holen, sind wir Meister“, prahlt der selbstverständlich in Orange | |
| gekleidete Naonari. „In ein paar Jahren spielt Orange dann auch wieder in | |
| der ersten Liga!“ | |
| Die Zuversicht der zwei jungen Männer ist mehr als die typische | |
| Überheblichkeit, die Fans eines Fußballklubs oft vor sich hertragen. | |
| Tatsächlich ist fast garantiert, dass sich Omiya Ardija in den nächsten | |
| Jahren nicht nur wieder in der Erstklassigkeit etablieren, sondern wohl | |
| auch an der Spitze der J-League angreifen wird. Im vergangenen Sommer hat | |
| Red Bull 100 Prozent der Anteile von Omiya Ardija gekauft. Die Engagements | |
| des Konzerns anderswo haben gezeigt: Red Bull züchtet Topklubs, Geld | |
| schießt Tore. | |
| Wenn also alles gutgeht, wäre Omiya, ein Stadtteil der Millionenstadt | |
| Saitama nördlich von Tokio, ab Frühjahr 2026 endlich wieder erstklassig. | |
| Trotzdem ist Shinnosuke und Naonari bange, wenn sie an die Zukunft ihres | |
| Klubs denken. Denn es kann gut sein, dass selbst im Fall eines Durchmarschs | |
| in Liga eins kaum mehr Orange in der J-League zu sehen sein wird. „Ich | |
| hoffe, sie ändern unseren Namen nicht in RB“, sagt Shinnosuke. „Oder unser | |
| Wappen in einen Bullen!“, überlegt Naonari. Was das Schlimmste wäre, da | |
| sind sich die Studienfreunde einig: „Wenn Red Bull unsere Farben ändert!“ | |
| Der Klub hat sich zu diesen Fragen bisher nicht geäußert. | |
| ## Existente Klub-Identität | |
| Wenn [1][ein österreichisches Milliardenunternehmen einen japanischen | |
| Drittligisten kauft,] könnten Außenstehende Jubelsprünge erwarten: | |
| Schließlich ist Omiya Ardija ein Klub mit kaum einem halben Jahrhundert | |
| Geschichte, hieß einst NTT Saitama Soccer Selection und war die | |
| Betriebssportmannschaft des Telekommunikationsmonopolisten NTT. Mit der | |
| Gründung der Profiliga J-League Anfang der 1990er Jahre wurde Omiya Ardija | |
| daraus. Viele Fans waren NTT-Mitarbeiter und deren Angehörige. Typisch für | |
| Japan. | |
| Doch wer denkt, die Identitäten seien hier austauschbar, versteht den | |
| Fußball nicht, der auch in Japan zu den beliebtesten Sportarten zählt. | |
| „Mein Vater hat für NTT gearbeitet“, ruft Shinnosuke, als er sich auf die | |
| Stehplätze hinterm Tor drängelt. „Ich war schon als kleiner Junge hier.“ … | |
| ihn herum wehen orangene Fahnen, auf dem Spielfeld wird vor Anpfiff ein | |
| orangenes Banner eingerollt. Die Kurve grölt pausenlos aus Popsongs | |
| umgedichtete Gesänge. Die 15.500-Zuschauer-Arena ist fast voll – in der | |
| dritten Liga. | |
| Je mehr man sich im Stadion umhört, desto deutlicher wird, dass die | |
| Vorfreude auf große sportliche Zeiten getrübt ist. „Man geht jetzt schon | |
| davon aus, dass Omiya in ein paar Jahren Meister werden könnte“, erklärt | |
| der Redakteur des Fanzines „Ardija Guide“ auf der Pressetribüne. „Aber d… | |
| Fans wollen auch wissen, was aus ihrem Klub wird.“ Die neuen Investoren | |
| seien leider schweigsam. „Die Fans kommen zwar weiterhin ins Stadion. Aber | |
| auf sozialen Medien ist schon viel geklagt worden.“ | |
| Beim Kauf durch Red Bull wurden Mitarbeitende und Fans vor vollendete | |
| Tatsachen gestellt. „Uns hat das überrascht“, sagt nicht nur der Redakteur | |
| des Fanzines. Selbst Yuya Takahashi, der Pressesprecher von Omiya Ardija, | |
| erklärt: „Anfang des Jahres zeigte sich, dass Red Bull Interesse hat.“ | |
| Details kenne aber auch er nicht: „Wie teuer der Kauf für Red Bull war, | |
| weiß ich nicht.“ Dafür kennt er die Stimmung unter Fans: „Die Sorgen, dass | |
| sich viel verändern wird, hören wir.“ | |
| ## Neuer Name, neues Logo und auch neue Farbe? | |
| Mitte vergangener Woche hat sich Red Bull dann erklärt: Bei einer | |
| Pressekonferenz saß Chef Oliver Mintzlaff vor einem dem Logo der Klubs in | |
| Leipzig oder Salzburg zum Verwechseln ähnlichen Emblem, bei dem der blaue | |
| Schriftzug „RB Omiya Ardija“ zwei rote Bullen einrahmt. Name und Logo sind | |
| also Geschichte. Zur Farbe erklärte Mintzlaff, man habe eine Lösung | |
| gefunden, „sodass wir Omiyas orangene Farbe weiternutzen können“. In | |
| welcher Kombination, ob als Hauptfarbe und für wie lange, bleibt unklar. | |
| Wer die Akquisitionen des österreichischen Milliardenunternehmens aus | |
| Fuschl am See ansieht, darf erwarten, dass Omiya Ardija irgendwann in Rot | |
| auflaufen wird: Red Bull Salzburg spielte einst in Lila, der Vorgängerklub | |
| von RB Leipzig, SSV Markranstädt, in Blauweiß. Das brasilianische Red Bull | |
| Bragantino war früher schwarzweiß. Bei Bekanntgabe des Ardija-Kaufs im | |
| August klang Oliver Mintzlaff auch wenig bedacht um Fankultur: „Wir freuen | |
| uns sehr, einen Verein in Asien zu haben und unser Fußballportfolio in | |
| einer strategisch wichtigen Region zu erweitern“, hieß es damals. | |
| Aus Perspektive von Red Bull dürfte der Kauf eines japanischen Klubs viel | |
| Sinn ergeben. Japan ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und damit | |
| ein großer Absatzmarkt für Energydrinks. Zudem flutet das ostasiatische | |
| Land den Fußballweltmarkt seit mehr als einem Jahrzehnt mit Talenten. Als | |
| Drittligist mit der Infrastruktur eines Erstligisten dürfte Omiya Ardija, | |
| dessen Stadion aus Tokio mit der U-Bahn erreichbar ist, die ideale Beute | |
| gewesen sein: vermutlich nicht allzu teuer, aber mit viel Potenzial. | |
| „Wir kennen natürlich unsere Position in der Hierarchie“, sagt | |
| Pressesprecher Yuya Takahashi zur Frage, ob Omiya nun zum neuen | |
| Spielerlieferanten für RB Leipzig wird. „Es wird wohl so kommen, dass wir | |
| Toptalente früher oder später nach Leipzig abgeben werden.“ Im Gegenzug | |
| erhofft man sich Wissenstransfer aus der Red-Bull-Schule. „Wir freuen uns | |
| auf [2][das Knowhow von Jürgen Klopp], Mario Gomez und den vielen sehr | |
| guten Trainern.“ Dies wiederum könnte den gesamten japanischen Fußball | |
| befeuern. | |
| ## Omiya Ardija Fans weniger begeistert | |
| Beim Spiel Ende Oktober bebt das Nack5 Stadium, die Fans grölen auch spät | |
| in der zweiten Halbzeit noch. Nur kurz sind die Gesänge durch Jubel | |
| unterbrochen worden: Nach einem überraschenden Rückstand haben die | |
| Hausherren in Orange gegen den FC Imabari, den Tabellenzweiten, | |
| ausgeglichen. Derzeit wäre Ardija als vorzeitiger Meister aufgestiegen. | |
| Doch Makoto Aida, der seit mehr als einem Jahrzehnt ein Stammgast ist im | |
| Stadion, wird das allmählich zu viel. Nach dem Ausgleichstreffer hat er | |
| sich aus der Kurve verdrückt, um sich Bier und gebratene Nudeln zu holen. | |
| „Mir wird mulmig bei dem Gedanken ans erste Saitama-Derby“, erzählt er | |
| heiser. So nennen sich die hitzigen Begegnungen mit dem wohlhabenden | |
| Topklub und notorischen Feind Urawa Red Diamonds, der ebenso aus Saitama | |
| stammt. „Sollen wir gegen die Roten dann in Rot spielen, oder was?“ | |
| Alle im Stadion hier wollen sportlichen Erfolg und eine Chance, den | |
| ungeliebten Rivalen mal zu schlagen, betont Makoto Aida. „Aber um welchen | |
| Preis? Dass wir am Ende rot werden wie die Reds?“ Pressesprecher Takahashi | |
| kennt die Klagen, Red Bull habe bei seiner Investition nur harte Kriterien | |
| wie Marktpotenzial und Infrastruktur beachtet, weichere Merkmale wie die | |
| Identität eines Klubs aber übersehen. Nach der Pressekonferenz diese Woche | |
| dürften sie lauter werden. | |
| Als das Spiel abgepfiffen ist, hat Omiya Ardija das 1:1 über die Zeit | |
| gerettet. „We are the champions“ schmettert durch die Arena. Im Stadion | |
| jubelt auch ein Maskottchen mit, das eher niedlich aussieht als hochpotent. | |
| Der Name Ardija ist ein Fantasiewort, das dem spanischen „ardilla“ entlehnt | |
| wurde und sich mit Eichhörnchen übersetzt. Aber auch dies soll nun ersetzt | |
| werden. | |
| Kann man aus einem orangenen Eichhörnchen einfach einen roten Bullen | |
| machen? Hinter der Tribüne winkt Makoto Aida bei dieser Frage ab. Er wisse | |
| nicht, ob er dann noch komme. | |
| 12 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Felix Lill | |
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